Das Geschenk von Christi Himmelfahrt ist die christliche Hoffnung, sie macht vor nichts Menschlichem Halt, wie er selbst erfüllt sie alles.
Diesen Satz wendet Bischof Dr. Helmut Dieser in seiner Predigt am Hochfest Christi Himmelfahrt an auf die aktuelle Situation in der Kirche. Er spricht von einer tiefen Krise, die die Kirche durchlebe. Sie verliere ihre Glaubwürdigkeit und damit verbunden verliere ihr Wort Gewicht und die Menschen suchten Orientierung darum anderswo. Er nennt Beispiele, an erster Stelle die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs, dazu die kontrovers diskutierten Themen beim Synodalen Weg, aber auch der „Heute-bei-dir“-Prozess des Bistums. „Alle kritischen Stimmen zusammen gepackt bedeuten: das kann gar nicht gut gehen! Die Einen sehen partout die Ursache der Probleme genau in dem, was die Anderen für die Lösung der Probleme halten.“ Ein einfaches klares Machtwort gebe es nicht, und wenn Stimmen und Gruppen mit Machtworten oder mit einfach protesthaftem Fakten-Schaffen vorangingen, dann bringe das nur Risslinien hervor, die alles nur noch schwieriger und schmerzhafter machten.
Aber, so Bischof Dieser: „Wenn das die Situation von Christi Himmelfahrt 2021 ist, dann muss uns das Geschenk des heutigen Festtages gerade jetzt ergreifen: die christliche Hoffnung.... Die christliche Hoffnung auf unseren Herrn, das ist der tiefe innere Grund der Synodalität der Kirche. Wegen der Hoffnung auf den Herrn reden wir freimütig und ohne Angst. Wegen der Hoffnung auf den Herrn hören wir einander zu in Geduld ohne Abbrüche.“
Predigt von Bischof Dr. Helmut Dieser im Hohen Dom zu Aachen
am Hochfest Christi Himmelfahrt - B - , 13. Mai 2021,
L1: Apg 1, 1-11; L2: Eph 1, 17-23; Ev: Mk 16, 15-20.
Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Schwestern und Brüder,
„vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen“, sagt der Evangelist Lukas am Beginn der Apostelgeschichte. Diese Zahl ist in den Kalender eingegangen und der Grund, warum wir heute 40 Tage nach Ostern Christi Himmelfahrt feiern.
Zugleich überliefert uns der Evangelist aber auch die Worte des Auferstandenen, die diese feste Zahl wieder auflösen: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.“
Mit diesen beiden Markierungen stellt uns die Heilige Schrift mitten hinein in die Spannungen, die zu allen Zeiten der Kirche bestehen und auch heute wirksam sind: das Faktische, was wirklich geschehen ist und geschieht, und das Ewige, Göttliche, in das hinein Jesus das Faktische durch seine Himmelfahrt trägt.
Immer sind es diese beiden Wirklichkeiten: nur in Jesus selbst kommen sie zusammen und sind sie schon jetzt endgültig zusammen: der Kalender und die Ewigkeit.
Jesus ist ein Mensch dieser Erde mit einem einmaligen und konkreten Menschenleben, wie auch jeder andere Mensch nur einmal auf diesem Planeten lebt und eine konkrete Lebensgeschichte entfaltet.
Aber dieser eine Mensch, Jesus von Nazareth, der am Kreuz ohnmächtig starb, der trägt und vollzieht das volle und ganze Handeln seines himmlischen Vaters in dieser Welt.
Deshalb hat Jesus diese Welt von Grund auf verwandelt. Sie hat nicht mehr nur einen Kalender, sondern sie ist mit ihrer unübersichtlichen Geschichte, ihrem Hin und Her und Auf und Ab, schon unlöslich verankert mit ihrem Ziel. Im Epheserbrief sagt der Apostel: Gott hat ihn „von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben […] hoch über jegliche […] Macht und Herrschaft und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Weltzeit, sondern auch in der künftigen genannt wird“.
Der da zur Rechten des Vaters sitzt, der schaut auf alles, erkennt und beurteilt alles aus seinem Begreifen, aus seiner eigenen Lebensgeschichte, aus der Weise seines Menschseins. All das steckt indem kleinen Wort, das Lukas gebraucht: Ebenso wie er auf dieser Erde gelebt hat, ebenso wie er auferstanden ist vom Tod und in den Himmel zu Gott aufgenommen wurde, ebenso wird er wiederkommen und das letzte Wort Gottes über alles sein. Dieses Ebenso sammelt alles ein in die Einflusssphäre Jesu Christi.
Gott wird siegen, nicht durch Überwältigung, sondern durch Einbeziehung. Nicht durch die Vernichtung seiner Feinde, sondern durch die völlig neue unerwartete Beziehung, die sie jetzt zu Christus haben und er zu ihnen, ob sie es wissen oder nicht.
Er hat das letzte Wort - in allem und über alles.
Was bedeutet das, Schwestern und Brüder, für unser Lebensgefühl?
