3 Fragen an Diakon Michael Gerards

„Da bekommt etwas eine Wichtigkeit, die irgendwie verschüttet ist.“

Diakon Gerards Bild Uwe Rieder (c) Uwe Rieder
Diakon Gerards Bild Uwe Rieder
Datum:
Do. 20. Okt. 2022
Von:
Stabsstelle Kommunikation

Michael Gerards ist unter anderem Diakon an St. Martin in Krefeld. Der "Südbezirk" – mit einem hohen Anteil an bedürftigen Menschen – zählt seit Jahrzehnten zu den sozialen Brennpunkten der Stadt. Somit ist unter dem Leitmotiv „Gottes Liebe leben“ seit Gründung der Gemeinde bis heute die Caritas- und Sozialarbeit ein pastoraler Schwerpunkt.

Welche Projekte machen die caritative Arbeit in St. Martin aus?

Das Flaggschiff unserer caritativen Arbeit ist die Weihnachtsfeier mit Bedürftigen am Heiligen Abend. Vor ungefähr 50 Jahren haben einige Jugendliche mit einem Kaplan diese Tradition begründet. Die Feier ist bis heute ein fester Bestandteil der Caritasarbeit und hat mit unzähligen Beteiligten eine Resonanz in der ganzen Stadt. Um 15 Uhr geht es mit Kaffee und Kuchen los und endet mit einem kleinen Abendessen. Zwischendurch spielt der Krefelder Sänger Charly Nießen Gitarre und ich lese das Evangelium vor. Es ist eine der spannendsten Veranstaltungen, die ich in meinem Leben als Hauptamtler im kirchlichen Dienst erlebt habe. Man sieht den Teilnehmenden an, dass sie sich für diesen Abend schick machen und das Beste herausholen, was sie haben. Da bekommt Weihnachten eine völlig andere Bedeutung. Die „Stille Nacht“- Version dieses Abends kommt besonders von Herzen. Das bewegt und motiviert alle Helfer, diese Art der Verkündigung des Evangeliums zu leben. Die Organisation liegt immer noch in den Händen der Jugendarbeit, genau genommen bei der Heimleitung des Jugendfreizeitheimes Canapee. Die Aktion wird durch zahlreiche ehrenamtlich Engagierte, aber auch durch Spenden von Einrichtungen und Bürgern außerhalb der Gemeinde unterstützt.

Darüber hinaus gibt es zweimal im Monat den Donnerstagstreff in der Martinskirche, bei dem wir zur Zeit coronabedingt Lebensmittelgutscheine an rund 70 Familien und Einzelpersonen ausgeben. Da kann man sich wenigstens einmal kurz sehen. Zudem sind wir in der Planung, mit diesem Anlaufpunkt wieder das gemeinsame Essen und Klönen zu verbinden. Denn ein offenes Ohr für die Besucher ist wichtig und unsere Ehrenamtlichen haben ein Gespür für die Menschen und ihre Hintergründe. Die Caritasarbeit in St. Martin und darüber hinaus in der Pfarre Maria Frieden ist vielschichtig, oft abenteuerlich. Wie zum Beispiel die Wallfahrt nach Kevelaer, an der zahlreiche Bedürftige teilnehmen. Da bekommt etwas eine Wichtigkeit, die irgendwie verschüttet ist.

Wo findet mit wem Vernetzung statt?

Über den Sachausschuss Caritas in der Pfarre ist eine gute Vernetzung der Angebote gewährleistet. Auch wir Krefelder Diakone tauschen uns regelmäßig aus und sind mit weiteren Hauptamtlichen Kollegen im Gespräch. Darüber hinaus gibt es gute Beziehungen zur Stadt, zur Evangelischen Kirche und eine Kooperation mit der Krefelder Tafel bei der Lebensmittelausgabe in der Bonifatiuskirche. Wir machen uns Gedanken darüber, wie die Caritasarbeit in Krefeld zukünftig aussehen kann. Stichworte sind caritative Zentren, die Idee einer Caritas-Kirche, Gewinnung von Ehrenamtlichen und Professionalisierung etc.

Hat sich die Arbeit durch Inflation, Ukrainekrieg und Energiekrise verändert?

Es gibt zwar beim Donnerstagstreff und bei der Tafel mehr geflüchtete Menschen aus der Ukraine; ansonsten spüren wir das noch nicht. In den Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen ist die veränderte Lage allerdings ein Thema. Wir sind uns bewusst, dass viele Bedürftige auf uns zukommen werden, wenn sie nächstes Jahr ihre Energiekosten bezahlen müssen bzw. dies nicht mehr können. Dann werden auch Menschen mit niedrigen Gehältern und Rentnerinnen und Rentner bei uns anklopfen. Die Not in Krefeld ist groß und wird noch größer. Die Solidarität der Krefelder aber auch.