28 Jahre ist Adolfo Alvarez Blanco alt. Und doch hat der junge Mexikaner in seinem Leben schon viele Aufbrüche erlebt. Vor fast zehn Jahren kam er über das Freshman-Programm der FH Aachen aus Mexiko nach Deutschland. Bis dahin hatte Adolfo Alvarez Blanco morgens ein Musikkonservatorium und abends eine technische Schule in Querétaro besucht.
Dort wurde er angefragt, ob er nicht im Rahmen der Partnerschaft der Schule mit der FH Aachen als Übersetzer aushelfen könnte. „Und wirklich: Ich bekam direkt von der Fachhochschule das Angebot, nach Deutschland zu kommen: ‚Sie scheinen begeistert zu sein von Wissenschaft und Technik, Sie können gut Englisch, nehmen Sie am Freshman-Programm teil‘, motivierten sie mich“.
Daraufhin nahm Adolfo am Trainingsprogramm seiner Schule teil, bearbeitete technische Aufgaben und setzte sich auch damit auseinander, was es heißt, im Ausland ohne die Unterstützung von Familie oder Freunden zu leben. Nach einem Jahr bestand er schließlich die Prüfung und wurde als einer von zwei Studenten ausgewählt, am Auslandsprogramm teilzunehmen. „Danach begann aber erst die schwierigste Phase des Ganzen, weil das Studienkolleg in Geilenkirchen nicht wie Fachhochschulen kostenfrei war und ich es selbst bezahlen musste“, erinnert sich Adolfo Alvarez Blanco. Anfangs erhielt er finanzielle Unterstützung aus Mexiko. Doch nach dem Abschluss des Studienkollegs und einem ersten Studienjahr konnte er seinen Plan, Physik zu studieren, mangels finanzieller Mittel zunächst nicht weiterverfolgen.
So flog er zurück in seine Heimat, arbeitet dort und kam nach einem weiteren Jahr wieder nach Jülich zurück. „Ich habe mit dem Studium weitergemacht, aber mir war auch klar: Ich bin jetzt hier in Deutschland und kann viele tolle neue Sachen entdecken wie Theater und Konzerte. In Mexiko auf dem Konservatorium hatte ich ja Violoncello gelernt. Musik war immer Teil meines Lebens. Und es ergaben sich viele Gelegenheiten, mit anderen Menschen Musik zu machen.“ So kam er auch zu den Band „Fluegge“, mit der er seit 2018 Konzerte im gesamten Ruhrgebiet spielt.
„Aber man kann nicht alles machen. Durch die Musik war mein Fokus für das Studium nicht mehr da. Ich hatte zwar alle Praktika und habe auch noch Prüfungen geschrieben, aber die Musik hat mich so motiviert, und die Band hat sich über die Jahre so gut entwickelt, dass das zeitlich irgendwann nicht mehr gepasst hat“, berichtet der Musiker.
Den Kontakt zur Katholisch Studierenden Gemeinde (KSG) in Jülich fand Adolfo Alvarez Blanco auch über die Musik. Denn der damalige Leiter suchte einen Gitarrenlehrer. Adolfo bewarb sich und ist seitdem ist er fester Bestandteil der KSG. „Ich war erst ein wenig unsicher, weil ich die Sprache noch nicht so gut konnte, aber dann dachte ich mir: Du kennst die „Fachsprache“ der Gitarre, das andere wird sich ergeben“, erinnert sich der Musiker.
Zusätzlich nahm er noch einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft im IT-Bereich der FH an und lernte eine andere Seite der Hochschule kennen. „Ich kannte jeden Raum, alle Labore und die ganze Infrastruktur. Aber eben nicht als Student. Das war ein komisches Gefühl“, berichtet Adolfo Alvarez Blanco. Die Physik trat immer mehr in den Hintergrund, das Studium zog sich in die Länge, eine Beziehung scheiterte und Corona tat sein Übriges. „Das war eine harte Zeit für mich in allen Bereichen“, erinnert sich der Musiker.
2023 kam dann schließlich die Nachricht, dass die begrenzte Studienzeit für ausländische Studierende in seinem Fall erschöpft sei. Adolfo musste sich entscheiden, ob er zurück nach Mexiko gehen oder eine andere Beschäftigung finden wollte. „Wenn man an dieser Stelle steht, dann sieht man keinen Weg nach vorne. Aber als ich der Teamleiterin vom IT-Support meine Situation erklärte, hat sie mir eine Ausbildungsstelle ermöglicht.“ Mittlerweile absolviert Adolfo Alvarez Blanco eine IT-Ausbildung in Aachen. „Ich besuche auch die Berufsschule“, schmunzelt er. „Und es fühlt sich für mich jetzt viel besser an.“
„Im Nachhinein kann ich sehen, wie ich mich entwickelt habe und wie ich Klarheit in viele Dinge bekommen habe. Aber ich muss zugeben, die Gefahr aufzugeben und eventuell nach Mexiko zurückkehren zu müssen, hat mich schon sehr belastet.“ Aber: Er ist nicht gegangen, sondern hat die Herausforderung angenommen. Wenn auch anders, als ursprünglich gedacht. Durchgetragen durch diese Zeit hat ihn eine stete Hoffnung und seine großartige Liebe zur Musik.