Ansprache zum 6. Sonntag der Osterzeit 2025:
Das war schon ein ziemliches Gewusel am Montagvormittag in der Citykirche. Eine Schulklasse war zu Besuch; die Philosophie und Religionslehrer zweier Klassen wollten Ihnen einmal eine Kirche zeigen. Für viele war es der erste Besuch in einem christlichen Gotteshaus. Die Schüler*innen war vielleicht 11/12 Jahre alt. Trotzig rief einer der Schüler laut in den Raum hinein: „Ich mag keine Kirchen“. Rumms! Das war schon mal eine klare Ansage.
Ich glaube, er war nicht der einzige, der mit dieser Einstellung gekommen ist. Aber er war der einzige, der es laut sagte; die anderen erzählten lustig miteinander oder daddelten auf ihrem Handy herum.
Sollte ich mich jetzt echauffieren und die beleidigte Leberwurst spielen ob dieses offensichtlichen Desinteresses? Sollte ich meine Autorität nutzen und zur Ordnung aufrufen. In Ermangelung pädagogischer Raffinesse hab ich versucht, in den Dialog mit den Kindern zu gehen, hab sie gefragt, ob sie was wissen wollten, aber das hat auch nicht viel gebracht. Ich hab dann was erzählt darüber, was wir alles in der Citykirche machen in der Hoffnung, dass dann vielleicht doch etwas hängen bleibt. Man weiß ja nie. Unerwartet plötzlich war dann nach 20 Minuten alles schon wieder vorbei; einer der Lehrer stand auf und rief zum Rückweg auf, um pünktlich zur nächsten Stunde wieder in der Schule zu sein.
So weit, so gut. Aber dieser Satz des Jungen ging mir schon nach: „Ich mag keine Kirchen.“ Warum er wohl keine Kirchen mag, hab ich mich gefragt. Vielleicht weil er schlicht keine Kirchen kennt. Und was man nicht kennt, kann man auch nicht wirklich mögen. Vielleicht auch, weil er das kirchliche Leben einmal kennengelernt hat und nichts für sich gefunden hat, was ihn hätte interessieren können. Kein Wunder, dass er dann keine Kirchen mag.
Je länger ich über diese Begegnung nachgedacht habe, um so klarer formierte sich eine andere Frage in meinem Kopf: Warum mag ich eigentlich Kirchen? Warum ist mir der Bau einer Kirche wichtig? Warum kann ich mir eine Stadt oder einen Ort ohne Kirche kaum vorstellen? Warum kämpfen Menschen so um den Erhalt ihrer Kirche, wenn ihr Erhalt in Frage gestellt wird, wenn sie profanisiert oder sogar abgerissen werden soll, Stichwort Tagebau?‘
Für mich gehören Kirchengebäude wie selbstverständlich zu einem Stadtbild dazu. Wenn ich eine Stadt besuche, dann schaue ich immer, ob die Kirche offen ist. Leider sind sie meistens verschlossen.
Kirchenräume wecken in mir Emotionen und ich bin immer neugierig, wie eine Kirche gestaltet ist, welche Botschaft sich mir in ihr vermittelt, welcher Geist in ihr lebendig ist.
Wenn junge Menschen diese Neugierde nicht mehr haben, wenn Kirchengebäude für sie kein Interesse mehr wecken, außer höchstens später noch ein ästhetisches oder kunsthistorisches, dann liegt doch die Vermutung nahe, dass sie keine Erwartungen hegen, in diesem Raum etwas zu finden, was ihr Leben reicher macht.
Deshalb scheint mir, wir müssen in unserer Kirche die Prioritäten überdenken, wenn uns junge Menschen, wie immer zu hören ist, wichtig sind.
Wir ereifern uns, Kirchengebäude zu erhalten und protestieren, wenn Überlegungen angestellt werden, sie zu schließen. Wenn dann mal junge Menschen Interesse bekunden an einer Kirche und dieses Interesse nicht konform geht mit den unseren, dann ist sofort Holland in Not; die Ehrerbietung, dem Kirchenraum gegenüber wiegt mehr als die Neugierde der Jugendlichen, die für sich einen ganz anderen Zugang zu diesem Raum suchen. Dann höre ich oft Geschimpfe gegenüber den jungen Menschen, die sich nicht zu benehmen wissen. Von Werteverlust wird dann gesprochen und von einer Welt ohne Glaube.
Dieser Junge, den ich Anfangs erwähnte, was wäre, wenn er nach dem kurzen Besuche am vergangenen Montag mit der Erfahrung nach Hause gegangen ist, dass eine Kirche ja doch auch ein Wohlfühlort für ihn sein könne. Denn Kirchen sollen Orte des Wohlgefühls sein, Orte, in denen Menschen sich so angenommen fühlen können, wie sie sind; in denen sie sich und anderen und vor allem Gott nicht etwas vormachen müssen, was sie nicht sind. Vor der Ehrlichkeit, der so ungeschönt seine Meinung sagte, habe ich Respekt. Er hat zumindest ausgesprochen, was die meisten anderen nur gedacht haben.
In ihrer wie in meiner Generation ist uns noch vermittelt worden, dass eine Kirche die Wohnstatt Gottes ist; Kirche ist für uns ein heiliger Ort, wo Mensch und Gott begegnen. Und ich bin auch bis heute davon überzeugt, dass es solche Orte geben muss.
Aber vielleicht sind es für die Menschen der jüngeren Generation ganz andere Orte, die uns ebenso fremd sind, wie den Kids das Kirchengebäude fremd ist. „Die Herrlichkeit Gottes“, wie wir in der Lesung gehört haben, ist nicht an Orte und Gebäude gebunden, wohl aber an Menschen. Hieß es doch: „Einen Tempel sah ich nicht mehr“. Im 1. Korintherbrief spricht Paulus davon, dass wir Menschen der Tempel Gottes sind. Jeder Ort kann ein Kirchort sein, wenn dort Menschen sind, die mit ihrer persönlichen Strahlkraft anderen helfen, auch strahlen zu können. Wir selbst sind doch der eigentliche Kirchort, in dem Gott lebendig gegenwärtig ist.
Ich könnte mir Mönchengladbach ohne das Münster nicht vorstellen, auch nicht ohne die Citykirche und die vielen anderen Kirchen, die zu unserer Stadt dazugehören wie das Borussenstadion oder der alte Wasserturm an der Viersener Straße oder die Altstadt mit dem Markt und der Waldhausener Straße. Wichtiger als alle Kirchen zusammen aber sind die Menschen, die – um das Bild des Johannes wieder aufzugreifen, die leuchten für eine Überzeugung, die Gott in sie hineingelegt hat. Dann muss uns die Aussage des Jungen, der keine Kirchen mag, nicht allzu sehr erschrecken, denn wichtiger, als Kirchengebäude zu mögen ist es, die Menschen zu mögen. Und wie man das Interesse und die Zuneigung von Menschen zu gewinnen vermag, das sagt uns Jesus heute im Evangelium: Durch ein unvoreingenommenes Vertrauen, auch und gerade denen gegenüber, die Kirchen nicht mögen.