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17. Sonntag im Jahreskreis A // zur ersten Lesung

Datum:
Di. 25. Juli 2023
Von:
Annette Jantzen

Gottesträumer*innen

In Gibeon erschien die Ewige Salomo in der Nacht im Traum und sagte: »Bitte um etwas, was ich dir geben soll!« Da sagte Salomo: »Du hast deinen Untergebenen an der Stelle meines Vaters Davids als König eingesetzt, doch ich bin unerfahren und weiß nicht ein noch aus....

(Erstes Buch der Könige, Kapitel 3, Verse 5 fortfolgende)

Ein Gespräch im Traum: Weil der König um ein weises Herz bittet, erfüllt Gott diese Bitte, damit er für das Volk Israel ein gerechter König sein kann. Natürlich ist das auch zeitgenössische Herrschaftslegitimation, und es ist Vorsicht geboten, ob in dieser Erzählung nicht eventuell die intime Sprache der Träume für sehr handfeste Machtinteressen benutzt wurde. Salomo war nicht nur der gute König, sondern er sorgte auch für einen strikt durchgegliederten Staat, erhöhte die Steuerlast und verwendete das eingenommene Geld zu umfangreichen Bauprojekten, mit denen er sich verewigen wollte. Er war auch treibende Kraft - oder: er verhalf entsprechenden Interessenten bei der Durchsetzung ihrer Anliegen - bei den Zentralisation des Opferkultes, der nicht mehr verteilt im Land, sondern nur noch in Jerusalem gepflegt werden sollte, eine Entwicklung, die - zumindest in ihrer biblischen Darstellung, die später entstanden ist - eingewoben ist in die Entwicklung des Monotheismus, mit der Bild und Name der Gottheit verschwinden und eingehen in ein Schweigen vom Je-Größeren.  

Salomo ist also eine zwiespältige Gestalt, so wie wir Menschen es eben sind, und die Auswirkungen dessen sind umso größer, je mehr Macht eine*r ausüben kann. Und doch, bei aller Zwiespältigkeit: Salomo ist in dieser Erzählung, als diese Erzählgestalt ein Träumender. Dass die Stimme Gottes im Traum zu hören ist, ist im Alten Orient ein bekanntes Motiv, und es verweist auf etwas, das unserer Gottesrede eher fremd ist: Gibt es etwas subjektiveres, weniger von anderen nachvollziehbareres als einen Traum? Niemand kann ihn mitträumen, im Aufwachen verschwindet fast alles, aber es bleibt die Gewissheit, geträumt zu haben, und Bilder, in denen sich das eigene Seelenleben mit Ahnungen vermischt, die uns im Wachen nicht zugänglich sind. Und dieses höchst subjektive Geschehen legitimiert hier eine ganze Regierungszeit.

Wenn wir das heute noch glauben würden: dass Gott in der Sprache unserer Träume zu finden sein kann, dass Träume die Welt verändern können, dass jede*r ein*e Gottesträumer*in sein kann - wie sähe unsere Welt, unsere Gesellschaft, unsere Kirche dann aus? Wenn wir nicht nur das träumen würden, was einer bürokratischen Gottesverwaltung entspricht? Wenn Träume Kräfte freisetzen würden, die von "das geht aber nicht" nicht aufzuhalten wären und die das Göttliche nicht in vermeintlich unfehlbaren Lehren suchen würden, sondern in der Erfahrung von Verbundenheit und Genug-für-Alle? Was wäre, wenn die Gewissheit der Träume das Beharren auf Richtigkeit der Lehre ablösen würde? Von welcher Gottesahnung würden wir dann erzählen? Welche Worte, welche Bilder könnten dem Träumen standhalten? 

Ich mag den Gedanken, die Ahnung, dass sich in der Sprache der Träume Wesentliches zeigen kann, und dass die Ewige mir so nah sein kann, dass sie meine Träume mitträumt. Ich wünsche unserer Welt, unserer Gesellschaft, unserer Kirche Gottesträumer*innen. Deren Träume sind dann zwar nicht unfehlbar, aber innig, wichtig und wesentlich.

 

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