Ansprache zum Dreifaltigkeitssonntag:
Letztens las ich einen Satz, der mich in meinen Gedanken nicht mehr los ließ. „Ich versuche, die Zeit zu meiner Freundin zu machen“. Wie geht das, die Zeit zur Freundin zu gewinnen? Normalerweise ist mir die Zeit mehr unangenehme Antreiberin als liebevolle Freundin.
„Ich versuche, die Zeit zu meiner Freundin zu machen“. Schnell ist mir klar: Dieser Gedanke macht was mit mir. Dieser Satz beruhigt mich und zugleich beunruhigt er mich auch.. Der größte Abschnitt meiner Lebenszeit liegt hinter mir und die Zukunft wird kürzer. Mir wird bewusster als zuvor, dass die Zeit ein Geschenk ist. Ich kann mich in der Zeit verlieren, aber wie schön ist es doch, dass ich Zeit jetzt und hier erleben darf. Das „jetzt und hier“ wahrnehmen und mich nicht gefangen nehmen lassen von dem Gedanken, was sein und was werden wird.
Letztens erzählte mir ein Freund von einer schwierigen Begegnung, wo unterschiedliche Meinungen aufeinander gestoßen sind; die Emotionen kochten hoch. Zufällig schaute er aus dem Fenster nach draußen und bemerkte eine Naturlandschaft, die ihm vertraut war, aber bisher nie besonders aufgefallen ist. Gerade in diesem Augenblick jedoch sah er das Grün der Wiese und die Farben der wilden Blumen in einer Weise, wie er es zuvor nie wahrgenommen hat. Das hat ihm eine solche innere Ruhe beschert, sagte er, dass das Streitgespräch unerwartet einen ganz anderen, versöhnlicheren Verlauf vernahm. Ein einziger Blick auf die Farben in der Welt vermag Wege des Verständnisses aufzuschließen.
Von dieser Gelassenheit wünsche ich mir mehr. „Mehr Toleranz wagen“, so las ich in der vergangenen Woche auf einer Häuserwand mitten in Berlin direkt am Mauerpark, dort, wo früher die Mauer Ost und West voneinander trennte. Nicht einer Verbissenheit Raum geben in mir, weil mir die Zeit schwindet, mir Wichtiges im Leben umzusetzen, sondern einer Gelassenheit vertrauen, dass sich bewahrheiten wird, was gut und richtig ist. Warum? Weil Gott mit im Spiel ist.
Gott begegnen wir in der Zeit, und er übersteigt dennoch alle Grenzen der Zeit, so dass wir Gott nicht nur in unserem Leben begegnen, vielmehr in allem was war und was kommen wird. Diese Größe Gottes bewahrt uns davor, ihn vereinnahmen zu können und lehrt uns, ihn in allem zu suchen.
Gott schenkt alles von sich, und er ist dennoch das größte Geheimnis, so dass wir Menschen jeden Augenblick unseres Lebens zur Suche nach ihm aufgerufen sind. Die Weisheit Gottes bewahrt uns davor, stehen zu bleiben, uns zu begnügen und ruft uns auf, Suchende zu bleiben. Nicht verkrampft und gehetzt, sondern gelassen und zuversichtlich.
Gott ist der Verlässliche, der sich ganz verlieren kann in uns und doch ganz bei sich bleibt, der sich verströmt bis zur Selbstaufgabe und sich doch nie verliert.
Gott steht in einer immerwährenden Beziehung, zu sich, zu uns, zu allem. Gott ist nicht für sich Gott, sondern für seine Freundinnen und Freunde – für uns.
Wenn Gott Urheber der Zeit und der Garant für Wahrheit und Weisheit ist, dann wird es gut werden. Seine Freude ist es, „bei den Menschen zu sein“.