Bischof Dr. Helmut Dieser ruft in seiner Predigt in der Christmette im Aachener Dom dazu auf, Weihnachten mit Hingabe an die Botschaft zu feiern.:Dieses Kind hat die Kraft, den Frieden Gottes in unser Heute zu bringen

Aachen. Der Bischof von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hat dazu aufgerufen, Weihnachten nicht mit halbem Herzen, nicht gelangweilt oder mit Ablenkung vom Eigentlichen zu feiern, sondern mit Hingabe an die Botschaft, an die Menschen und die liebenswürdigen Gebräuche dieses Festes sowie die gemeinsame Kultur. „Das Kind, das uns geboren ist, hat die Kraft, den Frieden Gottes in unser Heute zu bringen“, betonte Dieser in seiner Predigt im Pontifikalamt im Aachener Dom. „Über Betlehem bricht dieses Evangelium den Himmel mit seinen unzählbaren Heerscharen auf - einmalig und unüberbietbar für alle Welt.“
In seiner Ansprache führte der Bischof aus, dass das Wort „Heute“ von Gott komme, und das in vielerlei Hinsicht: Er habe als Schöpfer unser Leben so eingerichtet, dass wir immer nur heute leben könnten, also zwischen zwei Nächten, der vergangenen und der kommenden. „Alle Zeit meines Lebens, die ich frei gestalten und nutzen kann, liegt also im Heute“, stellte der Bischof fest. „Selbst wenn ich die Zukunft plane und Vorkehrungen treffe, kann ich auch das immer nur heute tun.“
Dagegen könne das Wort „morgen“ teuflisch sein, so Dieser, weil das Verschieben und immer neue Aufschieben teuflisch sein könne, wenn man das, was heute getan werden könne und müsse, auf ein immer unbestimmteres Morgen aufschiebe. Dann werde das Morgen zur Täuschung, weil es nie zum Heute werde. Gott aber sage „heute“, er lebe nicht wie wir im Wach- und Schlafrhythmus, sondern im ewigen Licht, im dauernden Tag, im nie vergehenden Jetzt. „Darin steckt die große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll, wie es der Engel verkündet: Heute ist euch der Retter geboren!“, hob der Bischof hervor. „In dieser Heiligen Nacht, da alles schläft, da nur die Hirten bei ihren Herden wachen und das Heilige Paar einsam draußen auf dem Feld eine Stallung mit einer Futterkrippe als Nachtlager gefunden hat, da kommt er in der Stille aus dem Himmel herab in unsere Welt, in unser Heute.“ Dadurch, dass Gott „heute“ sage, gleiche er sich uns Menschen an. Darum lasse er sich einspannen in den Rhythmus unseres Lebens und bahne uns einen Weg durch das letzte Loslassen hindurch, durch die Nacht der völligen Ohnmacht und des Todes hindurch in die Fülle des Lebens, aus der er komme. „Über den Feldern von Betlehem, so stelle ich es mir vor, war in der tiefen Dunkelheit der Nacht damals ein überwältigender Sternenhimmel zu sehen, wie wir Menschen des 21. Jahrhunderts ihn wegen all unserer künstlichen Lichter kaum mehr zu sehen bekommen“, erklärte Dieser.
Und derselbe Eifer dieses Gottes, sein liebevolles und treues Engagement für sein Volk durch alle wechselvolle Geschichte hindurch bringe es zustande, dass uns ein Kind geboren werde in dieser Heiligen Nacht. Der Prophet Jesaja verkünde, dass an diesem Kind der Krieg der Menschen sich totlaufe, Krieg, der aus dem Herzen des Menschen komme, den der Mensch selbst beginne mit Soldaten und Militärausrüstung, mit Folterinstrumenten und dem immer fließenden Blut der unzähligen Verletzten und Getöteten „und heute auch der Krieg der Verdrehungen und der Halbwahrheiten, der Lügen, der Macht- und Kraftsprüche, der Schmähungen, Abwertungen und Skandalisierungen“.
„Wie schnell wird auch dieser Krieg aus Verwirrung und Hetze blutig, wenn das Herz des Menschen sich davon radikalisieren lässt und zum Terrorangriff übergeht mit Hassausbrüchen und Anschlägen ge¬gen Weihnachtsmärkte oder aus unerträglichem Antisemitismus weltweit gegen Juden wie zuletzt in Australien“, mahnte der Bischof. Dagegen dürfe in der Heiligen Nacht jeder Mensch das „Ehre Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen des Wohlgefallens!“ hören, heute annehmen, heute glauben und sich mit seinem ganzen Hunger nach Glück und Leben darauf verlagern, dass das Kind ihm geboren sei, Jesus sein Jesus sein wolle, Gott ihm seinen Sohn, den Fürst des Friedens und den wunderbaren Ratgeber, schenken wolle. „Denn Gott ist herrlich, nicht du musst ihn herrlich machen“, urteilte der Bischof. „Gott allein hat alle Ehre, nicht du musst sie ihm geben oder seine Ehre durchsetzen! Es kann deshalb für Gott und in seinem Namen keinen Krieg mehr geben! Es darf kein Mensch mit dem Namen Gottes auf den Lippen einen anderen Menschen töten wollen! Keine Kirche darf mehr Waffen segnen und das Töten zum Werk Gottes erklären! Jeder Hass verfehlt Gott vollkommen!“
Vielmehr wolle Gott das Gefallen des Menschen, sein Wohlgefallen, erwecken, das Herz der Menschen zum Singen und sich Freuen bringen und in allem, was uns heute bedränge, bei uns sein. Er nehme alle hinein in die Liebe des Retters, der heute geboren sei, auch wenn bei einem Menschen Nacht wäre oder Schmerz oder Trauma und ungelöste Rätselhaftigkeit des Menschseins. „Wir müssen uns heute zu ihm hinwenden und an ihm Gefallen finden“, forderte Dieser. „Diese Kraft will die Heilige Nacht neu in uns entfachen: Dass du heute anfängst zu glauben, dass du nicht mehr „morgen vielleicht“ sagst, sondern: Ja, heute will ich neu mit Gott anfangen, der ja neu mit uns anfängt.“
Der heilige Franz von Sales habe das schöne Wort gesagt: „Was mich kümmert, [sic!] und was mich fordert, ist das Heute, das gehört der Gnade Gottes und der Hingabe meines Herzens, meines guten Willens“. „Wir füllen das Heute mit Leben, wenn wir uns hingeben an die Aufgaben, die wir haben, an die Verantwortungen, die wir tragen, an die Herausforderungen, die wir bestehen müssen“, erklärte der Bischof. „Sich hingeben an das Heute umfasst alles: Arbeit und Freizeit, Pflicht und Muße, Feiern und Alleinsein, für andere und für mich sorgen. In allem nicht fliehen, nicht verschieben, nicht Vergangenem nachhängen noch Kommendes fürchten, sondern die Ablenkungen aufgeben und mit Gott das Heute leben, das, was dran ist und was auf mich wartet.“ So sollten wir ein Volk werden, das voll Eifer danach strebe, das Gute zu tun, wie der Apostel Paulus an seinen Schüler Timotheus geschrieben habe.