Basiswissen

Auf dieser Seite finden Sie Informationen zum Thema sexualisierter Gewalt. Sexualisierte Gewalt hat viele Facetten: von der Grenzverletzung über sexualisierte Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung. Auf dieser Seite stellen wir Ihnen unterschiedliche Formen sexualisierter Gewalt vor und verdeutlichen es an Beispielen aus verschiedenen Bereichen. Welche Faktoren erhöhen das Risiko? Welche Strategien und Merkmale können auf Täter/-innen zutreffen? Und wie sollten Sie handeln, wenn sich Ihnen jemand anvertraut oder Sie einen Verdacht haben? Diese Inhalte sind ebenfalls Bestandteil der Präventionsschulungen.

Zum Hintergrund: 

Die Präventionsordnung im Bistum Aachen nennt wichtige Aspekte, wie der Schutz von Kindern und Jugendlichen gewährleistet werden kann. Sie ist in den in NRW gelegenen fünf (Erz-)Diözesen gleichlautend erlassen worden und verfolgt das Ziel, Kindern und Jugendlichen sichere Räume zu bieten. Demzufolge verpflichten sich alle Pfarreien, Pastoralverbände sowie alle anderen kirchlichen Dienste und Einrichtungen, die Prävention gegen sexualisierter Gewalt zu einem festen Bestandteil ihrer Arbeit zu machen. Die hier haupt- und nebenberuflich sowie ehrenamtlich Tätigen betreuen Kinder und Jugendliche, arbeiten somit intensiv mit ihnen zusammen und tragen daher eine große Verantwortung für deren körperliches, geistiges und seelisches Wohl. Damit junge Menschen sichere Lebensräume vorfinden, ist es notwendig, dass der Umgang miteinander immer wieder reflektiert, überprüft und weiterentwickelt wird, sodass Bedingungen geschaffen werden, die das Risiko von sexualisierter Gewalt senken.

Welche Maßnahme schützt gegen sexualiste Gewalt?

Die Fälle von sexualisierter Gewalt sind sehr unterschiedlich. Folglich gibt es keine einzelne Maßnahme, die sexualisierte Gewalt verhindern kann. Infolgedessen ist es wichtig, dass sich nicht nur einzelne Mitarbeiter/-innen mit dem Thema befassen. Vielmehr müssen wir als Kirche in allen Bereichen und mit allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen aufmerksam und sensibel auf die anvertrauten Schutzbedürftigen schauen. Demnach müssen wir Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen gemeinsam entschlossen entgegentreten.

 

Was sind Grenzverletzungen?

Grenzverletzungen beschreiben ein einmaliges oder sehr seltenes unangemessenes Verhalten, das zumeist unbeabsichtigt geschieht. Ursachen sind häufig mangelnde persönliche oder fachliche Reflexion. Außerdem begünstigen fehlende oder unbekannte Regeln Grenzverletzungen. Sie sind nicht immer strafrechtlich relevant und führen daher nicht immer zu einer Verurteilung. Ab wann eine Grenze für einen Einzelnen überschritten wird, ist für Außenstehende nicht immer sofort sichtbar. Dementsprechend ist es wichtig, auf Hilfe und Unterstützung bei der Klärung zurückzugreifen.

 

Was versteht man unter sexuellen Übergriffen?

Sexuelle Übergriffe hingegen stellen eine willentliche und eindeutige Überschreitung gesellschaftlicher Normen, institutioneller Regeln und fachlicher Standards dar. Persönliche Grenzen, nonverbale, verbale und körperliche Widerstände werden ignoriert.

ben-wicks-iDCtsz-INHI-unsplash

Formen sexualisierter Gewalt

  • Missachtung persönlicher Grenzen, z.B. tröstende Umarmung, obgleich dies dem Gegenüber unangenehm ist
  • Missachtung der Grenzen der eigenen professionellen Rolle, z.B. unangemessenes Gespräch über das eigene Sexualleben
  • Missachtung von Persönlichkeitsrechten, z.B. Verletzung des Rechts auf das eigene Bild durch Veröffentlichen von Fotos im Handy oder im Internet
  • Missachtung der Intimsphäre z.B. verpflichtendes Umziehen in der Sammel-Umkleide, obwohl sich jemand in der Einzelkabine umziehen möchte
  • Einstellen von sexualisierten Fotos ins Internet und sexistisches Manipulieren von Fotos, z.B. Einfügen von Porträtaufnahmen in Fotos nackter Körper in sexueller Pose
  • wiederholte, vermeintlich zufällige Berührung der Brust oder der Genitalien, z.B. bei Pflegehandlungen, bei Hilfestellungen im Sport
  • wiederholte abwertende sexistische Bemerkungen über die körperliche Entwicklung junger Menschen
  • sexistische Spielanleitungen, z.B. Pokern oder Flaschendrehen mit Entkleiden
  • wiederholte Missachtung der Grenzen der eigenen professionellen Rolle, z.B. Gespräche über das eigene Sexualleben, Aufforderung zu Zärtlichkeiten

Über Täter und Täterinnen

Täter und Täterinnen sind verantwortlich für ihr Tun. Sie nutzen ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Häufig lassen sich jedoch einige Strategien und Merkmale von Tätern und Täterinnen beobachten. Wichtig zu verstehen ist allerdings, dass man keinem Menschen diese Straftaten ansieht. Es können Menschen mit tadellosem Ruf sein, die sich absolut unauffällig verhalten und denen man eine solche Tat niemals zutrauen würde.