Ein Wort beschreibt es, das alles verändern kann, immer und zu allen Zeiten. Wir hören es im Epheserbrief: „Der Gott Jesu Christ, unseres Herrn, […] erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid“.
Hoffnung bedeutet: Alles ist nicht nur so, wie du und ich es jetzt erkennen und überblicken können. Es hat eine Chance!
Sogar das in unseren Augen Schlimmste hat die Chance, von Christus ergriffen und erlöst zu werden. Und ganz sicher alles in unseren Augen nur Halbgute, Vorläufige, Ungewisse und Besorgniserregende: es hat die Chance, durch Christus auszuwachsen, aufzusteigen zu seiner wahren und vollen Gestalt.
Das Geschenk von Christi Himmelfahrt ist die christliche Hoffnung, sie macht vor nichts Menschlichem Halt, wie er selbst erfüllt sie alles.
Ich möchte das nun anwenden auf unsere Zeitstunde in der Kirche.
Wir durchleben eine tiefe Krise. Ständig wird es uns in der veröffentlichten Meinung vorgerechnet: die Kirche verliert ihre Glaubwürdigkeit. Und damit ist verbunden: ihr Wort verliert Gewicht, Orientierung suchen die Menschen darum anderswo.
Für unser Bistum Aachen füge ich nur der Vollständigkeit halber an: Wie wird unser Prozess Heute-bei-dir zu einem Erfolg, der uns mit größerer gemeinsamer Gewissheit die Wege in eine neue Epoche unserer Kirche erkennen lässt?
Wenn ich alle diese Anstrengungen beschreibe, fällt jedem von Ihnen sofort ein, was alles von ganz verschiedenen Seiten dagegen vorgebracht wird. Alle kritischen Stimmen zusammen gepackt bedeuten: das kann gar nicht gut gehen! Die Einen sehen partout die Ursache der Probleme genau in dem, was die Anderen für die Lösung der Probleme halten.
Ein einfaches klares Machtwort gibt es nicht, und wenn Stimmen und Gruppen mit Machtworten oder mit einfach protesthaftem Fakten-Schaffen vorangehen, dann bringt das nur Risslinien hervor, die alles nur noch schwieriger und schmerzhafter machen.
Doch nun möchte ich sagen: Wenn das die Situation von Christi Himmelfahrt 2021 ist, dann muss uns das Geschenk des heutigen Festtages gerade jetzt ergreifen: die christliche Hoffnung. Das Irdische ist schon verbunden mit seinem endgültigen ewigen Ziel. Christus zieht uns hinter sich her. Nichts muss so bleiben, wie es jetzt ist, wenn wir uns anstecken lassen von der Hoffnung, dass Jesus zum Zug kommen soll, seine Macht uns beeinflussen soll. In ihm allein ist alles richtig, und er kann und will alles richtig machen bei uns und mit uns.
Die christliche Hoffnung auf unseren Herrn, das ist der tiefe innere Grund der Synodalität der Kirche. Wegen der Hoffnung auf den Herrn reden wir freimütig und ohne Angst. Wegen der Hoffnung auf den Herrn hören wir einander zu in Geduld ohne Abbrüche. „Ihr werdet die Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“, dieses Wort des Auferstandenen ist nicht erledigt, sondern gilt durch alle Epochen.
Jeder, der keine Hoffnung hat, jeder, der den Synodalen Weg nur als Unglück ansehen will, frage sich: Glaube ich denn überhaupt, dass diese irdische Kirche beherrscht und auf ihr Ziel hingelenkt wird von Christus und nicht vom Kampf der Menschenweisheit allein?
Darin liegt eine Zumutung: wirklich demütig zu sein und deshalb das Runterreden und Runtermachen, aber auch das eigenmächtige Faktenschaffen aufzugeben.
Diese Zumutung des Christusglaubens ist mitunter sehr groß, sie verlangt das Ganze: „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden“.
Dämonen, Schlangengift und Krankheiten des Leibes und der Seele werden bis ans Ende der Welt in immer neuen Formen und Krisen auftreten, und immer sind sie wirklich bedrohlich, ja tödlich.
Die christliche Hoffnung, Schwestern und Brüder, bewirkt, dass wir die Kraft unseres Herrn erfahren. Denn in meinem Namen, sagt der Auferstandene, wird das alles euch nicht schaden, sondern ihr werdet heil werden, andere heilen und neues Leben hervorbringen in vielen Sprachen und Ausdrucksgestalten.
Jede Krise fragt uns nach unserer Hoffnung.
Unsere Krisen verwandeln sich im selben Maß, in dem wir Jesus beim Wort nehmen. Denn das heutige Fest versetzt Jesus aus der Vergangenheit machtvoll in die Zukunft und verwandelt so jede Gegenwart. Den Schluss des Markusevangeliums dürfen wir daher auch so lesen: Sie aber ziehen aus und verkünden [das Evangelium] überall. Der Herr wird ihnen beistehen und [ihre] Verkündigung bekräftigen durch die Zeichen, die sie begleiten werden. Amen. Halleluja.