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Gotteslob

Liedportraits zu Liedern aus dem Gotteslob

In dieser neuen Rubrik wollen wir Ihnen Lieder aus dem Gotteslob näher bringen und gemeinsam deren musikalischen, textlichen und spirituellen Ursprung erkunden.

Neue Liedportraits finden Sie immer oben auf der Seite. Ältere Vorstellungen sind unten in der Liste einsortiert.

Vision und Vollendung – Christus, unser Friede

Der Monat November mit seinen Gedenktagen lädt zum Nachdenken und Verharren ein. Das Ende des Kirchenjahres richtet unseren Blick auf die Begrenztheit des eigenen Lebens, aber auch auf das Ende der Schöpfung. Zugleich kündigt der Advent einen neuen Anfang an – mit der Hoffnung auf Gottes Zukunft. In dieser Spannung bewegen sich auch die beiden Lieder, die hier vorgestellt werden.

Es wird sein in den letzten Tagen (GL 549) nimmt uns hinein in die Friedensvision der Propheten: Schwerter werden zu Pflugscharen, Völker finden zusammen – und zugleich hören wir den Ruf, heute selbst Schritte des Friedens zu gehen. Christus, du Herrscher des Himmels und der Erde (GL 370) hebt den Blick auf Christus selbst, den Ursprung und das Ziel, der über alle Mächte erhaben ist und der allein wahren Frieden schenken kann.

Zusammen spannen die beiden Lieder einen großen Bogen: von unserer Sehnsucht nach Frieden bis zur Gewissheit des Glaubens, dass Christus der Herr der Welt ist. Wer sie singt, entdeckt: Hoffnung ist stärker als Angst – und im Licht Gottes können wir mutig in die Zukunft gehen. Natürlich kann jedes der beiden Lieder auch für sich stehen und mit der Gemeinde neu entdeckt werden – als starkes Hoffnungszeichen in unserer Zeit.

Christus du Herrscher - Ein Lied des Vertrauens

Text: Vinzenz Stebler 1975
Melodie: Reiner Schuhenn 2005

  1. Christus, du Herrscher Himmels und der Erde, Herr über Mächte, Du bist der Erste, Anfang und Ende.
  2. In deinen Händen ruht der Menschen Schicksal. Nichts kann auf Erden Du sprichst das Urteil voll des Erbarmens.
  3. Reiche erstehen, blühen und zerfallen, aber das deine denn deine Herrschaft ewigen Ursprungs.
  4. Keiner der Großen kann sich mit dir messen; Herrscher der Herren, Abglanz des Vaters, thronend im Himmel.
  5. Dir sei die Ehre, dir und deinem Vater, und auch dem Geiste Gott, dem Dreieinen, immer und ewig. Amen

Der Text richtet den Blick über menschliche Maßstäbe hinaus. In einer Welt, in der politische und wirtschaftliche Mächte oft unantastbar wirken, setzt dieses Lied ein starkes Zeichen: Kein Mächtiger dieser Erde kann sich mit Christus messen – er verkörpert Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.

Die fünf Strophen sammeln biblische Bilder von der Herrschaft Christi und verdichten sie zu einem hymnischen Lobgesang. Worte wie Reiche, Throne, Hoheit und Mächte erinnern zwar an alte Monarchien, greifen aber vor allem biblische Sprache auf. Christus wird als Erster und Letzter besungen, als Ursprung und Ziel, als Abglanz des Vaters und Spiegel seiner Herrlichkeit. Die letzte Strophe führt in eine Doxologie – ein feierliches Lob des dreifaltigen Gottes..

Wer dieses Lied singt, bekennt: Unser Vertrauen gilt nicht den Starken dieser Welt, sondern Christus, dessen Herrschaft ewig währt und der allein wahren Frieden schenken kann.

Melodie

Reiner Schuhenns Melodie ist unabhängig vom Text entstanden, trägt ihn aber in besonderer Weise. Sie bewegt sich in weiten Bögen, die der Sprache Raum geben. Besonders die langen Noten am Ende der Zeilen heben Schlüsselworte wie „Christus“, „Herrscher“, „Anfang“ oder „Ende“ hervor. Dadurch erhalten sie besonderes Gewicht, fast so, als blieben sie im Raum stehen, um nachzuklingen. Die Melodie ist ruhig und klar, gut singbar und frei von modischen Effekten. Sie betont das Zeitlose und Beständige und unterstreicht so das Bekenntnis des Textes: Christus ist Ursprung und Ziel, über alle Mächte erhaben.

