Ansprache zum 5. Fastensonntag 2025

Datum:
So. 6. Apr. 2025
Von:
Christoph Simonsen

Ansprache zum 5. Fastensonntag im Lesejahr C-2025:

 

Ich hätte ja gern das Gesicht von Jesus gesehen, als ihn die Neunmalklugen mal wieder provozieren wollten. „Boah ey“, hat er im ersten Moment vielleicht still gedacht, „ihr kapiert es immer noch nicht“. Ich könnte mir denken, dass er ziemlich gelangweilt, vielleicht auch genervt war angesichts der Tatsache, dass diese superfrommen Menschen immer noch nicht verstanden habe, um was es geht. Dass Glaube sich nicht in erster Linie darin verwirklicht, dass bestimmte Gesetze eingehalten werden, sondern darin, dass in allem, was wir Menschen tun, Wahrhaftigkeit und Herzenswärme ausschlaggebend sind – und zwar in genau dieser Verbindung miteinander. Wer bemüht ist, seinen Glauben ins Leben zu integrieren, der handelt nicht nach bestimmten Systemen, sondern aus der Situation heraus.

 

„Siehe, nun mache ich etwas Neues“, so spricht Gott durch den Mund des Propheten Jesaja. Worin besteht das Neue? Jesus konkretisiert die prophetische Ansage: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“. Darin bekundet er eine neue Gleichwertigkeit aller Menschen. Die Menschen sind in gleicher Weise gläubig wie auch unvollkommen. Das stellt sie alle auf eine Stufe. Nicht Macht übereinander, sondern Wohlwollen füreinander sollte ihr Miteinander auszeichnen.

 

Systeme sind darauf aus, sich selbst zu erhalten. Dem wollte Jesus entgegenwirken. Das ist das fundamental Neue. Systeme, die mehr sich selbst im Blick haben als die Menschen, lassen sich nicht reformieren, denn jede Reform würde die Mächtigen entmachten und wer sägt schon freiwillig am eigenen Thron?

 

Jesus bückt sich und schreibt in den Sand. Und was er schreibt, das wird der nächste Windzug wieder verwehen. Was geschrieben ist, ist vergänglich. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Schriftgelehrten und all die Frommen diese symbolische Handlung sehr wohl verstanden haben. Hätten sie sich doch erinnern können an die Worte Kohelets, dass alles Windhauch sei. Um Jesus herum war dann betretenes Schweigen. Stille! Einer nach dem anderen ging leise fort.

 

Jesu unverhoffte Geste des sich Abwendens vom Geschehen, hat alle so verunsichert, dass eine absolute Stille Einkehr hielt. Da wo Stille ist, da kann auch eine heilsame Verunsicherung geschehen. Dieser Augenblick der absoluten Stille hat das System "Glaube" aus den Angeln gehoben.

 

Systeme sind geprägt durch ein oben und ein unten, Systeme ordnen ein, systematisieren,  deswegen müssen sie überwunden werden, erst dann kann der Mensch frei werden, auf sich selbst zu schauen. Die Alternative zu einem hierarchischen System ist nicht die Anarchie, das Gegenteil eines solchen Systems ist  für den, der glaubt, communio, Gemeinschaft, das, was wir in jedem Gottesdienst feiern.