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Ansprache 7. Sonntag der Osterzeit

Evangelium: Joh 17,20-26

20 Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. 21 Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast. 24 Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt. 25 Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin. 

 

Ansprache:

Es gibt Leute, die gucken sich die Welt schön; sie fahren mit der Zahnradbahn die Zugspitze hoch und kommen da oben aus dem Staunen nicht heraus ob dieses wunderschönen Panoramas.

 

Es gibt andere, die reden sich die Welt schön; sie sitzen in gemütlicher Runde zusammen und bestärken einander, wie gut es ihnen doch ginge.

 

Es gibt wieder andere, die zeigen sich die Welt schön; sie posten schöne Frühlingsbilder bei Facebook und schwärmen ob der schönen Farben der Natur und der Wärme der Sonne.

 

Und wenn gar nichts mehr hilft, dann kann man sich  die Welt ja auch noch schön trinken oder schön kiffen, ja sogar schön beten kann man sich die Welt.

 

Ich wollte mir bei einem meiner meinem letzten Besuch in Berlin die Welt auch schön gucken und hab mir Karten besorgt für eine Märchenoper von Mozart in der Komischen Oper Berlin. "Die Entführung aus dem Serail". Ein böser Pascha entführt die schöne Constanze. Der Geliebte Belmondo will sie befreien, gerät aber dadurch selbst in die Gefangenschaft des furchteinflößenden Bassa Selim. Aber wie in jedem schönen Märchen gewinnt der Gute natürlich und zum Schluss entlässt der Pascha die beiden Geliebten in die Freiheit, weil er einsieht, dass er gegen eine solch tiefe Liebe wie die zwischen Constanze und Belmondo nicht ankommen kann.  Das hätte doch ein schöner Schluss einer sehr entspannten Zeit werden können. Wurde es aber nicht. Denn der böse Regisseur hat sich die Freiheit genommen und einzelne Texte sehr wörtlich genommen, die andere als weniger wichtig vernachlässigt haben; und so hat er aus dem ganzen schönen Märchen eine einzige Tragödie gemacht und herausgearbeitet, wie Macht und Gier die Liebesfähigkeit der Menschen beeinflussen, ja pervertieren kann. Dazu brachte er szenische Bilder von kriegerischen Auseinandersetzungen heutiger Tage, die so manchen braven Opernbesucher die Schamesröte ins Gesicht steigen ließ und nicht wenige verließen erbost das Theater. Das macht man ja auch nicht,  solch ein schönes Opernmärchen so zu vergewaltigen. Schließlich brauchen wir doch alle unsere kleinen Nischen, in denen wir uns die Welt schön machen.

Wir alle wissen, dass die Welt ein Moloch ist, da ist es doch nachvollziehbar, dass wir uns ab und zu in kleine, kuschelige, selbstgemachte Paradiesfleckchen zurückziehen wollen. Mal kurz den Kopf in den Sand stecken dürfen, muss doch wohl erlaubt sein, oder?

Die Welt ist nicht schön, die Welt ist ein Dschungel. Alle Versuche, sich die Welt schön zu gucken oder schön zu reden oder schön zu beten müssen als Fluchtversuche enttarnt werden. Die Welt ist, wie sie ist: widersprüchlich, zerrissen, mit sich selbst im Krieg. Die Welt ist kein Abstraktum, die Welt, das sind wir.

 

Vielleicht waren wir es noch nie, aber dass wir heute alles andere als eins sind, das ist offensichtlicher denn je.

 

"Alle sollen eins sein“, ein schöner Gedanke, aber nicht gerade realistisch. Vielmehr kämpft doch jeder gegen jeden. Die Menschheit zerfällt immer offensichtlicher in engstirnige Interessensgruppierungen. Man hat die eigenen Interessen und dann noch die Interessen seiner Gruppe im Blick. Jeder versucht jeden irgendwie in Schach zu halten. Den anderen klein halten verhilft zum Überleben des eigenen Standes. Darum geht es, ums eigene Überleben. Das Leben der anderen: „Was geht’s mich an“, denken viel zu viele.

