Brief an unsere europäischen Brüder und Schwestern

Die Bischöfe der „Euregio“ richten sich im Vorfeld der Europawahlen an die Bürger Europas

"Wir möchten unser Vertrauen in Europa und unsere Hoffnung, dass Europa neue Wege einschlagen wird, die den Gefahren, denen es ausgesetzt ist, angemessen sind, wiederholen. Ebenfalls möchten wir alle europäischen Bürger einladen, das Bewusstsein für ihr gemeinsames Erbe wiederzugewinnen, die Beiträge der Europäischen Union in ihrem täglichen Leben wahrzunehmen, ihr Handeln durch die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu unterstützen und sich für eine Zukunft einzusetzen, die vom Dienst am Gemeinwohl aller Völker Europas geleitet wird", heißt es in dem Brief, den die Euregio-Bischöfe heute unterzeichneten.
Datum:
Mo. 29. Apr. 2019
Von:
Erzbistum Luxemburg

Anlässlich der Europawahlen am 26. Mai 2019 veröffentlichen die Bischöfe der Euregio (die Erzdiözese Luxemburg und die Diözesen Aachen, Lüttich, Metz, Namur, Trier, Troyes sowie Verdun) am heutigen 29. April 2019 ihren Standpunkt zu Europa. Sie vertreten die These, dass Europa angesichts seiner reichen Geschichte eine besondere Mission zu erfüllen hat, nämlich jene, im Aufeinandertreffen der Kulturen, Ideologien und wissenschaftlichen Revolutionen, den Menschen als offen für den Anderen zu bewahren, der darauf bedacht ist, den Dialog und das Teilen zu pflegen und der sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt.

Sie stellen fest, dass die Europäische Union sich in einer tiefen Krise befindet, sie aber gleichzeitig über wichtige Vorteile verfügt, um dieser entgegenzutreten. Europa ist nicht aus einer gewalttätigen und unmittelbaren Revolution entstanden, sondern aus einer allmählichen Verwandlung unter der Wirkung gemeinsamer Prinzipien, die die neue Gesellschaft hervorgebracht haben. Die europäische Geschichte hat ihren Ursprung in der Begegnung der lateinischen mit der germanischen Kultur; das Christentum hat diese entgegengesetzten Kulturen durch seinen spirituellen Beitrag gefestigt und die Bevölkerung zur Achtung jedes Menschen, zum Dienst an den Schwachen und zu einer grenzenlosen Hoffnung angeregt. Nach zahlreichen Auseinandersetzungen, die zu den beiden Weltkriegen und zur Shoah, der Tragödie des Völkermords an den Juden, führten, wurde die Europäische Union 1957 gegründet, um mittels der Schaffung der Wirtschafts- und Zollunion Frieden auf dem Kontinent zu schaffen.

Die Bischöfe heben sechs Herausforderungen für das heutige Europa hervor. Die erste Herausforderung ist jene der Solidarität: „Die Europäische Union muss der Unterstützung von Menschen Vorrang einräumen, die angesichts eines Liberalismus im Finanzwesen, der den Menschen verachtet, in Schwierigkeiten geraten sind.“ Die zweite ist die diplomatische Solidarität, um Frieden zu fördern und Terrorismus zu bekämpfen. Die dritte ist die Achtung des menschlichen Lebens in all seinen Phasen. Die vierte Herausforderung ist die Sorge für die Umwelt mit Blick auf eine integrale Ökologie, die den Menschen ins Zentrum der Schöpfung stellt, in seiner Beziehung zu den anderen Menschen und Geschöpfen. Die fünfte ist die Migrationsfrage: Die Migranten verlassen ihr Land aus wirtschaftlichen Ursachen oder auf der Suche nach Sicherheit und müssen das Mittelmeer zum Teil unter Lebensgefahr überqueren. „Europa muss in einem von allen seinen Mitgliedstaaten angenommenen und abgesprochenen Ansatz dafür sorgen, dass es die Migranten mit Respekt vor ihrer Würde aufnimmt und gleichzeitig ihre Notsituation mit der gebotenen Geduld und Empfindsamkeit meistert, damit die ergriffenen Maßnahmen nicht zu Spannungen in den Aufnahmeländern führen.“ Die sechste Herausforderung betrifft die Problematik bezüglich der Beschäftigung und der Demografie. „Verschiedene Länder sind nicht in der Lage, ihren Einwohnern eine sichere Arbeitsstelle anzubieten, andere stehen vor einem demografischen Rückgang und haben Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen. Eine abgestimmte Politik könnte die derzeitigen Schwierigkeiten überwinden.“

Um diese Probleme zu lösen, „müssen die Länder der Europäischen Union offen sein für den Dialog zwischen ihren, von einer großen Vielfalt geprägten, Mitgliedstaaten. Diese Aufgeschlossenheit bedeutet nicht, dass jedes Land seine Identität verliert. Im Gegenteil, jedes an seiner eigenen Kultur reiche Land lässt das andere einen Teil der europäischen Identität entdecken.“ Die Antwort auf die Probleme besteht darin, neue Beziehungen zwischen den Völkern und ein gemeinsames Projekt aufzubauen.

Wie Jesus zu dem Nikodemus (Joh 3,7-8) im Evangelium des heutigen Tages (Fest der heiligen Katharina von Siena) sagte: „Wundere dich nicht, dass ich dir sage: Ihr müsst von oben geboren werden. Der Wind weht, wo er will. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Die Bischöfe hoffen, dass der Atem des Geistes zur Wiedergeburt Europas beitragen möge. (iba/Na026)

Den Brief im Wortlaut finden Sie hier

 

 

Unterzeichnung Brief der Euregio-Bischöfe

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