Ansprache von Christoph Simonsen zum 20. Sonntag im Jahreskreis C

20. Sonntag im Jahreskreis C - 2019

Datum:
So. 18. Aug. 2019
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium Lk 12,49-53

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.

 

Ansprache

Es brennt doch schon überall, wozu braucht es da noch der Unterstützung Jesu, der Feuer auf die Erde werfen möchte? Gibt es eigentlich ein Fleckchen Erde, wo gerade nicht der Teufel los ist? 

Wahnsinnige, die in den Staaten wild um sich schießen und von der krankhaften Überzeugung besessen sind, ein rein weißes, makelloses Land vor Farbigen schützen zu müssen.

 

Katholische Bischöfe in Polen, die das tief traurige Gedenken an den Warschauer Aufstand missbrauchen, um ihre krankhaften Überzeugungen platzieren zu können, sie müssten die Welt retten vor den Homosexuellen. Sie besitzen die Dreistigkeit, die Leiden und die Mühsal der Opfer der Nazizeit wie auch des Kommunismus gleich zu setzen mit dem Opfer, das sie heute erleiden müssten angesichts der Tatsache, dass queere Menschen um Gleichheit und Anerkennung ringen. 

 

 

 

Egozentrische und selbstverliebte Politiker, die – wie der Präsident Brasiliens – das Gleichgewicht der Schöpfung in Gefahr bringen um des eigenen billigen Profits willen, indem sie den Urwald abholzen auf Teufel komm raus, nur um die Wirtschaft noch besser ankurbeln zu können. 

Vor nichts und niemand Achtung zeigende Bundestags- und Landtagsabgeordnete in Deutschland, die das Erbe großer Menschen mit Schmutz besudeln, indem sie deren wohlmeinenden Worte und Gedanken in ihrem egoistischen Sinn missbrauchen und Wahlplakate aufhängen, die einladen, „Mehr Freiheit zu wagen“, aber genau das Gegenteil beabsichtigen, nämlich die Freiheit zu beschränken.

 

Ich schäme mich angesichts einer weltweit um sich greifenden Überzeugung, man selbst könne nur angemessen leben, wenn man andere unschädlich macht. 

Das ist die große Gefahr, der wir uns entgegenstellen müssen als Christinnen und Christen: zu glauben, die schmerzhaften Grenzen, die das Leben uns stellt, dadurch überwinden zu können, dass wir die eigenen Idealvorstellungen absolut setzen und alles, was denen im Weg steht, einfach ausradieren. Das Leben ist doch schon schwer genug, warum machen wir es uns alle gegenseitig noch schwerer, indem wir so oft einander das Lebensrecht aberkennen? 

 

Unser christlicher Glaube hat darauf eine plausible Erklärung: wir alle – mehr oder weniger bewusst – wissen seit Adam und Eva, seit es Menschen gibt und diese Erde überhaupt, dass wir nicht im Paradies leben, dass uns das Paradies verschlossen ist, warum auch immer. Seitdem hält sich standhaft der Glaube, dass wir die Trauer über den Verlust paradiesischer Verhältnisse dadurch bekämpfen könnten, indem wir uns Ersatzformen schaffen und so tun, als könnten wir uns ein Paradies basteln. Als könnten wir Menschen machen, was Gott uns verwehrt!

 

Eine Ersatzform ist zum Beispiel die trügerische Meinung, eine Beziehung oder eine Gemeinschaft wie der Kirche etwa. Wir bauen uns ein hübsches Nest und meinten, wir leben im Paradies auf Erden. Aber so ein Nest ist eben räumlich und ideell begrenzt. Und deshalb muss eben alles rausgeschmissen werden, was nicht in das eigene Nest hineinpasst. 

 

Der Psychoanalytiker Tilmann Moser nennt das „Gottesvergiftung“. Wir vergiften Gott, indem wir glauben, wir könnten uns paradiesische Verhältnisse auf der Erde verschaffen. 

 

Es gehört unabdingbar zum Leben auf der Erde, dass sich Menschen gegenüberstehen, einander fremd sind, einander nicht verstehen. Zum Leben auf Erden gehört, dass Menschen um den rechten Weg ringen, Meinungen und Überzeugungen quer zueinander liegen. Zum Leben gehört auch, dass Menschen feindlich gesinnt sind gegeneinander. Zum Leben gehört Spaltung und Zerrissenheit. Ein Leben in Harmonie und Eintracht ist dem Paradies vorbehalten, und das ist uns verwehrt; jetzt und hier und heute zumindest.  Mit diesem Faktum müssen wir leben. 

 

 

Ansonsten müssten wir uns dem Vorwurf stellen, so zu handeln, wie die Menschen damals Jeremia gegenüber gehandelt haben. Sie erinnern sich: Eine anonyme Masse von Menschen hat ihn in die Zisterne geworfen. Er trug nämlich eine Überzeugung in sich, die anderen im Weg stand: Auf Gewalt lässt sich kein gutes, heiles Leben aufbauen. Er lähmte „mit seinen Reden die Hände der Krieger“. Anders formuliert: Jeremia konfrontierte die Menschen mit der Überzeugung, es muss andere Formen des Streitens und Ringens geben als den Krieg. Die Anerkenntnis der Verschiedenheit menschlicher Lebenswege und Wertevorstellungen darf nicht dazu führen, einander zu bekämpfen. 

 

Wie könnte eine Alternative aussehen? Man könnte sich darin einüben, die anderen zu ertragen oder sogar mitzutragen oder, was wohl Zeichen größter Reife ist, sogar selbst daran reifen und wachsen am Anderssein des anderen. Was alle – Feind und Freund  - miteinander verbindet ist der Hunger nach Brot, nach Leben. „Nimm dir von hier drei Männer mit, und zieh den Propheten Jeremia aus der Zisterne herauf,  bevor er stirbt“, ordnet der König an. 

 

Das könnte eine Lösung sein, mit der Tatsache heilsam umzugehen, nicht im Paradies zu leben, wo alles eitel Sonnenschein ist: Dem anderen, dem Feind ein Lebensrecht einzuräumen. Ihm Brot zu geben. Auch wenn es keinen ewigen Frieden auf Erden geben kann, so ist doch ein Respekt vor dem Anderen und vor dem Anderssein möglich. Das könnte eine herausfordernde neue Aufgabe sein in unserer Kirche, in unserer Gesellschaft, in der Welt: wahrzunehmen, dass der Andersartige, ja vielleicht sogar der Feind, nicht minder Hunger hat zu leben wie wir selbst auch. Den anderen, den Fremden brauchen wir nicht zu fürchten, sagt Jesus. „Fürchtet euch vor dem, der nicht nur töten kann, sondern die Macht hat, euch auch noch in die Hölle zu werfen.“. Hölle ist, wenn selbst der Traum vom Paradies gänzlich erloschen ist.

 

Christoph Simonsen