 

Wie verhalte ich mich zu einer Welt, mit der ich unweigerlich mit Haut und Haar, mit Herz und Verstand verwoben bin, ohne von ihr aufgefressen zu werden und ohne andere schlucken zu müssen?

 

Jesu Testament gibt darauf eine Antwort. Er hat diese Welt ernst genommen bis in den eigenen Tod. Er hat sich in diese Welt gestellt und war ihr mit allen Sinnen zugetan. Aber er hat zwei Irrungen für sich ausgeschlossen. Gebunden hat sich Jesus einzig an Gott, niemals an den Fakten dieser Welt und zum anderen wollte er die Welt niemals beherrschen. Das unterscheidet ihn von den vielen Machthabern vor und nach ihm und das unterscheidet ihn auch von uns: Nicht er selbst ist der Weltverbesserer, der Weltenheiler, er ist es nur und ausschließlich in Gottes Namen und mit Gottes Kraft.

 

Unbewohnbar wird die Welt, weil Menschen die Welt beherrschen wollen, weil Menschen sie als ihr Besitztum ansehen. Weil wir Menschen das Leben missbrauchen als ein einziges Kräftemessen, weil wir uns immer gegenseitig etwas beweisen müssen, deshalb bricht die Welt auseinander.

 

Jesus musste sich selbst nichts beweisen und der Welt musste er auch nichts beweisen; nur seinem Vater gegenüber fühlte er sich verpflichtet und das schenkte ihm eine große Unabhängigkeit allen und allem gegenüber. Er konnte er selbst sein, weil er sich in seinem Vater gehalten wusste; er war frei, weil er sich an Gott gebunden wusste. Und deshalb konnte er ganz in der Welt sein, und zugleich frei sein von der Welt und frei sein für die Welt. "Nicht nur für diese hier, sondern für alle" bittet er. Wer es wagt, wer sich traut, zu bitten; wer sich so eingesteht, eines anderen Geistes zu bedürfen als nur des eigenen, der ist der Verwirklichung der Einheit näher als alle Herren dieser Welt.

 

 

Datum:
So. 1. Juni 2025
Von:
Christoph Simonsen

Evangelium: Joh 17,20-26

20 Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. 21 Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast. 24 Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt. 25 Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin. 

 

Ansprache:

Es gibt Leute, die gucken sich die Welt schön; sie fahren mit der Zahnradbahn die Zugspitze hoch und kommen da oben aus dem Staunen nicht heraus ob dieses wunderschönen Panoramas.

 

Es gibt andere, die reden sich die Welt schön; sie sitzen in gemütlicher Runde zusammen und bestärken einander, wie gut es ihnen doch ginge.

 

Es gibt wieder andere, die zeigen sich die Welt schön; sie posten schöne Frühlingsbilder bei Facebook und schwärmen ob der schönen Farben der Natur und der Wärme der Sonne.

 

Und wenn gar nichts mehr hilft, dann kann man sich  die Welt ja auch noch schön trinken oder schön kiffen, ja sogar schön beten kann man sich die Welt.

 

Ich wollte mir bei einem meiner meinem letzten Besuch in Berlin die Welt auch schön gucken und hab mir Karten besorgt für eine Märchenoper von Mozart in der Komischen Oper Berlin. "Die Entführung aus dem Serail". Ein böser Pascha entführt die schöne Constanze. Der Geliebte Belmondo will sie befreien, gerät aber dadurch selbst in die Gefangenschaft des furchteinflößenden Bassa Selim. Aber wie in jedem schönen Märchen gewinnt der Gute natürlich und zum Schluss entlässt der Pascha die beiden Geliebten in die Freiheit, weil er einsieht, dass er gegen eine solch tiefe Liebe wie die zwischen Constanze und Belmondo nicht ankommen kann.  Das hätte doch ein schöner Schluss einer sehr entspannten Zeit werden können. Wurde es aber nicht. Denn der böse Regisseur hat sich die Freiheit genommen und einzelne Texte sehr wörtlich genommen, die andere als weniger wichtig vernachlässigt haben; und so hat er aus dem ganzen schönen Märchen eine einzige Tragödie gemacht und herausgearbeitet, wie Macht und Gier die Liebesfähigkeit der Menschen beeinflussen, ja pervertieren kann. Dazu brachte er szenische Bilder von kriegerischen Auseinandersetzungen heutiger Tage, die so manchen braven Opernbesucher die Schamesröte ins Gesicht steigen ließ und nicht wenige verließen erbost das Theater. Das macht man ja auch nicht,  solch ein schönes Opernmärchen so zu vergewaltigen. Schließlich brauchen wir doch alle unsere kleinen Nischen, in denen wir uns die Welt schön machen.

