Reformationsfest

2023_10_31_Treppe Wassenberg (c) Chr. Simonsen
Datum:
Di. 31. Okt. 2023
Von:
Christoph Simonsen

Nein, das Reformationsfest ist nicht nur ein Festtag für die Christ*innen der evangelischen Kirchen. Es ist ebenso ein Fest für uns Katholik*innen.

Erinnern wir uns: Im Blick auf die lebendigen und anregenden Gespräche des deutschen synodalen Weges erlaubte sich Papst Franziskus eine – in meinen Augen – doch ziemlich despektierliche Behauptung. Er meinte, Deutschland brauche keine zweite evangelische Kirche. Damit kritisierte er die Bemühungen der meisten der Synodalen, die die Machtverhältnisse in der katholischen Kirche einer Überprüfung unterziehen wollten, angesichts der Tatsache, dass eben diese Machtfülle, die einzelne aufgrund ihres Amtes und ihres scheinbaren Ansehens  für sich in Anspruch nahmen, zu einem Exzess sexueller und psychischer Übergriffigkeit an Minderjährige und Schutzbefohlene in der Vergangenheit ermöglicht hat. Die evangelische Kirche, so kann man wohl die Kritik des Papstes verstehen, stehe aufgrund ihrer synodalen Strukturen in der Gefahr, die Botschaft der Heiligen Schrift zu relativieren und den Realitäten der Zeit anzupassen aufgrund von Entscheidungen, die in demokratischen Verfahrensweisen zustande kommen.

Nun mag man dem Papst in dem Punkt beipflichten, dass eine Zersplitterung der Gläubigen wohl kaum dem Ansinnen Jesu gerecht wird, das er im hohepriesterlichen Gebet mit dem Wunsch zusammengefasst hat: „Lass alle eins sein, damit die Welt glaube“. Zersplitterung und Trennung ist kaum ein Wesensmerkmal christlicher Verbundenheit.

Aber das Ansinnen Martin Luthers war eben nicht das Zielen auf Zersplitterung; seine Motivation war, aufgrund der damaligen übermächtigen Machtfülle des Klerus in der Kirche, die Einheit der Christ*innen und das Berufen-sein jeder und jedes Gläubigen hervorzuheben. Alle seien eins in Christus aufgrund der Ihnen geschenkten Gnade. Die Trennung kam dann erst zustande aufgrund der Exkommunikation des Reformers Martin Luther. Salopp gesagt: Was blieb ihm anderes übrig, so zu handeln, wie er gehandelt hat, nachdem die Machthaber der Kirche ihn vor die Tür gesetzt haben? Diese These ist – ich gebe es zu – sehr kurz gefasst und schließt nicht alle historischen Komponenten mit ein. Dennoch: Der Bannspruch von Papst Leo X hatte zur Folge, was dann geschehen ist.

Das heutige Reformationsfest ist auch für mich als Katholik ein Tag des Dankens und der Freude, wie auch ebenso der Nachdenklichkeit, weil es in Erinnerung ruft, was damals wie eben auch heute auf dem Spiel steht: Die Einheit der Christinnen und Christen. Die Gefahr einer Spaltung sehe ich weniger in dem kritischen Blick, den reflektierte und besonnene Christ*innen, Getaufte ebenso wie in der theologischen Wissenschaft Arbeitende, auf die Lage der katholischen Kirche heute werfen, als vielmehr in der Beharrlichkeit, mit der Bischöfe (und auch Papst Franziskus) auf ihr Alleinstellungsmerkmal beharren, die Wege der katholischen Kirche bestimmen zu dürfen. Es ist doch mehr als bedenklich, dass sie als Dienst anpreisen, was in Wahrheit ihre Macht zementieren soll. Dienen wollen und Macht ausüben passt eben nicht zusammen. Und jedem Hören, das ja Papst Franziskus als Maxime über die Weltbischofssynode gelegt hat, die sich ja eben der Frage einer ehrlichen Synodalität stellen möchte, muss eben auch ein Handeln folgen. Die Geduld vieler Christ*innen ist schon mehr als strapaziert.

Martin Luther wollte die Kirche reformieren, sie im Leben der Menschen und in der Welt ankommen lassen. Sein Begehr ist wohl vergleichbar mit dem, das viele Christ*innen auch heute umtreibt. Die Folge heute ist dabei weniger die Angst vor einer Spaltung als die, eines massiven Austritts gläubiger Menschen aus der Kirche.

Deswegen ist das Reformationsfest für mich ein freudiger wie ein nachdenklich stimmender Tag: Freudig angesichts der Emanzipation vieler Christ*innen in einem System, das der Beharrlichkeit mehr zutraut als dem Mut, Neues zu wagen. Nachdenklich, weil ich denke, dass jetzt die Zeit ist zu handeln.