Impuls März 2016

Gedanken

Bilder (c) pixabay.com
Datum:
Di. 1. März 2016
Von:
Georg Lauscher

Gedanken

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat was gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht´s mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

(Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein,  München 192011, 37-38)

Wäre dies nicht ein heilsames, befreiendes Fasten: das Fasten an Fantasien und Gedankenfilmen über mich selbst und andere?

Schon die Wüstenväter (3. Jahrhundert) entdeckten, welch zentrale Rolle für menschliches und geistliches Reifen die Achtsamkeit gegenüber den eigenen Gedanken und Fantasien spielt.

Entschiedenes Schweigen und Alleinsein lässt Gedankenfilme und Fantasien ins Licht meines Bewusstseins treten. Ich vertreibe sie nicht gleich durch mein Nicht-Hinschauen-wollen, Abwehren und Abwerten. Sondern ich schaue wirklich freundlich hin: „Ach, ist ja interessant, was da in mir los ist!“ In meinen Fantasien und Gedankenfilmen kann ich den mir bislang verborgenen Schatten meiner selbst erkennen. So vermag ich, mich von der schlechten Gewohnheit zu entwöhnen, das eigene Dunkel an anderen zu bekämpfen. Das zuerst schmerzliche Fehlen von Ablenkungen in der bewusst gewählten „Wüste“ hilft mir, die Ablenkungsmanöver meiner Fantasien zu durchschauen.  Es führt mich zu unverstellter Selbsterkenntnis. Wenn ich mich in der Wüste dem Sturm von ablenkenden und negativen Gedanken stelle, trete ich in die Fußspuren Jesu, der vor seinem Hinausgehen in die Öffentlichkeit vom Heiligen Geist geführt diese innere Klärung und Läuterung suchte. Weil er sich in seiner Wüstenzeit den Dämonen im eigenen Leben mutig gestellt hat, kann er ihnen auch bei Anderen angstfrei und heilsam begegnen.

Meine unverzichtbare Voraussetzung dafür, anderen ein Seelsorger zu sein, besteht genau hierin: meine eigenen Dämonen kennen und ihnen widerstehen lernen.

Das Widerstehen beginnt mit dem Erkennen und Benennen. In der Spur Jesu darf ich lernen, in einsamen und schweigsamen Zeiten den negativen Gedanken nur soweit zuzuhören, dass ich sie erkennen und benennen kann. Ihnen gar keinen Raum geben, lässt sie wieder ins Unterbewusstsein abtauchen. Ihnen zu viel Raum und Zeit geben, gibt ihnen eine Macht, die ihnen nicht zusteht und die mich ihnen ausliefert.

Wichtig ist, meine Aufmerksamkeit zur rechten Zeit zu verlagern: von den erkannten negativen, unfrei machenden Stimmen hin zur Stimme Gottes. Diese begegnet mir verlässlich in der Heiligen Schrift. Darum setzt Jesus, darum setzen in seiner Nachfolge die Wüstenväter und geistlichen Meister den negativen Gedanken ein inspiriertes Wort der Heiligen Schrift entgegen. Auch wir müssen zu diesem Heilmittel greifen, da wir nicht aus eigener Kraftanstrengung dem Negativen zu widerstehen vermögen, sondern nur – wie Jesus selbst – in der Kraft des Heiligen Geistes.

Allein schon zu realisieren, dass Gedanken „nur“ Gedanken und keine Tatsachen sind, ist ein enormer Gewinn an innerer Freiheit und hilft mir zu einem gelassenen und freundlichen Umgehen mit Stress- und Belastungssituationen. Ich habe es dann nicht mehr nötig, meine Zeit und Kraft mit dem Durchspielen innerer Fantasien zu vergeuden. Ich habe diese Gedanken und Gefühle – aber ich bin nicht diese Gedanken und Gefühle. Ich kann sie freundlich anschauen, erkennen und benennen und gestaltend mit ihnen umgehen. Diese psychologische Des-Identifikation verbinde ich auf dem geistlichen Weg mit der Achtsamkeit für Gottes verborgene Gegenwart in genau dieser Situation. Dazu hilft nichts so sehr wie ein kurzer Gebetsruf aus der Heiligen Schrift. Die Tradition nennt es Pfeilgebet oder Herzensgebet oder Stoßgebet.