Gläubig zu sein verbindet

Friedensmahl der Religionen in Aachen beschäftigte sich mit dem Stellenwert von Religion

Dialog_Nachricht (c) Andrea Thomas
Datum:
Di. 24. Jan. 2017
Von:
Andrea Thomas
Der Dialog trägt Früchte. Zum siebten Mal hatte der Arbeitskreis „Dialog der Religionen“ in Aachen die Mitglieder seiner Religionsgemeinschaften (Aleviten, Baha’i, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden und Muslime) zum gemeinsamen Friedensmahl der Religionen eingeladen.
Dialog (c) Andrea Thomas

Thema des Nachmittags im Alten Kurhaus: „Wieviel Religion braucht der Mensch?“. Oder braucht er sie überhaupt? Auf die „goldene Regel“, die in allen großen Religionen verwurzelt ist („Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“) sei schließlich auch der ein oder andere Philosoph gekommen, merkt Gehrd Hartjen von „Religionen für den Frieden“ und einer der Moderatoren des Nachmittages an.

Es muss da also noch ein „mehr“ geben. Was ist das also, was Religion, was Glaube ausmacht? Was unterscheidet Menschen, die glauben, von Menschen, die das nicht tun? Haben die Religionen, hat der Glaube Einfluss auf die Moral? Ist Religion in unserer Zeit noch ein Friedensstifter oder doch eher ein Brandbeschleuniger? Wäre unsere Gesellschaft besser dran ohne Religionen oder würde uns als Gesellschaft dann nicht etwas Entscheidendes fehlen?

Viele Fragen stehen im Raum, über die Teilnehmer des Friedensmahls in den zehn Tischrunden miteinander ins Gespräch und in die Diskussion kommen sollen. Einen Denkanstoß und Impuls sollen einige der bereits skizzierten sowie weitere Leitfragen geben, die auf den Tischen ausliegen. Außerdem die Gedanken von vier jungen Menschen unterschiedlicher Religionen, die zum „Poetry Slam“ („Poesie-Wettstreit“) gegeneinander antreten. Das sind Magnus Schwarz (22 Jahre) vom Zentrum für tibetischen Buddhismus, Caroline Heintz und Paul Bank (beide 16 Jahre) von der evangelischen Gemeinde Aachen-Kornelimünster sowie die junge Muslima Iman Laghmar (20 Jahre).

Alle vier haben sich für sich damit auseinandergesetzt, was Religion und Glaube für sie persönlich bedeutet, aber auch mit der aktuellen Lage unserer Welt. Mit den Dingen, die da gar nicht gut laufen, die ihnen Angst machen, die sie gerne ändern wollen, damit die Welt wieder ein Ort des friedlichen Miteinanders von Menschen wird, und damit, welche Rolle dabei der Glaube für sie spielt. Aus Magnus‘ Worten klingt zunächst auch eine gewisse Skepsis gegenüber jeder Form von Glaube und Religion durch. Doch in einer Gesellschaft, die auf Spaß und Besitz baut, entsteht Sehnsucht nach etwas, das einem innere Kraft gibt, glücklich macht ohne Drogen. Die Frage „Wozu brauche ich Religion?“ beantwortet er unter anderem damit, Frieden zu schaffen, sich selbst zu lieben und Mitgefühl zu kultivieren.

Paul beschreibt die Reise, auf der wir uns befinden, die Suche nach etwas, von dem wir nicht so genau wissen, was es eigentlich ist. In den „Träumen der Nacht“ fühlt er sich „behütet und bewacht“. Für ihn ist es nicht Religion, sondern der Glaube an den „Einen“, der uns hilft zu finden, was wir suchen und anzukommen auf unserem Weg.

Glaube auf arabisch sei ihr Name, sagt die 20-jährige Iman, und er sei ihre Antriebskraft. Glaube baue Brücken, sei die Quelle inneren Friedens, nicht der Gewalt. „Menschen müssen lernen, zu differenzieren zwischen denen, die hassen, und denen, die lieben“, macht sie sich stark dafür, Vorurteile „beiseitezufegen“.

