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Erntedank:Innehalten und dankbar sein – auch für das Unvollkommene

Biolandwirt Volker Gauchel feiert Erntedank als Moment des Innehaltens – und zeigt, warum auf seinem Hof kaum Lebensmittel verschwendet werden.
Erntekorb
Datum:
3. Okt. 2025
Von:
Paul Arns

Erntedank ist für Volker Gauchel kein folkloristisches Fest, sondern ein Moment des Innehaltens. Auf seinem Biohof am Rande von Aachen bedeutet das: einen Schritt zurücktreten, den Blick über Felder, Ställe und Hofladen schweifen lassen und sich bewusst machen, was in den vergangenen Monaten alles gelungen ist. „Es geht nicht darum, alles schönzureden. Es geht darum, dem Gelungenen Raum zu geben und dankbar zu sein – selbst wenn das Jahr herausfordernd war.“

2025 war so ein Jahr: ein wechselhafter Frühling, der viele Aussaaten verzögerte, gefolgt von einem heißen Sommer mit einigen rettenden Regenfällen. Die Kartoffeln entwickelten sich ordentlich, die Möhren sogar überdurchschnittlich gut, während Zwiebeln etwas kleiner blieben als in anderen Jahren. Auch die Kürbisse konnten überzeugen. „Am Ende haben wir eine stabile Ernte eingefahren – und das ist alles andere als selbstverständlich.“ Diese Mischung aus Zufriedenheit und Demut zieht sich wie ein roter Faden durch sein Verständnis von Landwirtschaft.

Auf dem Hof gehören Acker- und Gemüsebau, Tierhaltung und Direktvermarktung zusammen. Diese Vielfalt ist nicht nur Teil des ökologischen Kreislaufs, sondern auch ein Schutzschild gegenüber den Unwägbarkeiten des Klimas. Hühner, Rinder und Schweine sind in die Fruchtfolgen eingebunden, liefern Mist für den Acker und verwerten das, was im Feld oder im Lager nicht marktfähig ist. „Das ist vielleicht einer der größten Unterschiede zu industriellen Systemen: Wir nutzen die ganze Pflanze, das ganze Tier – nichts wird achtlos entsorgt.“ Lebensmittelverschwendung ist damit praktisch ausgeschlossen. Auch krumme Möhren, kleine Kartoffeln oder Kürbisse mit Schönheitsfehlern finden Abnehmer: entweder direkt über den Hofladen, über die Abo-Kiste, oder sie landen in der Suppenküche, wenn der Hof zum Erntedankfest öffnet.

Ehrlich mit Charakter

Für Gauchel ist diese Haltung selbstverständlich. „Das Lebensmittel hat seinen Wert nicht verloren, nur weil es nicht der Norm entspricht. Wir haben Arbeit, Energie und Zeit hineingegeben – das verdient Respekt.“ Dass dennoch ein Großteil der Lebensmittel in Deutschland aussortiert wird, weil er nicht den gängigen Handelsklassen entspricht, macht ihn nachdenklich. Auf seinem Hof dagegen wird bewusst erklärt, warum die Kartoffeln nicht immer gleich groß oder die Karotten nicht immer gerade sind. Viele Kundinnen und Kunden schätzen genau das – ein ehrliches Produkt mit Charakter, statt makelloser Einheitsware.

Der Direktverkauf spielt dabei eine Schlüsselrolle. Im Hofladen, auf Märkten oder über die wöchentliche Abo-Kiste kommt Gauchel direkt mit den Menschen ins Gespräch. Das schafft nicht nur Transparenz über Preise und Arbeitsaufwand, sondern auch Akzeptanz für das, was die Natur im jeweiligen Jahr hervorbringt. „Wer sieht, wie viel Handarbeit in einem Gemüse steckt, versteht auch, warum wir es nicht einfach wegwerfen können.“

Diese enge Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten sieht er als Kern einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Regionalität sei für ihn keine Mode, sondern eine Kulturtechnik. Kurze Wege, direkte Begegnungen, Verantwortung füreinander – all das stärke die Region. Und es verändere auch den Blick der Menschen auf Lebensmittel: weg vom Wegwerfartikel, hin zum wertvollen Gut, das mit Mühe und Geduld erzeugt wurde.

„Alles würdigen, was uns die Erde gibt.“

Gerade zu Erntedank wird diese Haltung sichtbar. Der Hof öffnet seine Tore, lädt Nachbarschaft, Kundinnen, Kunden und Interessierte ein, Felder zu besichtigen, über die Arbeit zu sprechen und gemeinsam Suppe zu essen. Gekocht wird mit dem, was in der Woche geerntet wurde: Kartoffeln, Möhren, Kürbis. Dass dabei auch Ware mit kleinen Macken im Topf landet, versteht sich von selbst. „Erntedank heißt nicht, das Schöne ins Schaufenster zu stellen. Es heißt, alles zu würdigen, was uns die Erde gibt.“

So ist das Fest für Gauchel mehr als ein kirchlicher Brauch oder ein folkloristischer Termin. Es ist ein kollektiver Atemzug nach Monaten harter Arbeit – und ein Moment, an dem sich zeigt, dass nachhaltige Landwirtschaft nicht bei der Aussaat beginnt und nicht bei der Ernte endet, sondern auch im respektvollen Umgang mit den Früchten. Für ihn steht fest: „Lebensmittel sind zu wertvoll, um sie zu verschwenden. Sie sind das Ergebnis von Boden, Wetter, Arbeit und Zeit. Genau dafür halte ich an Erntedank einen Moment inne.“

 

Erntedank auf dem Biohof Gauchel: :Ernte sehen. Dank spüren.

Dankbarkeit, regionale Verantwortung und ein klares Nein zur Lebensmittelverschwendung
Ernte sehen. Dank spüren.
3. Okt. 2025

Biobauer Volker was für ihn Dank für die Ernte bedeutet. Vielfalt statt Verschwendung, Tierwohl und Bildung - direkt vom Hof in die Region. .