Nächstenliebe, handgestrickt

Projekt 'Stricken gegen die Kälte' unterstützt Flüchtlinge mit Wollsachen und tatkräftiger Solidarität

Strickcafé (c) Andrea Thomas
Datum:
Di. 7. Nov. 2017
Von:
Andrea Thomas
Um Menschen ein wenig Wärme zu schenken, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, braucht es nicht viel: Ein Knäuel Wolle und zwei Stricknadeln genügen. Das beweist die Aktion „Stricken gegen die Kälte“ der Save-me-Kampagne in Aachen auf vielfältige Weise.
Roma-Dorf (c) Vera Schneider

Zu erleben war das auch beim sechsten Wollsammeltag der von Amnesty International (AI) und dem Katholikenrat Aachen getragenen Kampagne in der Aachener Citykirche. Wie schon bei den Sammeltagen zuvor, hatten viele Aachener ihre Hand-arbeitskörbe und Wollvorräte aussortiert. Etliche Kilo Wolle fanden so eine neue Bestimmung. „Das ist toll, wie viel da jedes Mal zusammenkommt", freut sich Ingeborg Heck-Böckler von AI. Und nicht nur da, sie bekomme inzwischen Wolle und Stricksachen aus ganz Deutschland. Dem Internet sei Dank.

Stricken verbindet über Nationalitäten

Aus den Spenden werden Socken, Mützen, Schals, Decken und Kinderpullis gestrickt für die Menschen, denen es am Nötigsten fehlt und die etwas Wärme gut gebrauchen können: Flüchtlinge, die alles zurückgelassen und in Flüchtlingslagern gestrandet sind, wo sie unter schwierigen und oft primitiven Bedingungen leben, aber auch Menschen, die in ihren Heimatländern am Rande der Gesellschaft und ebenfalls in bitterer Armut leben.

Gestrickt wird überwiegend im über die Kampagne entstandenen Strickcafé. Jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr trifft sich im Welthaus an der Schanz eine Gruppe von gut 15 Frauen verschiedener Herkunft, um gemeinsam die Nadeln klappern zu lassen. Viele von ihnen haben selbst Fluchterfahrung und freuen sich, so etwas für andere tun zu können. Und auch füreinander: Über Zopf- und Perlmuster entstehen Kontakte, finden die einen Heimat, die anderen eine Aufgabe, die gegen das Alleinsein hilft, und alle etwas Herzenswärme.
Die fertigen Strickwaren – rund 80 Kilo pro Aktion, die jeweils über ein halbes Jahr geht – gingen in den letzten Jahren unter anderem in den Nordirak, den Libanon, an afghanische Flüchtlinge im Iran und Roma in Bulgarien. Die Verteilung erfolgt über Kontakte vor Ort, um sicherzustellen, dass die Spenden auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden, wie Ingeborg Heck-Böckler erläutert.

Für Flüchtlinge in der Türkei

Hannelore Bauer, eine Strickerin der ersten Stunde, war im Herbst mit Vera Schneider und ihrem Verein „Mehr Zukunft" in Bulgarien, wo sie seit einigen Jahren unter anderem Roma-Dörfer, Kindergärten und Altenheime unterstützen. „Ich war viel im Ausland und habe dort viel Elend gesehen", berichtet Hannelore Bauer, „aber die Situation der Kinder und der alten Menschen in den Heimen hat mich doch sehr berührt."

Im kommenden Halbjahr wird für Flüchtlinge in der Türkei gestrickt „Das Land hat weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen, die dringend Unterstützung brauchen", sagt Heck-Böckler. Das sei eine Seite, die andere seien die politischen Bedingungen im Land, auf die AI als Menschenrechtsorganisation ebenfalls über die Aktion aufmerksam machen will. Auch Solidarität wärmt.

Hannelore Bauer in Bulgarien (c) Vera Schneider