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„Es ist an der Zeit, Haltung zu zeigen“:Margot Käßmann im Gespräch mit der Kirchenzeitung

Die Theologin wünscht sich, dass die Menschen mutig und stark für ihre Überzeugung eintreten, für den Frieden zu sprechen und dem eigenen Gewissen zu folgen.
Stationen  1958 – Margot Käßmann wurde 1958 geboren und 1985 ordiniert.  1994 – Fünf Jahre lang ist sie Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages.  1999 – bis 2010 ist sie Landesbischöfin von Hannover. 2009 – Als EKD-Ratsvorsitzende tritt sie im Februar 2010 von allen Leitungsämtern zurück. Vorangegangen war eine Autofahrt unter Alkoholeinfluss. Seitdem ist sie als Referentin, Dozentin und Kolumnistin gefragt. Bis 2018 war sie Reformationsbotschafterin.
Datum:
21. Juli 2025
Von:
Abteilung Kommunikation

Margot Käßmann steht inmitten gesellschaftlicher Krisen, politischer Polarisierung und persönlicher Verunsicherung für Klarheit, Haltung und Hoffnung. "Es ist an der Zeit, Haltung zu zeigen. Es ist an der Zeit, Position zu beziehen. Gegen Hass und Hetze, gegen rechtes Gedankengut, Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Kriegstreiberei", sagt sie im Gespräch mit der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen. Hier erzählt sie von auch ihren Sorgen und warum der Glaube für sie die Kraftquelle ist, um der Welt mit Zuversicht zu begegnen.  

„Seid mutig und stark“ ist als biblischer Appell nicht nur Titel des neuen Buches von Margot Käßmann, sondern auch eine Einladung, gegen den Strom zu denken, für den Frieden zu sprechen, dem eigenen Gewissen zu folgen. Käßmann schaut als Theologin, Seelsorgerin und Großmutter auf die Welt und zeigt sich angesichts der globalen Entwicklungen besorgt über die Zukunft, insbesondere mit Blick auf ihre Enkelkinder. "Wenn ich sehe, wie viel Geld jetzt in Waffen und Rüstung investiert wird, dann ist das für mich keine Investition in die Zukunft von Kindern." Notwendig seien stattdessen Mittel für Bildung, Klimaschutz und Entwicklung. 

Ihre pazifistische Haltung hat sich dabei weiter gefestigt: Frieden müsse gewagt werden, sagt sie unter Berufung auf Dietrich Bonhoeffer. Das Festhalten an Abschreckung und Verteidigungslogik sei eine Sackgasse: "Es wird nur über Abschreckung gesprochen. Aber nicht darüber, wie eine Friedensordnung entsteht, in der dieser ganze Verteidigungswahn gar nicht nötig ist." Stattdessen brauche es eine Friedensordnung, die 

Sicherheit nicht durch Waffen definiert.

Käßmann kritisiert, dass friedenspolitische Stimmen in den Parteien der Mitte keinen Raum mehr fänden. Die Grünen als einstige Friedenspartei hätten ihre Wurzeln verlassen, was sie enttäuscht. Trotzdem sieht sie neue Allianzen, auch ökumenisch. Die Friedensbewegung sei zwar klein, aber inhaltlich stark – und sollte aus der gesellschaftlichen Deckung treten. Mut bedeute heute, zu seinem Glauben und seiner Haltung zu stehen. "Es erfordert auch Mut, die eigene Meinung kundzutun. Ich finde, es ist heute auch sehr mutig, wenn junge Familien Kinder bekommen und damit ausdrücken: Gegen all diese Zerstörung setze ich Leben und Hoffnung", sagt Käßmann. Sie sieht in der Bibel zahlreiche Hoffnungserzählungen, die auch heute tragen: Hagar in der Wüste, das wandernde Israel, die Auferstehung Christi. Für sie ist der Glaube Kraftquelle, um der Welt mit Zuversicht zu begegnen.

Hinsichtlich moderner Kommunikationsmittel ist Käßmann skeptisch. Social Media hält sie für kontraproduktiv für echte Beziehungen. Sie hebt den Wert menschlicher Nähe hervor und plädiert für reale Begegnungen statt virtueller Netzwerke. Resilienz bedeute für sie auch, Kritik zu ertragen und Haltung zu bewahren. Kein Mensch könne allein die Welt retten – deshalb brauche es politisches Engagement und Gemeinschaft. Im Dialog, in Gottesdiensten und Friedensinitiativen könnten sich Menschen gegenseitig bestärken. Käßmann ruft dazu auf, gemeinsam über das nachzudenken, was uns als Gesellschaft zusammenhält – und zeigt sich überzeugt: Auch in krisenhaften Zeiten gibt es Hoffnung, wenn wir den Mut haben, nicht zu schweigen.

Hier finden Sie das ganze Interview.