Ökumene

Ökumene (c) Ökumene
Datum:
Mi. 27. Mai 2020
Von:
Pastoralreferent Dietmar Jordan

In dieser Woche vor Pfingsten steht traditionell das weltweite Gebet um die Einheit der Christenheit auf dem geistlichen Kalender unserer Kirche. In Corona – Zeiten gerät dieses wichtige Anliegen schnell in den Hintergrund. Vierorts wird es aber auch durch eine vertraute und entschiedene praktische Zusammenarbeit bei der Bewältigung der jetzt anstehenden Herausforderungen bewahrheitet. Bei uns in Aachen gibt es schon seit über 40 Jahren eine bewährte Weggemeinschaft in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen. Der gemeinsame Ostergruß, den die christlichen Kirchen anlässlich des von der Pandemie überschatteten Festes in den Aachener Lokalzeitungen veröffentlicht haben, war einmal mehr ein sichtbares Zeichen dieses Miteinanders. – Am vergangenen Sonntag hat der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige, der in der Bischofskonferenz federführend für die Beziehungen der christlichen Kirchen zuständig ist, seine Predigt dem Fortgang der Ökumene gewidmet. Sie sei hier dokumentiert und Ihrer Meditation empfohlen.

"Ökumene“ – so formuliert der Theologe Clemens Wilken:
„ein Fremdwort — für die Gleichgültigen
ein Reizwort — für die Festgelegten
ein Hauptwort — für die Begeisterten
ein Zukunftswort — für die noch nicht Resignierten
ein Phantasiewort — für die Pragmatiker
ein Fragewort — das Strukturen erschüttert
ein Füllwort — das als Alibi gebraucht wird
ein Trostwort — für die Verletzten
ein Leitwort — für die Suchenden
ein Kennwort — für die Eingeweihten
und eins der letzten Worte unseres Herrn: Seid eins!"

 Tatsächlich gibt es unter Christen zu diesem Thema unterschiedliche Reaktionen. Für mich und unser Bistum im „Lande Luthers“ ist es freilich schon lange ein wichtiges Anliegen, auf dem Weg zu einer noch größeren Einheit voranzukommen. So haben wir 2004 auch erklärt: „In einer Situation, in der christlicher Glaube längst nicht mehr selbstverständlich ist, kommt dem Umgang der Kirchen miteinander sowie ihrem gemeinsamen Auftreten eine besondere Bedeutung für ihre Glaubwürdigkeit zu.“ In anderen Regionen oder bestimmten Kreisen jedoch stoßen ökumenische Bestrebungen immer noch auf deutliche Widerstände.

Letztlich – dessen sollten sich alle bewusst sein – ist die Einheit der Glaubenden nicht in unser Belieben gestellt, sondern bestimmt von der sehnlichen Bitte Jesu, wie sie in einem Gebet vor seinem Leiden und Tod zum Ausdruck kommt (Joh 17,21): „Wie du Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ Das sollte uns in erster Linie zu denken geben und immer wieder heilsam herausfordern. So ist die moderne ökumenische Bewegung ja auch aus der Erfahrung entstanden, dass Mission wenig Erfolg hat, wenn Vertreter verschiedener Kirchen nebeneinander oder gegeneinander versuchen, Menschen von ihrer Richtung zu überzeugen.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Spaltungen zwangsläufig zu Einseitigkeiten geführt haben. Jede der christlichen Traditionen stellte bestimmte Elemente als das für sie Spezifische heraus und distanzierte sich entsprechend von den charakteristischen Merkmalen der anderen. Wichtig wäre es darum, sich gegenseitig nicht die Defizite aufzudecken, sondern vielmehr nach den jeweiligen Stärken zu fragen und zu überlegen, wie diese das eigene Glaubensleben bereichern können.

Und schließlich sei auch an die vielen konfessionsverschiedenen oder -verbindenden Ehen erinnert, die oftmals darunter leiden, mit ihren Problemen und Schwierigkeiten zwischen den Kirchen zu stehen, aber auch an manche gesellschaftliche Tragödie, die sich aus konfessionellen Gegensätzen ergibt oder mit solchen in Verbindung steht.

Aus all diesen Gründen hat sich auch unsere Kirche mit dem II. Vatikanischen Konzil “unumkehrbar dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach Ökumene einzuschlagen und damit auf den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die ‚Zeichen der Zeit‘ zu lesen”. Seitdem ist vielen immer deutlicher bewusst geworden, dass uns mehr verbindet, als uns trennt. Das sollte uns animieren, mutig und kreativ weiterzugehen. Was aber heißt das für uns konkret: für unsere Kirchen und Gemeinschaften, unsere Gruppen und jeden einzelnen Christen? Was können und sollten wir tun?

An erster Stelle steht da wohl die geistliche Ökumene: für- und miteinander zu beten, gemeinsam die Bibel zu lesen und das Wort Gottes zu betrachten, geistliche Erfahrungen miteinander zu teilen und den liturgischen Reichtum der anderen Kirchen zu erschließen. Dabei ist geistliche Ökumene keine so betuliche Angelegenheit, wie es zunächst scheinen könnte. Zu ihr gehören untrennbar Umkehr und Erneuerung. Doch bekehren müssen sich nicht nur die jeweils anderen; die Bekehrung fängt bei uns selber an. Sehen wir nicht nur den Splitter im Auge des anderen, sondern auch den Balken vor dem eigenen Auge.

Neben der geistlichen Ökumene als Herz unserer Bemühungen bedarf es auch des theologischen Dialogs, der gewissermaßen ihren Kopf darstellt. Das Ideal des christlichen Glaubens ist nicht der einfältige Köhlerglaube. Auch der Verstand ist eine Gabe Gottes; deshalb gehören Glauben und Wissen zusammen, auch in der Ökumene.

Neben Herz und Kopf sind aber auch die Hände und Füße wichtig. „Tun, was eint“, so lautet ein bekanntes Motiv. Der Dialog der Liebe und der Wahrheit bedarf der Ökumene des Lebens. Wir müssen uns immer noch viel besser kennen lernen. Daraus erwächst dann das gemeinsame Zeugnis: in der Frage des Friedens und der internationalen Ordnung, der Gerechtigkeit und des Umweltschutzes, der Heiligkeit des Lebens und der Würde des Menschen.

Der Ökumenismus ist – wie Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Ut unum sint“ vor 25 Jahren geschrieben hat – „nicht bloß irgendein ‚Anhängsel‘ …, das der traditionellen Tätigkeit der Kirche angefügt wird“, sondern „gehört“ vielmehr „organisch zu ihrem Leben und zu ihrem Wirken“. Bleiben wir in diesem Sinne wach und sensibel! Hören wir nicht auf, ohne Unterlass zu beten! Setzen wir Herz und Verstand, Hände und Füße ein! Und lassen wir uns von Gottes mächtigem Geist bewegen!

Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in NRW hat auf ihrer Webseite ein „Ökumenisches Gebet in Zeiten der Corona – Krise“ veröffentlicht, das Sie mit diesem Link aufrufen können:

https://www.ack-nrw.de/aktuelles/meldungen/einzelansicht-news/article/oekumenisches-gebet-in-zeiten-der-corona-krise/