Ein Ort mit dunkler Vergangenheit wird zum Zentrum politischer Bildung – Geschäftsführer Thomas Kreyes über Geschichte, Gegenwart und Zukunft.
Einst Ausbildungsstätte für den Parteinachwuchs der Nationalsozialisten, heute ein Ort der Aufklärung, Demokratiebildung und Erinnerungskultur: Vogelsang IP in der Eifel steht exemplarisch für den Wandel vom Täterort zum Lernort. Geschäftsführer Thomas Kreyes erklärt, warum die Auseinandersetzung mit der Geschichte gerade heute wichtiger denn je ist – und wie dieser geschichtsträchtige Ort junge Menschen für demokratische Werte sensibilisiert.
„Vogelsang ist nicht nur die zweitgrößte bauliche Hinterlassenschaft des NS-Staates, sondern auch ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung“, erklärt Thomas Kreyes. Ursprünglich als „Ordensburg“ zur ideologischen Schulung von NSDAP-Nachwuchs errichtet, wurden hier rund 2.500 sogenannte Ordensjunker rassistisch und antisemitisch indoktriniert. Nach dem Krieg diente das Gelände über fünf Jahrzehnte als Truppenübungsplatz, zuletzt unter belgischer Verwaltung.
Nach dem Abzug der Belgier Anfang der 2000er-Jahre stand die Frage im Raum: Verfallen lassen oder mit Verantwortung gestalten? Die Entscheidung fiel zugunsten eines Bildungs- und Erinnerungsortes – mit Unterstützung von Land, Bund und EU. Heute ist Vogelsang IP ein gefragter außerschulischer Lernort mit über 70.000 Teilnehmenden pro Jahr – darunter mehr als 500 Schulklassen.
Das Ziel der Bildungsarbeit sei klar, so Kreyes: „Die Mechanismen des NS-Staates begreifbar machen, um junge Menschen zu befähigen, demokratisch zu denken und zu handeln.“ Dabei setzt Vogelsang IP auf intensive Bildungsformate, Projekttage und interaktive Ausstellungen. „Wenn es gelingt, historische Zusammenhänge auf die Gegenwart zu übertragen, ist das ein sehr erfolgreicher Tag.“
Zentral für das pädagogische Konzept ist der sogenannte „Internationale Platz“, der symbolisch für Toleranz, Respekt und europäisches Miteinander steht – gerade angesichts der Nähe zu Belgien und den Niederlanden. „Vogelsang ist heute ein Ort der Demokratiebildung – als bewusster Kontrast zur NS-Ideologie“, sagt Kreyes.
Angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen sieht Kreyes seine Einrichtung besonders gefordert: „Der Rechtsruck beschäftigt uns sehr. Unsere Antwort ist Aufklärung – unaufgeregt, aber konsequent.“ Ziel sei es, durch historische Bildung eigene Meinungsbildung und Zivilcourage zu fördern.
Neben dem laufenden Betrieb stehen weitere Projekte an. So soll die große belgische Kaserne Van Dooren zu einem erweiterten Ausstellungszentrum umgebaut werden – mit Fokus auf die Gesamtgeschichte des 20. Jahrhunderts, inklusive deutscher Demokratiegeschichte. Auch Digitalisierung spielt eine zunehmend große Rolle: Vogelsang soll digital erlebbar werden.
Kreyes kennt auch die Kritik an zu viel „Vergangenheitsbewältigung“. Seine Antwort: „Drei Generationen später geht es nicht mehr um Schuld, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen – für das, was war, und das, was kommt.“
Was sollen die Besucherinnen und Besucher mitnehmen? „Dass Ausgrenzung, Rassismus und Intoleranz nie wieder salonfähig werden dürfen – und dass jeder Mensch einen individuellen Wert hat, der es verdient, geschützt zu werden.“