Zu den Vorgehensweisen von einer solchen Person kann es z.B. gehören, dass sie ein Vertrauensverhältnis zu ihrem möglichen Opfer aufbaut und es schafft dieses an sich zu binden. Die Täter/-innen nehmen auch oftmals das Umfeld ihres potenziellen Opfers in den Blick, um auch dieses zu täuschen. In dieser Anbahnungsphase, Grooming genannt, versuchen sie durch besondere Zuwendung, Aktionen oder Unternehmungen, eine spezielle Verbindung aufzubauen und die Arglosigkeit des möglichen Opfers  zu erhöhen. Dafür "testen" sie nach und nach Widerstände aus, ehe sie gezielt eine Gelegenheit für schwerere Übergriffe schaffen. Ein weiterer Aspekt ist das scheinbar zufällige Lenken eines Gespräches auf sexuelle Themen, um zu verunsichern. Auch scheinbar unbeabsichtigte Berührungen gehören dazu. Die Täter/-innen machen ihre Opfer nicht nur durch die Verunsicherungen sondern auch durch Drohungen gefügig, indem sie gezielt deren Loyalität und Abhängigkeit ausnutzen. Sexualisierte Gewalt ist kein einmaliges, sondern ein mehrfach vorkommendes und vor allem länger anhaltendes Geschehen, das häufig bis ins Detail geplant wird. Demzufolge handelt es sich selten um eine spontane Tat. 

Viele Fälle des sexuellen Missbrauchs werden nicht aufgedeckt, weil die Betroffenen niemanden finden, dem sie sich anvertrauen können. Die Erfahrung zeigt, dass sich ein Kind beispielsweise an durchschnittlich sieben Personen wenden muss, bis es auf einen Menschen trifft, der ihm glaubt, zuhört oder Hilfe anbietet. Demzufolge ist es von großer Wichtigkeit professionell zu handeln, wenn man einen Missbrauch vermutet. Die Handlungsleitfäden sollen hierbei eine Hilfe sein.

Handlungsleitfäden

  • Ruhe bewahren und besonnen handeln, aktiv werden.
  • Zuverlässige/r Gesprächspartner/-in sein.
  • Zuhören, Glauben schenken.
  • Offene Fragen stellen: Was? Wann? Wer? Wo? Wie?
  • Ambivalente Gefühle des Kindes/Jugendlichen akzeptieren.
  • Wichtige Botschaft: "Du trägst keine Schuld!"
  • Vertraulichkeit ist wichtig, aber Sie sollten eigene Grenzen und Möglichkeiten erkennen und akzeptieren, sich selber Hilfe durch Beratung holen und die/den Betroffene/n darüber informieren.
  • Die betroffene Person wird in die Entscheidung über weitere Schritte eingebunden, jedoch: wenn es Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung (bzw. Selbst- oder Fremdgefährdung) gibt, müssen Sie entsprechend der Handlungsleitfäden handeln.
  • Dokumentation von Gespräch, Situation und Fakten mit Datum und Uhrzeit.
  • Bei tatsächlicher Beobachtung übergriffigen Verhaltens: sofort stoppen und Gruppenleitung, Vorgesetze oder Einrichtungsleitung informieren!

Notruf 110 bei akuter Gefahr

 

  • nicht bedrängen! Keinen Druck ausüben
  • nicht nach dem "Warum" fragen; dies löst Schuldgefühle aus
  • keine Suggestivfragen stellen
  • keine Erklärungen einfordern
  • keine Versprechen oder Zusagen geben, die nicht haltbar sind
  • keine Entscheidungen/weiteren Schritte ohne altersgemäße Einbindung des jungen Menschen
  • nichts auf eigene Faust unternehmen, keine eigenen Ermittlungen
  • keine Informationen oder eigene Befragung der/des Beschuldigten. Sie/er könnte die/den Betroffene/n danach unter Druck setzen
  • keine weitere Befragung ("Verhör") der/des Betroffenen, belastende mehrfach Vernehmungen vermeiden!
  • keine Konfrontation der Eltern des betroffenen Kindes/Jugendlichen mit der Vermutung, wenn nicht sicher ist, dass der/die Täter/-in nicht zum familiären Umfeld gehört.
  • keine voreilige Weitergabe von Informationen an andere Außenstehende
Handlungsschritte und Verfahrenswege bei Vermutung von sexualisierter Gewalt... (c) Bistum Aachen