Solidarität und Zusammenhalt in großer Not

Impuls für Oktober von Sr. Martina Kohler SSpS, Eschweiler

Sr. Martina Kohler (6) (c) privat
Sr. Martina Kohler (6)
Datum:
Do. 26. Aug. 2021
Von:
Ordensbüro

Wir alle haben wohl noch die Bilder der Flutkatastrophe vom Juli dieses Jahres im Gedächtnis. Während die meisten von uns das Geschehen aus sicherem Abstand in den Medien verfolgt haben, waren andere sehr direkt betroffen.

So auch zahlreiche Menschen in der Stadt Eschweiler, wo ich als Seelsorgerin eingesetzt bin. Ganze Straßenzüge haben unter Wasser gestanden. Häuser, Wohnungen, und Geschäfte wurden überflutet, Autos einfach weggeschwemmt. In einer dramatischen Rettungsaktion musste das Krankenhaus evakuiert werden. Auf unserem kircheneigenen Friedhof brach ein ca. 50 m langes Stück der Außenmauer ein. Die Fluten bahnten sich in einer zerstörerischen Wucht ihren Weg. Nichts und niemand konnte sie aufhalten. Wohin sie kamen, hinterließen sie ein Bild der Verwüstung, eine Trümmerlandschaft und fassungslose Menschen. Zeitweise gab es in weiten Gebieten der Stadt weder Strom, noch Trinkwasser oder Telefon und Internet. Ältere Leute fühlten sich an Kriegszeiten erinnert.

Mich hat dieses Szenario sehr berührt. Nicht nur, weil ich als Seelsorgerin mit vielen betroffenen Menschen in Kontakt bin, denen der Schrecken noch in den Gliedern sitzt und deren Existenzgrundlage zerstört ist. Genauso erschreckend finde ich die Erkenntnis, dass solche Ereignisse von WissenschaftlerInnen als Auswirkungen des weltweiten, fortschreitenden Klimawandels gesehen werden. Wir alle müssen uns fragen, inwieweit wir mit unserem Lebensstil und Konsumverhalten dazu beitragen. Ich persönlich jedenfalls verstehe die Flutkatastrophe als einen ganz großen Weckruf in dieser Hinsicht.

Aber es gab Gott sei Dank auch eine andere Seite der Katastrophe, die unglaublich berührend war. In spontaner Hilfsbereitschaft und Solidarität unterstützten sich Menschen gegenseitig, packten mit an und waren einfach zur Stelle, wo eine helfende Hand gebraucht wurde. In einer betroffenen Straße erzählten mir die Leute, sie seien seit der Flut alle untereinander „per Du“. Ein Rentner kam mit seinem Grillwagen, den er „Die kleine Freiheit“ nennt. Betroffene und Helfer versorgte er kostenlos mit Pommes, Bratwurst und Kaltgetränken. Viele andere halfen mit Lebensmitteln oder Arbeitsgeräten. NotfallseelsorgerInnen waren vor Ort und hörten zu, spendeten Trost durch ihre Präsenz. Aus entfernten Teilen Deutschlands kamen zu unserer Überraschung großzügige Geldspenden bei uns an, durch die wir den Betroffenen schnell und unbürokratisch helfen können.

Inzwischen gehen Aufräumarbeiten und Wiederaufbau Stück für Stück voran. Dennoch sitzt der Schrecken noch tief. Viele Menschen leben im Provisorium und wissen nicht, wie sie die Instandsetzungen ihrer Häuser und Wohnungen finanzieren sollen. Das alles braucht Zeit. Geschäftsleute bemühen sich nach Kräften, ihre Läden nach der nötigen Grundsanierung möglichst bald wieder zu öffnen. Für manche Geschäfte bedeutete die Flut das endgültige Aus. Solidarität und Zusammenhalt sind auch weiterhin gefragt.

Sr. Martina Kohler SSpS