Gelebte Eucharistie:

12 Zugänge zu Mysterium und Mystik der Eucharistie

Pfr. Georg Lauscher, Spiritual (c) Andreas Schmitter
Datum:
Mi. 29. Mai 2013
Von:
Georg Lauscher

Text von Spiritual Georg Lauscher zum Eucharistieverständnis gehalten auf der Vollversammlung der Diakonengemeinschaft

1. Die Hl. Schrift versteht den Leib Christi in vielfacher Weise:

  • sein Leib während der Erdenzeit: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ (Joh 1,14)
  • der eucharistische Leib: „Das ist mein Leib für euch!“ (1Kor 11,24)
  • sein Auferstehungsleib: „die Gestalt des verherrlichten Leibes“ (Phil 3,21)
  • wir: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche.“ (Kol 1,18)
  • der kosmische Leib: „In Christus alles zu vereinen, was im Himmel und auf Erden ist.“ (Eph 1,10)

2. Auf dem alltäglichen Weg zur Arbeit im Stahlwerk und in der Textilfabrik habe ich mich oft in folgender Weise mit meinen Arbeitskollegen und mit Christus verbunden gefühlt:

Vor meinem inneren Auge sah ich, wie meine Kollegen – auch wenn sie keinen Kontakt zur Kirche hatten – tagein tagaus ihr Leben einsetzen und hingeben: für ihre Familien, damit sie einigermaßen gut leben können. Diese alltägliche Hingabe in den harten Arbeitsalltag hinein, prägt sie so sehr, dass es deutlich an ihrer geistigen, seelischen und körperlichen Verfassung abzulesen ist. Ganz existenziell leben sie Tag für Tag ein „Das-ist-mein-Leib-Leben“. Eine Hingabe, die sie im Alltagstrott wohl kaum noch bewusst vollziehen. Doch sie ist ganz real. Ein „Das-ist-mein-Leib-Leben“ – wie es Jesu Leben in einer universalen Weise war.

3. In dem eucharistischen Christus begegne ich dem Geheimnis Gottes konkret. Gott ist nicht bloß als ein Wort, eine Idee da. Gott ist ganz wirklich da, real präsent. Er ist das innerste Geheimnis aller Realität. Er wohnt ihr inne. Die Materie dieser Welt, unser leibliches Leben ist der Ort seiner Gegenwart. Mein Leib und die ganze Welt sind durch seine Gegenwart geheiligt.

4. Ein auf die Liturgie beschränktes Eucharistieverständnis verweigert Christus die Nachfolge. Unser Leben mit seinen alltäglichen Begrenzungen, Enttäuschungen und Anregungen und Wandlungen soll gelebte Eucharistie werden: ein alltägliches Mich-Sammeln in Gottes Gegenwart, auf sein Wort hören, Mich-mit-Christus-Hingeben in diese Welt hinein und Mich-Verzehren-lassen. Die Liturgie der Eucharistie will zur Liturgie unseres gelebten Lebens werden. Ein alltägliches Mich-Überschreiten und Mich-Hingeben mit Ihm und in Ihm.

5. In der Eucharistie will aus Verehrung Vereinigung werden. Wie alle menschliche Liebe drängt auch die Gottesliebe zur Vereinigung  hin. Die Liebe begnügt sich nicht mit einem bloßen Gegenüber und äußerlicher Nähe; so nahe sie auch sein mag. Innige Liebe sucht die Vereinigung mit dem, den sie liebt. „Du in mir – ich in Dir.“

Paulus vergleicht das Geschehen der Kommunion mit der leiblichen Vereinigung zwischen Mann und Frau. Er verweist auf das Wort der Schöpfungsgeschichte: „Die zwei werden ein Fleisch sein“ (Gen 2,24). Und er fügt hinzu: „Wer sich dem Herrn verbindet, wird ein Geist mit ihm sein“ (1Kor 6,16).