Auch Caroline setzt sich mit der zerstörerischen Kraft von Hass und Intoleranz auseinander und stellt ihr die verbindende Kraft der Mitmenschlichkeit gegenüber. „Wir sehen der Welt beim Zerfall zu.“ Das müsse sich ändern, der Moment sei jetzt: „Lasst uns Frieden stiften – gemeinsam!“. – Starke und nachdenklich machende Worte, für die die vier jungen Leute viel Beifall bekommen.

 

Auch unsere eigene Religion sollten und müssen wir hinterfragen

An den Tischen geht es vor, bei und nach dem gemeinsamen Essen weiter: Was bedeutet mir und für mein Leben Religion und Glaube? Die Antworten darauf sind vielfältig und ergeben sich aus ebenso offenen wie intensiven Diskussionen: „Die Welt und die Menschen aufmerksam wahrzunehmen, im Gebet Stille zu finden, mein Leben anzuschauen und vor Gott zu tragen“, beschreibt es ein Teilnehmer.

Glaube, das ist für viele etwas Persönliches, Religion etwas, in das sie hineingeboren wurden, in dem sie aufgewachsen sind. Für andere ist es eine bewusste Entscheidung, nachdem sie sich intensiv mit den verschiedenen Religionen beschäftigt haben. Egal wie, das wird deutlich, Religion und Glaube sind etwas, das Menschen nicht einfach hinnehmen, sondern jeder für sich auch hinterfragen sollte. „In unserer Gesellschaft wird viel nachgeahmt. Entscheidend ist, warum wir etwas machen. Nur, wenn wir das und uns hinterfragen, können wir auch mit anderen umgehen“, drückt eine junge Frau ihre Beobachtungen aus.

Und egal, als wie persönlich wir unseren Glauben empfinden, er ist auch (gesellschafts-)politisch. Er prägt uns und unsere Haltung, wie wir auftreten und uns in der Gesellschaft bewegen, zum Beispiel auch im Umgang mit Fremden, mit Menschen, die einer anderen Religion angehören. Er hilft uns dabei, Vorurteile abzubauen. Insofern lautet die Antwort auf die Frage, ob wir Religion brauchen, eindeutig „ja“. Religion ist „praktische Lebenshilfe im Alltag“, ist das, was uns trägt und uns Halt gibt. Religion und Glaube verbinden die Menschen untereinander und die Menschen mit Gott (welchen Namen auch immer wir ihm oder ihr auch geben). Darauf können innere Kraft, Liebe, Zufriedenheit und Friede entstehen, im kleinen, persönlichen und im großen, gesellschaftlichen Umfeld.

Dafür ist auch der Dialog der Religionen in Aachen ein gutes und lebendiges Beispiel. Er sei die Basis dafür, dass hier ein friedliches und respektvolles multikulturelles und multireligiöses Miteinander möglich sei, unterstreichen die Akteure des Arbeitskreises „Dialog der Religionen“. „Was Aachen ausmacht, ist, dass alle Mitglieder Verantwortung tragen und zusammenstehen. Wir sind kein elitärer Kreis, sondern stehen für einen gewachsenen Dialog“, hatte es Shahab Ebrahimi von der Baha’i-Gemeinde zu Beginn des Friedensmahls unterstrichen. Allen Religionen, die hier zusammenkämen, sei die Suche nach Frieden und Wahrheit gemeinsam, die Solidarität mit den Schwachen, der Schutz der Familie und die verantwortungsvolle Partnerschaft von Mann und Frau. Wer die Gemeinsamkeiten entdecke und die Unterschiede der Religionen respektiere, verstehe auch seine eigene Religion besser.

Mehr: www.aachen.de/dialog-der-religionen.de