Ansprache von Christoph Simonsen zum 3. Sonntag in der Fastenzeit - Lesejahr B

Datum:
So. 7. März 2021
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium nach Johannes (2,13-25):

Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte. Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.

Ansprache:

Darf sich Mönchengladbach als fahrradfreundliche Stadt bezeichnen? Wir haben es hier diskutiert in unserer Citykirche.

Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir eines lieben Freundes in der Münsterkirche gedacht und sein Auferstehungsamt dort gefeiert; anschließend haben wir hier in der Citykirche gemeinsam Kaffee getrunken. 

In den kalten Nächten jetzt im Februar diesen Jahres haben Menschen ohne Wohnsitz hier in der Citykirche übernachtet und am Morgen haben wir gemeinsam gefrühstückt.

Wenn wir tagsüber zuweilen alleine sind in der Citykirche: Die Aufsichtspersonen, die Mitarbeitenden, dann scherzen und lachen wir miteinander hier im hochheiligen Gotteshaus.

Gäste unserer Citykirche staunen darüber, wenn wir sie einladen, ihre Vierbeiner, die sie draußen vor der Kirche angebunden haben, um dann das Gotteshaus zu besuchen, mit hineinzunehmen Alles, was lebt, ist schließlich ein Geschöpf Gottes. Sie staunen und danken für diese Offenheit; einige wenige aber sind erzürnt darüber, würde doch der heilige Ort entweiht.

Hier werden Menschen die Haare geschnitten; wir laden zum Tangotanzen ein nach dem Gottesdienst; junge Menschen, die sich ansonsten in der Waldhausener Straße treffen, tauchen ein in Klänge elektronischer Musik.

Haben wir diesen heiligen Ort zu einer Räuberhöhle gemacht? Was macht einen Ort zu einem heiligen Ort, was unterscheidet ihn von einem profanen Ort? Und die Frage, die mich immer wieder bewegt, wenn ich hier bin: Kann ein Ort entweder nur das eine oder nur das andere sein: heilig oder profan? Oder doch beides zugleich? 

Die Frage scheint mit dem heutigen Evangelium beantwortet: Entweder-oder, beides zusammen geht nicht. Es scheint offensichtlich, dass Jesus das Heilige und das Weltliche nicht an einem Ort verortet sieht. Beten und Leben, sich Gott anvertrauen, und für die Belange des Lebens zu sorgen, haben zweifelsohne ihre Berechtigung, aber nicht an einem Ort. Will Jesus also den Glauben trennen vom schnöden Leben des Alltags, der eben nicht so porentief rein ist wie ein heiliges Gotteshaus? 

Die Frage scheint beantwortet, aber einfache Antworten können auch trügerisch sein. Und so einfach ist es dann eben doch nicht. Der letzte Satz im heutigen Evangelium lohnt ein tieferes Nachdenken: „Jesus wusste, was im Menschen ist.“ Jesu Zorn gründete auf der Erfahrung, dass er im Menschen mehr ich und zu wenig du gesehen hat; Verdienen wollen: diese Lebenseinstellung lässt Jesus die Zornesröte ins Gesicht steigen; ein verdienen, das einem offenen entdecken wollen entgegensteht.

Es bleibt die Frage, ob hier in der Citykirche bei allem, was geschieht, das Du Gottes und das Du der Geschwister im Vordergrund steht oder ein oberflächlicher Aktionismus, der zeitgemäß sein will, aber eben nicht mehr. Dieser kritischen Frage müssen wir uns unterziehen. Wir, die Verantwortlichen der Citykirche, aber auch wir als Kirche insgesamt. Es sollte uns gehen um eine heilmachende Kommunikation; darum, dass die Menschen, die uns nahe kommen,  – uns als Citykirche und uns als Kirche – sich selbst nahe kommen und sich erfahren können als aus sich heraus wertgeschätzt von Gott und Mensch, reflektiert oder unbewusst. Weil viele Menschen genau diese Erfahrung nicht mehr machen, weil sie Kirche als um sich selbst kreisend erfahren und heute mehr denn je der Überzeugung sind, Kirche wäre es wichtiger, sich selbst zu retten als sich dem einzelnen Menschen zuzuwenden, treten so viele aus der verfassten Kirche aus. Jede/jeder die/der geht, stellen mir als Mitarbeitender der Citykirche und stellen uns als Kirche die Frage, ob uns gleichgültig ist zu erfahren, was in diesem Menschen ist und was geweckt werden möchte in ihm. Wenn auch Jesus weiß, was im Menschen ist, wir müssen es ergründen; dazu müssen wir uns offenhalten für sein Fragen und Suchen und wir müssen Signale für diese unsere Offenheit setzen. Ansonsten kreisen wir tatsächlich nur um uns selbst und dürfen uns nicht wundern, dass die Menschen gehen. 

Unsere Citykirche ist keine Markthalle, möchte zumindest keine sein. Unser Bemühen ist, ein Ort für den Menschen zu sein. Nicht der Eifer für dieses Haus möchte uns verzehren, sondern der Eifer für den Leib, wie es im Evangelium heißt, und das heißt für den Menschen. Für jede und jeden, der hier einkehrt mit guter Absicht, mit innerem Interesse und wacher Neugierde. Da mögen wir in einzelnen Experimenten übers Ziel hinausschießen und dann bitten wir alle um entsprechende Kritik und Rückmeldung. Aber zu experimentieren möchten wir uns nicht nehmen lassen, denn bis zur Vollendung der Welt ist das Leben ein Experiment und wer, wenn nicht Gott, hätte ein Interesse daran, dass wir alles probieren, alles wagen, um das zu ergründen, was er an gutem Lebendigem in diese Welt hineingelegt hätte?