Christliche Friedensethik nach der Zeitenwende.

Impulsvortrag von Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck im Rahmen des ReliUpgrade.

Seit 2011 ist der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr. (c) Bistum Essen, Nicole Cronauge
Seit 2011 ist der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr.
Datum:
Di. 6. Mai 2025
Von:
Abteilung Kommunikation

Auf Einladung des Katechetischen Instituts und der Schulreferentinnen der evangelischen Kirchenkreise nahm der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck am diesjährigen digitalen „ReliUpgrade“ für Religionslehrerinnen und -lehrer aller Schulformen teil.

Das Thema der Tagung - „Kämpfen, ein neues Leitbild?“ - ist angesichts der aktuellen Weltlage hochaktuell. Die Resonanz von mehr als 100 Teilnehmenden bestätigte dies. In seinem Impulsvortrag bezog er sich auf den Überfall Russlands auf die Ukraine und nahm Stellung zu der Frage „Wege zu einem gerechten Frieden – auch mit militärischer Gewalt? Christliche Friedensethik nach der Zeitenwende“.

Es wäre verantwortungslos, sich den enormen Herausforderungen angesichts des Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der Erschütterung der europäischen Friedensordnung zu verweigern, betonte der Bischof zu Beginn. Politisch, zivilgesellschaftlich und auch in der katholische Friedensethik.

„Das zentrale Paradigma der katholischen Friedensethik ist und bleibt der ‚gerechte Friede‘“, betonte Overbeck. Frieden verstehe sie als bleibende Aufgabe – als Prozess abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit durch Recht und Dialog. Die katholische Friedensethik sei nach wie vor eine prinzipienbasierte Prozessethik mit dem Ziel, zum Frieden zu befähigen und Wege zu einem gerechten Frieden vorzuzeichnen. Sie orientiere sich an Menschenwürde und Menschenrechten sowie an klassischen Sozialprinzipien wie Gerechtigkeit und Solidarität.

Die Spannung zwischen gewaltfreiem Handeln und der Möglichkeit legitimer Gewaltanwendung, die charakteristisch für die katholische Friedensethik ist, werde durch den Krieg in der Ukraine nun sehr konkret. Sie dürfe nicht einseitig aufgelöst werden. Vielmehr gehe es darum, zwischen radikalem Pazifismus und kriegsbegeistertem Militarismus zu zeigen, dass gerechtfertigte Standpunkte zwischen diesen Extremen eingenommen werden können.

Die Lehre vom „gerechten Krieg“ mit seinen traditionellen Prüfkriterien gerechter Grund, legitime Autorität und rechte Absicht seien als Beurteilungsmaßstäbe für eine zeitgemäße Friedensethik weiterhin bedeutsam. Auch angesichts der potenziell gewaltlegitimierenden Funktion und der gegenwärtigen waffentechnologischen und weltpolitischen Entwicklungen, die zu Recht problematisiert würden.

Die katholische Friedensethik erkenne durchaus das Recht auf Selbstverteidigung an. Solange die Gefahr von Krieg bestehe und alle friedlichen Möglichkeiten erschöpft seien, werde das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht abgesprochen. Wichtig sei die innere Haltung in der rechten Intention bei der Ausübung militärischer Gewalt und die Frage der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Gewalt. Die müsse von Situation zu Situation angemessen beantwortet werden. „Es geht darum, Wege aus dem Krieg (ex bello) zu finden. Das Ziel aller Bemühungen muss der Friede bleiben“, betonte der Militärbischof.

Die Antwort auf die Herausforderungen und Bedrohungen nach der Zeitenwende dürfe nicht auf eine materielle Aufrüstung verkürzt werden. Wichtig seien diplomatische Bemühungen, ein gesellschaftlicher Diskurs und der „moralische Kompass“ politischen und militärischen Handelns. „Die Anwendung von (Waffen-)Gewalt ist an strenge Kriterien gebunden und ist nur als Ultima Ratio ethisch erlaubt“.

Auch die Bergpredigt, die Gewaltfreiheit und Frieden betone und oftmals als verbindliche Autorität in den Diskurs eingebracht würde, dürfe nicht falsch ideologisiert werden, sondern sei in ihrer richtungsweisenden Kraft zu verstehen. Letztlich entlasse sie jeden Christen in die eigene ethische Verantwortlichkeit, die nur persönlich und individuell beantwortet werden könne.    

Das Prinzip der Gewaltfreiheit kann mit dem Anspruch konkurrieren, Menschen davor zu schützen, massivem Unrecht und brutaler Gewalt wehrlos ausgeliefert zu sein. „Im Wissen um diese Spannung ist die christliche Friedensethik als Prinzipienethik nach wie vor ein wichtiger Kompass, der uns hilft, Entscheidungen zu treffen“, betonte Bischof Overbeck. Wobei sie ist keine fertige Schablone sei, die sich einfach auf jede neue Frage und konkrete Situation anwenden ließe, um zu einer Lösung zu gelangen. Christliche Friedensethik sei vielmehr eine Ethik differenzierter Einzelfallanalyse und könne als Reflexionswissenschaft in der aktuellen Weltlage eine bedeutsame Rolle spielen.  

Ausgehend von der Keynote des Essener Bischofs wurde die Leitfrage „Kämpfen, ein neues Leitbild?“ unter verschiedenen Gesichtspunkten in Arbeitskreisen aufgegriffen und – auf die jeweilige Schulform bezogen – erweitert, vertieft und zur Diskussion gestellt. Den teilnehmenden Religionslehrerinnen und -lehrern wurden in sich anschließenden Arbeitskreisen vielfältige Impulse für die eigene Auseinandersetzung und für die Arbeit in der Schule angeboten.

Hier ganzen Impulsvortrag lesen