Liedeinführung

Die Melodie von GL 370 ist übersichtlich gebaut. Auch wenn der Text zunächst umfangreich wirkt, können alle schnell einsteigen: Gleichmäßige Schritte und klare Linien machen das Mitsingen leicht. Das Lied gewinnt gerade dann, wenn es sofort mit der ganzen Gemeinde gesungen wird – ohne lange Vorübung. So wird es zu einem eindrucksvollen Bekenntnislied, das Vertrauen schenkt und deutlich macht: Nicht die Mächtigen dieser Welt haben das letzte Wort, sondern Christus, dessen Herrschaft ewig währt.

Liturgische Verwendung

Besonders passend ist dieses Lied am Christkönigsfest, am Ende des Kirchenjahres. Aber auch in Gottesdiensten, die Christus als Herrscher und Friedensfürst in den Blick nehmen, entfaltet es seine Kraft. In Kombination mit Friedensliedern wie GL 549 „Es wird sein in den letzten Tagen“ ergibt sich ein spannender Kontrast: Während GL 549 die Vision des endzeitlichen Friedens ins Heute holt, richtet GL 370 den Blick auf Christus selbst – Ursprung und Ziel, der allen Mächten überlegen ist. Zusammen machen beide Lieder deutlich: Unsere Hoffnung gründet nicht in menschlicher Macht, sondern in Christus, dem Herrn der Welt.

Friederike Braun

Höreindruck GL 370

Höreindruck GL 370

Es wird sein in den letzten Tagen

Text: Walter Schulz 1963/1987
Musik: Manfred Schlenker 1985

1. Es wird sein in den letzten Tagen, so hat es der Prophet gesehn, da wird Gottes Berg überragen alle anderen Berge und Höhn. Und die Völker werden kommen, von Ost, West, Süd und Nord, die Gott Fernen und die Frommen, zu fragen nach Gottes Wort. KV: Auf kommt herbei! Lasst uns wandeln im Licht des Herrn!

2. Es wird sein in den letzten Tagen, so hat es der Prophet geschaut, da wird niemand Waffen mehr tragen, deren Stärke er lange vertraut. Schwerter werden zu Pflugscharen, und Krieg lernt keiner mehr. Gott wird seine Welt bewahren vor Rüstung und Spieß und Speer. KV: Auf kommt herbei! Lasst uns wandeln im Licht des Herrn!

3. Kann das Wort von den letzten Tagen aus einer längst vergangnen Zeit uns durch alle Finsternis tragen in die Gottestadt, leuchtend und weit? Wenn wir heute mutig wagen, auf Jesu Weg zu gehen, werden wir in unsern Tagen den kommenden Frieden sehn. KV: Auf kommt herbei! Lasst uns wandeln im Licht des Herrn!

 

Sicherlich haben auch Sie, wenn Sie die vielen bedrückenden Weltnachrichten in den sozialen Medien verfolgen, sich schon des Öfteren die Frage gestellt „Wo soll das alles hinführen – was soll werden?“. Ähnlich muss es wohl auch dem Textdichter Walter Schulz gegangen sein, als er im Jahre 1963 bei einem USA Besuch die Statue vom Mann, der ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet, auf dem UNO-Gelände in New York gesehen hat. Dieses Erlebnis inspirierte ihn, der in der damaligen DDR zeitweise als Landesjugendpfarrer der evangelischen Kirche arbeitete, das Gesehene in einem Liedtext - basierend auf Jesaja 2 - zu verarbeiten: Am Ende der Tage werden alle Völker zum höchsten Berg, dem Berg des Herrn wandern. Dann wird es keine Auseinandersetzungen und Unterschiede mehr geben, sondern allein die Weisung des Herrn wird maßgeblich sein, und die Welt richten. Jesaja endet seine Vision mit der Aufforderung: „Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Pfaden!“. Verbunden mit dieser Aufforderung stellt Walter Schulz eher suggestiv in der dritten Strophe die Frage, ob uns diese alttestamentarische Vision denn auch heute etwas zu sagen hat. Er beantwortet sie selbst mit der Feststellung, dass bereits „in unseren Tagen“ durch unser verantwortungsvolles Handeln ein Stück weit diese Vision von der endzeitlichen Erfüllung, in der kein Leid und keine Trauer mehr, sondern der Frieden herrschen wird, erfahrbar werden kann.

Melodie

Manfred Schlenker, selbst in der damaligen DDR groß geworden, vertonte die Textvorlage im 6/4-Takt 1985 - also zu einer Zeit, in der in Europa durch die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Ost und West die Menschen das Thema Aufrüstung und die damit verbundene Kriegsgefahr, beschäftigte. Der bewegliche 6/4-Takt gibt der Melodie einen lebendigen Charakter – eine musikalische Aufforderung zur Veränderung. Dieser Aspekt wird durch Akzentverschiebung und der damit verbundenen Wendung zum 3/2 Takt an der Textstelle „Und die Völker werden kommen“ noch unterstrichen. Die textliche Vision von der „endzeitlichen Erfüllung“ wird durch eine übergebundene punktierte Halbenote beim Wort „Auf!“ vorbereitet und durch eine aufwärts gerichtete Melodiewendung congenial illustriert. Dieser auffordernden Wirkung kann man sich nicht entziehen!