Wir alle wissen, dass die Welt ein Moloch ist, da ist es doch nachvollziehbar, dass wir uns ab und zu in kleine, kuschelige, selbstgemachte Paradiesfleckchen zurückziehen wollen. Mal kurz den Kopf in den Sand stecken dürfen, muss doch wohl erlaubt sein, oder?

Die Welt ist nicht schön, die Welt ist ein Dschungel. Alle Versuche, sich die Welt schön zu gucken oder schön zu reden oder schön zu beten müssen als Fluchtversuche enttarnt werden. Die Welt ist, wie sie ist: widersprüchlich, zerrissen, mit sich selbst im Krieg. Die Welt ist kein Abstraktum, die Welt, das sind wir.

 

Vielleicht waren wir es noch nie, aber dass wir heute alles andere als eins sind, das ist offensichtlicher denn je.

 

"Alle sollen eins sein“, ein schöner Gedanke, aber nicht gerade realistisch. Vielmehr kämpft doch jeder gegen jeden. Die Menschheit zerfällt immer offensichtlicher in engstirnige Interessensgruppierungen. Man hat die eigenen Interessen und dann noch die Interessen seiner Gruppe im Blick. Jeder versucht jeden irgendwie in Schach zu halten. Den anderen klein halten verhilft zum Überleben des eigenen Standes. Darum geht es, ums eigene Überleben. Das Leben der anderen: „Was geht’s mich an“, denken viel zu viele.

 

Wie verhalte ich mich zu einer Welt, mit der ich unweigerlich mit Haut und Haar, mit Herz und Verstand verwoben bin, ohne von ihr aufgefressen zu werden und ohne andere schlucken zu müssen?

 

Jesu Testament gibt darauf eine Antwort. Er hat diese Welt ernst genommen bis in den eigenen Tod. Er hat sich in diese Welt gestellt und war ihr mit allen Sinnen zugetan. Aber er hat zwei Irrungen für sich ausgeschlossen. Gebunden hat sich Jesus einzig an Gott, niemals an den Fakten dieser Welt und zum anderen wollte er die Welt niemals beherrschen. Das unterscheidet ihn von den vielen Machthabern vor und nach ihm und das unterscheidet ihn auch von uns: Nicht er selbst ist der Weltverbesserer, der Weltenheiler, er ist es nur und ausschließlich in Gottes Namen und mit Gottes Kraft.

 

Unbewohnbar wird die Welt, weil Menschen die Welt beherrschen wollen, weil Menschen sie als ihr Besitztum ansehen. Weil wir Menschen das Leben missbrauchen als ein einziges Kräftemessen, weil wir uns immer gegenseitig etwas beweisen müssen, deshalb bricht die Welt auseinander.

 

Jesus musste sich selbst nichts beweisen und der Welt musste er auch nichts beweisen; nur seinem Vater gegenüber fühlte er sich verpflichtet und das schenkte ihm eine große Unabhängigkeit allen und allem gegenüber. Er konnte er selbst sein, weil er sich in seinem Vater gehalten wusste; er war frei, weil er sich an Gott gebunden wusste. Und deshalb konnte er ganz in der Welt sein, und zugleich frei sein von der Welt und frei sein für die Welt. "Nicht nur für diese hier, sondern für alle" bittet er. Wer es wagt, wer sich traut, zu bitten; wer sich so eingesteht, eines anderen Geistes zu bedürfen als nur des eigenen, der ist der Verwirklichung der Einheit näher als alle Herren dieser Welt.