6. Die Gegenwart Christi ist nicht in sich ruhend, statisch, starr. Sie ist dynamisch, kraftvoll und anziehend. Sie ist eine Macht, die uns in sich aufnehmen und mit sich nehmen will. So sagt Augustinus: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“ In seiner Erklärung der Psalmen (zu Ps 90,2,1) schreibt er: „Unser Herr Jesus Christus ist sowohl Haupt wie Leib. Der Leib dieses Hauptes ist die Kirche, nicht nur die, welche hier an diesem Ort ist, sondern die an diesem Ort und über den ganzen Erdkreis verbreitete; nicht nur jene, die zu dieser Zeit leben, sondern alle, die von Abel her bis zu denen, die bis zum Ende geboren und an Christus glauben werden.“

7. Ist mein Kommunizieren in der Hl. Messe nicht häufig sehr bezogen auf mich selbst? Ist mir in der Stille nach dem Empfang der Kommunion lebendig präsent, dass Christus sich uns allen zuinnerst verbunden hat? Verbinde ich mich mit Ihm – in uns allen? Ob ich Ihm wahrhaft verbunden oder nur eingebildet verbunden bin, kann ich daran überprüfen, inwiefern ich den mit mir Feiernden verbunden bin. In dieser Selbsterforschung erkenne ich, wie es um meinen Glauben an Christi Realpräsenz wirklich steht.

Wenn ich Christi Leib empfange, nehme ich Christus in mich auf. Ich nehme mit Ihm und in Ihm auch die Schwestern und Brüder in mein Leben auf. In der Kommunion empfange ich im Leib Christi auch die Gemeinschaft der Glaubenden.

8. Der unfassbare, äußerlich scheinbar abwesende Gott wird in Christi Fleisch und Blut vor unseren Augen leibhaftig gegenwärtig. In der Hl. Kommunion verschwindet Christus wieder von der Oberfläche –  in unser Leben hinein. Er ist nun wieder anwesend in der Art äußerer Abwesenheit. Er verbirgt sich in uns. Wir sind „seine Verstecke.“ (Kurt Marti) Und er wird durch uns – wenn wir aus der Kirche hinausgehen – öffentlich. Wir sind nun seine lebendigen „Tabernakel“, ausgesandt in eine gottvergessene Welt – sein fortwirkender Leib.

9. „Jede Messe bedeutet Weihnachten.“ (Charles de Foucauld) In jeder Eucharistiefeier realisiert sich das weihnachtliche Geheimnis der Inkarnation. Wie Maria empfangen wir Christus. Wie Maria tragen wir Christus leibhaftig unter unserem Herzen. Wie in Maria soll Gottes Leben in uns wachsen und groß werden. Und wie durch Maria so will Christus heute durch uns zur Welt kommen.

10. Ebenso wichtig ist die umgekehrte Bewegung: in der Hl. Kommunion nimmt Christus mich und alle Feiernden in sein Leben, seinen Leib auf. So werden wir aufs Neue Leib Christi, der sich hingibt für das Leben der Welt. In der Zeit vor seiner Bekehrung hörte Augustinus eine Stimme, die zu ihm sagte: „Nicht du wirst mich in dich verwandeln, sondern ich werde dich in mich verwandeln.“

11. Wir sind existenziell mit Christus verbunden. „Keiner von uns lebt sich selber, keiner stirbt sich selber. Ob wir leben oder ob  wir sterben, wir gehören dem Herrn.“ (Röm 14,7-8) Auch mein einsames Gebet betrifft den Leib Christi, den Organismus, in den ich seit meiner Taufe eingegliedert bin. Selbst die Einsiedler verstehen ihr einsames Leben als ein Leben eingegliedert in den Organismus der Kirche, eingegliedert in deren Dienst an der Welt. „Allein kommt keiner von uns in den Himmel“, sagte Bruder Gabriel, ein Trappist.

12. „Die reglose Hostie ist in meinen Augen so weit wie die Welt geworden, so verzehrend wie eine Feuersglut. Sie will mich umschließen. Eine unerschöpfliche und universale Kommunion vollendet die universale Konsekration. Ich wüsste nicht, Herr, wie mich solch großer Kraft entziehen, und ich liefere mich ihr beseligt aus.“

(Teilhard de Chardin)