Liedeinführung

Der umfangreiche Text und die lange sowie durch Taktwechsel anspruchsvolle Melodie sind kein Hindernis dieses Lied mit geringem Zeitaufwand (ohne lange Probe) im Gottesdienst einzuführen. Der Kehrvers kann zunächst in der Vorsänger/Gemeinde (V/A) Form als Fürbittruf im Gottesdienst eingeführt werden. Am Ende der Feier kann das Lied komplett gesungen werden. Dabei werden die Strophen zunächst solistisch betrachtend (singend) vorgetragen und die Gemeinde antwortet mit dem Kehrvers. Durch die Harmonieakzente in punktierten Halbem bzw. ganztaktig sollte eine (Selbst)Begleitung keine all zu große Herausforderung sein. „Auf, kommt herbei!“ – haben Sie Mut und entdecken Sie dieses eindrucksvolle und mehr denn je aktuelle Lied!

Liturgische Verwendung

Am Ende des Kirchenjahres, wenn die Gemeinde im Rückblick und zugleich im Blick nach vorn auf Gottes Zukunft feiert, gewinnt dieses Lied besondere Bedeutung. Es passt ebenso zum 1. Adventssonntag (Jes 2,2–5 im Lesejahr A), zu Friedensgebeten, ökumenischen Feiern und zu Gedenktagen, an denen das Ringen um Gerechtigkeit und Versöhnung im Mittelpunkt steht. Dabei verbindet das Lied die biblische Friedensvision mit unserer Gegenwart und schenkt Hoffnung: Gottes Licht leuchtet schon jetzt in unsere Welt hinein und macht Mut, Schritte des Friedens zu wagen.

Michael Hoppe

 

Höreindruck

Höreindruck

Lieder zum Thema Schöpfung

Das Thema „Schöpfung“ und die damit verbundene Frage nach deren Ursprung und der Verantwortung ihr gegenüber, ist ein Zeitloses, das die verschiedensten Generationen bis heute zu beschäftigten scheint. Es hat an Aktualität – wie die beiden hier vorgestellten Lieder aus unterschiedlichen Epochen zeigen - nicht verloren.

Text: Christian Fürchtegott Gellert (1757)
Musik: Peter Sohren (1668/1704)

Text

  1. Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht, die Weisheit deiner Wege, die Liebe, die für alle wacht, anbetend überlege: So weiß ich, von Bewundrung voll, nicht, wie ich dich erheben soll, mein Gott, mein Herr und Vater.
  2. Wer misst dem Winde seinen Lauf? Wer heißt die Himmel regnen? Wer schließt den Schoß der Erde auf, mit Vorrat uns zu segnen? O Gott der Macht und Herrlichkeit, Gott deine Güte reicht so weit, so weit die Wolken reichen.
  3. Dich predigt Sonnenschein und Sturm, dich preist der Sand am Meere. Bringt, ruft auch der geringste Wurm, bringt meinem Schöpfer Ehre! Mich ruft der Baum in seiner Pracht, mich ruft die Saat, hat Gott gemacht: Bringt unserm Schöpfer Ehre.

Hintergrund

Auf den Dichter, Theologen und Wissenschaftler Christian Fürchtegott Gellert geht der Text des Schöpfungsliedes „Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht“ zurück. Gellert, der nach seinem Theologiestudium nicht protestantischer Pfarrer werden, sondern sich der Wissenschaft widmen wollte, schafft mit seinem Text die Verbindung zwischen der rationalen Betrachtung der Schöpfung im Sinne eines aufklärerischen Denkens, und der persönlichen (religiösen) Erkenntnis, dass hinter dem Bauplan der Welt ein allumfassender Schöpfer steht, den es mit den begrenzten menschlichen Ausdrucksformen zu loben gilt. Sein Text entfaltet ein weites Panorama der Schöpfung – vom Himmel, der Sonne, dem Wind und dem Meer bis hin zum kleinsten Lebewesen und schließlich zum Menschen, der als „Krone der Schöpfung“ erscheint. Besonders in der zweiten und dritten Strophe stellt er mit dem wiederkehrenden Fragewort „Wer?“ die Frage nach dem Ursprung der Welt.

