Das Thema Solidarität und was der Begriff besonders für die kirchliche Jugendarbeit bedeutet, stand im Mittelpunkt des 50. Fachtags Jugendpastoral in der BDKJ Jugendbildungsstätte Rolleferberg. Die Abteilung Kinder/Jugendliche und Erwachsene des Bischöflichen Generalvikariates hatte in Kooperation mit dem BDKJ alle interessierten Fachkräfte der Kirchlichen Jugendarbeit aus dem Bistum Aachen dazu eingeladen.
"Solidarität hat mit Verantwortung zu tun und damit, für einander einzustehen. Sie ist vor allem jenen gegenüber wichtig, die am Rande der Gesellschaft stehen, die schlechtere Startbedingungen haben, schwächer, krank oder in einer Notlage sind", unterstrich Karina Siegers, Fachbereichsleiterin für kirchliche Jugendarbeit im Bischöflichen Generalvikariat. Mit Blick auf die Zielgruppe des Tages stellte sie fest, dass Jugendliche gleichzeitig Empfänger, Adressaten und Akteure solidarischen Handelns sein können. Gerade von ihnen sei während der Corona-Pandemie ein gehöriges Maß an Solidarität eingefordert worden. Mit der Folge, dass nicht wenige Kinder und Jugendliche nun selbst - aufgrund der psychischen Folgen - auf Hilfe angewiesen seien. In dieser Hinsicht müsse Kirche Lobbyarbeit für junge Menschen betreiben und hierfür entsprechende Angebote machen und Anregungen geben. Im weiteren Verlauf des Tages sollte es um folgende Fragen gehen: Was ist die Grundlage eines christlich motivierten solidarischen Handelns? Wie können Akteurinnen und Akteure der christlichen Jugendarbeit Solidarität zeigen, eine christliche Haltung vermitteln und Kinder und Jugendliche darin unterstützen, ihre Meinung einzubringen?
Eine Ideologie der Nicht-Solidarität
Um dem Begriff der Solidarität eine Profilschärfe zu verleihen, hatten die Organisatorinnen und Organisatoren mit Professor Joachim Söder den "Hausphilosoph" der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho), Abteilung Aachen, eingeladen. Doch bevor sich der Wissenschaftler dem Thema näherte, sollte es um genau das Gegenteil gehen, "denn mindestens die Hälfte der Menschheit empfindet das als kompletten Unsinn." Von Thomas Hobbes (Der Mensch ist des Menschen Wolf) und Adam Smith (Über den Wohlstand der Nationen) über Francis Edgeworth (Jeder Marktteilnehmer ist ausschließlich von Selbstinteresse getrieben) und Milton Friedman (Kapitalismus und Freiheit) hätten Gelehrte im Laufe der Zeit eine "Ideologie der Nicht-Solidarität" entwickelt und eine Entwicklung initiiert, die in Deutschland rund um die 2000er-Jahre zu einem drastischen Abbau der Solidarleistungen geführt habe.
Jeder solidarische Akt ist gerechtfertigt
Angesichts der Tatsache, "dass ein Großteil unserer sozialen Welt nach Prinzipien agiert, die anti-sozial sind", fragte Professor Söder: "Haben sie bisher gedacht, dass sie diejenigen sind, die die Welt zu einem besseren Ort machen?" Dem gegenüber stehe aber das Prinzip der Solidarität. Hierzu Söder: "Wenn sich mehrere Personen zusammentun, um ein gemeinsames Gut zu verwirklichen, was eine Einzelperson aufgrund mangelnder Kräfte nicht verwirklichen könnte, spricht man von einer Solidarität, wenn jede Person für die andere einstehen kann." Die Grenzen dieses Prinzips seien aber dann erreicht, wenn die Solidarität meine Selbstbestimmung überfordert oder zunichte macht oder mein Handeln nicht zu mehr Autonomie meines Gegenübers führt. Wie es um das solidarische Verhalten jedes einzelnen bestellt ist, fasste Professor Joachim Söder wie folgt zusammen: "Beim Schrebergarten muss nicht jeder mitmachen, beim Verhindern der Klimakrise hingegen schon." Warum? Eine saubere Umwelt, die Verhinderung der Klimakatastrophe oder das Tierwohl seien ein gemeinsames Gut für alle Menschen, weil es die Biosphäre zu einem besseren Ort macht. Von daher sei jeder solidarische Akt gerechtfertigt. Dies schließe natürlich auch die kommenden Generationen mit ein: "Die Sicherstellung, dass Menschen auch in Zukunft in Würde Leben können, ist ein gemeinsames Gut, das zur Verwirklichung die solidarische Anstrengung der jetzt lebenden Menschen benötigt."
Im Anschluss an den Vortrag Professor Söders wandten sich die Fachkräfte in Workshops der praktischen Dimension solidarischen Handelns in der Katholischen Jugendarbeit zu.