Nachruf zum Tod von KMD Viktor Scholz

(c) privat
Datum:
Mi. 5. Apr. 2023
Von:
Fachbereich Kirchenmusik

Ehemaliger Münsterkantor der Münster-Basilika St. Vitus Mönchengladbach

Ehemaliger Dozent an der Kirchenmusikschule „St. Gregoriushaus“ Aachen

Ehemaliger Orgelsachverständiger der Diözese Aachen

KMD Viktor Scholz wurde als Vitja Wladimirowitsch Kammeschow in der am Asowschen Meer liegenden Hafenstadt Taganrog geboren und verbrachte dort seine Kindheit. Sein Vater, Cellist und Generalmusikdirektor der Stadt, war im Krieg als Soldat gefallen. 1945 flüchtete Viktor Scholz mit seiner Mutter nach Deutschland. Die beiden gelangten nach Essen, wo sie als Haushälterin bei einem Theologen arbeitete. Er erhielt seine musikalische Grundausbildung von 1947 bis 1954 in Essen bei Musikdirektor Heinz Gilhaus, den er hoch verehrte.

Danach studierte er an der Bischöflichen Kirchenmusikschule St. Gregoriushaus in Aachen und schloss mit dem Kantorenexamen ab. Es folgte ein Studium an der Folkwanghochschule für Musik in Essen, das Scholz 1959 mit dem staatlichen Musiklehrerexamen für die Fächer Klavier und Orgel abschloss, im Fach Orgel mit Auszeichnung.

Zum 1. Januar 1958 wurde Viktor Scholz als Kantor an das Münster St. Vitus Mönchengladbach berufen. Er übte das Amt mehr als vier Jahrzehnte lang aus und ging im Jahr 2000 in den Ruhestand. Daneben lehrte er als Dozent für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation am St. Gregoriushaus in Aachen. Ab 1974 war er Orgelsachverständiger des Bistums Aachen. Eine umfangreiche Konzerttätigkeit führte ihn durch Europa und Japan. 1985 wurde er zum Kirchenmusikdirektor (KMD) ernannt. Im Jahre 1982 wurde Scholz mit der Stadtplakette der Stadt Mönchengladbach ausgezeichnet.

Viktor Scholz zeichnete sich durch seinen unverwechselbaren, geradezu predigenden Interpretationsstil an der Orgel aus, den er seinen Schülern und Mitarbeitern engagiert weitervermittelte. Im Gottesdienst und im Konzert galten für ihn höchste künstlerische Ansprüche. Die Kirchenlied- und Choralbegleitung sollte für jeden verständlich und nachvollziehbar sein, Literaturauswahl, Improvisationen und Programmgestaltungen dem Anlass entsprechen und gut durchdacht sein. Seine Frau Doris, die im Jahre 2018 viel zu früh verstarb, wurde bei Konzerten und Gottesdiensten zur wichtigen und liebsten Assistentin beim Registrieren. "Man hat uns bewundert als perfektes Team", sagte er. Über einen langen Zeitraum hinweg hatte Viktor Scholz als Leiter des Münsterchors St. Vitus die anspruchsvolle Aufgabe an allen Sonn- und Feiertagen das Hochamt im Münster zu gestalten. Zeitweise hatte der Chor 33 Messen aus unterschiedlichen Stilepochen, von der Renaissance bis zur Moderne, im Repertoire. Die Qualität der liturgischen Musik im Vitus-Münster wurde nicht zuletzt durch die zahlreichen Fernsehgottesdienste weit über die Grenzen Mönchengladbachs bekannt. Dazu kamen die regelmäßigen Konzerte mit großen oratorischen Werken der Musikgeschichte. Neben den städtischen (Orgel)Konzerten im Münster mit international bekannten Interpreten gab es schon früh kreative, hochambitionierte und in die Zukunft weisende Projekte: Jazzkonzerte, die Aufführung der Passionssinfonie von Marcel Dupré (als deutsche Ersteinspielung und von Dupré selbst hochgelobt) und seines Kreuzwegs mit Ballett und Ausdruckstanz. Viktor Scholz‘ Interpretationen der großen Orgelwerke von Max Reger und der „Kunst der Fuge“ von Johann Sebastian Bach waren legendär.

Auch nach seiner Pensionierung im Jahre 2000 blieb er noch viele Jahre aktiv als Konzertorganist, aber auch als ständiger Begleiter des Münsterchores unter der Leitung seiner Nachfolger. Viktor Scholz hat nie, auch im fortgeschrittenen Alter, seine Neugier verloren. Er war und blieb als Ausnahmekünstler immer offen für neue, kreative Ideen. Bis zum Schluss blieb er sich in Punkto Sinnhaftigkeit, Ausrichtung und Qualität seiner musikalischen Arbeit treu. 

Als Orgelsachverständiger der Diözese Aachen hat Viktor Scholz seit 1974 unzählige Orgelneubauten, Restaurierungs- und Sanierungsprojekte fachkundig betreut. Sein Sachverstand war über die Grenzen des Bistums hinaus gefragt. Bei Orgelneubauten hat er dafür gesorgt, dass nicht nur regionale Orgelbauer ihr Angebot einreichen konnten. Außerdem hat er, immer auf der Suche nach kreativen Lösungen, auch stilistisch im Orgelbau Maßstäbe gesetzt. So wurden viele außergewöhnliche und hochwertige Instrumente realisiert. Dadurch hat er die vielseitige Orgellandschaft am linken Niederrhein und darüber hinaus mitgeprägt.

Über seine umfangreichen beruflichen Tätigkeiten hinaus hat Viktor Scholz das Leben auch von seiner geselligen Seite gesehen und es in vollen Zügen genossen. Die Wohnung von Doris und Viktor Scholz war stets offen für seine Freunde, Bekannten und Schüler*innen. Gutes Essen und Trinken gehörten zweifellos zu dieser Offenheit. Vor allem waren Doris und Viktor Scholz aber Familienmenschen mit dem klaren Bewusstsein, dass Familie kein Selbstläufer ist, sondern bei vielen Gelegenheiten gepflegt werden muss. Beide liebten es von der großen Familie mit ihren 3 Kindern, 12 Enkelkindern und 9 Urenkeln umgeben zu sein.

Die vielen Menschen, die Viktor Scholz in seinem langen und erfüllten Leben begegnet sind, und die er auf ihrem Werdegang unterstützt, begleitet und mitgeprägt hat, sind ihm zu großem Dank verpflichtet.

 

Klaus Paulsen, Reinhold Richter und Martin Sonnen