Mit Blick auf den Menschen, der geprägt von Geist und Verstand ein „täglicher Beweis“ von Gottes „Güt und Größe“ ist, sind aus heutiger Sicht in Anbetracht der Weltereignisse kritische Fragen berechtigt. Dennoch bleibt dieses Lied ein eindrucksvoller Lobpreis auf die Allmacht Gottes, die der Mensch in seiner Unvollkommenheit anerkennen und dazu bringen sollte, „… und alle Welt sag Amen“ (Ps.150) zu sagen. Im Sinne des aufklärerischen Denkens hat das Lied somit auch einen pädagogischen Charakter.

Melodie

Zeichnet man die Melodie, die auf Peter Sohren (1668) zurückgeht, nach, so spiegelt sich der Aspekt der Allumfänglichkeit in der Musik: Nachdem zweimal auftaktig und mit eingängigem, signalhaftem Quartsprung der „Blick nach oben gerichtet wird“, bringt die dritte Textzeile die melodische Wendung gleichsam in „die Niederungen“ des Daseins, bevor sich – bezogen auf die erste Strophe – die Melodie wieder „erhebt“ und den globalen Kreis schließt.

Michael Hoppe

Höreindruck

Höreindruck

Text und Musik: Michael Hoppe

Text

  1. Du bist ein Teil in Gottes guter Schöpfung. Du bist ein Teil von seinem großen Plan. Gott stellt dich in die Welt, die er erschuf und rief. Du bist der Mensch, dem Gott Vertrauen schenkt.
  2. Gott schuf die Tiere und die vielen Pflanzen, er schuf den Mond, die Stern am Himmelszelt, er gab uns Licht, das Wasser und zum Atmen Luft und auch das Land, auf dem du dich bewegst.
  3. So lass uns sein in Gottes guter Schöpfung. Lasst uns behutsam mit ihr stets umgehn. Lasst uns erkennen, dass wir aus Gott leben. Gott danken wir, der alles schuf, was ist.

Hintergrund

Das Lied entstand ursprünglich als Mottolied zu einer Erstkommunionfeier in Aachen, die unter dem gleichnamigen Gedanken stand: Aus Sicht der Katechese ging es darum zu verdeutlichen, dass wir Menschen (nur) ein Teil der Schöpfung sind, nicht isoliert für uns, sondern in einer Gemeinschaft leben, die auf Gott gegründet ist. Dabei ist Gott uns Menschen so nah, dass er uns sogar die in ihm gegründete Schöpfung anvertraut.  Bildhaft kam diese vertrauensvolle Nähe Gottes dann in der Mahlgemeinschaft, der Eucharistie zum Ausdruck.

Aufgrund der Beliebtheit in der Gemeinde bildete es ein Jahr später die Vorlage für das ausgeweitete Schlussstück des generationsübergreifenden Familienmusical „Der Beginn“ für Kinder-, Jugend-, Erwachsenenchor und Big-Band, das 2005 im Rahmen der „Tonsatzwerkstatt“ an der katholischen Hochschule für Kirchenmusik, Aachen entstand. Dieses 45-minütige Musical widmet sich inhaltlich vollständig der Schöpfungs- und Klimaproblematik und wurde mehrfach auch in anderen Bistümern aufgeführt.

Melodie

Interessanterweise beginnt auch dieses „Schöpfungslied“ ebenso wie das zuvor vorgestellte Schöpfungslied Gl. 463 auftaktig mit einer Quarte, sowie drei Achtelnoten, die eingängig jede Textzeile einleiten und den Charakter von „Aufbruchstimmung“ vermitteln. Dies wird zudem mit einem deutlich nach oben „gerichteten“ dreifachen Melodie- und Spannungsbogen verstärkt, der sinnfällig an der Textstelle „Gott stellt dich in die Welt, die er erschuf und rief“ seinen Höhepunkt erfährt. Dadurch, dass das jeweils zugrunde liegende rhythmische Modell beibehalten wird, ist die Melodie, wie die Erfahrungen zeigen, sehr eingängig, schnell einzustudieren und ein Beleg dafür, dass Lieder (nicht nur für Kinder) ausschließlich aus gleichbleibenden „Viertel oder Achtelnoten“ bestehen müssen, sondern durchaus rhythmisch vielfältiger sein dürfen. Manchmal hilft es, einfach den analytischen „Teil des Kopfes“ auszuschalten und eine Melodie intuitiv zu erfassen – nur Mut!  Das Lied eignet sich sowohl für Familien- und Kindergottesdienste als auch von der Programmatik her als gute Alternative für die generationsübergreifenden Gemeinde bei Erntedankfeiern oder Gottesdiensten in der Jahresmitte.

Ein Tip zum Schluss: Die beiden Schöpfungs-Lieder GL 463 und GL 820 lassen sich sogar miteinander kombinieren.

Michael Hoppe

Höreindruck

Höreindruck