Erinnerungen in die Zukunft

Impuls für September von P. Dr. Albert Altenähr OSB, Aachen

Emmaus - Variation - fr a021 - Kreuz-Landschaft (c) privat
Emmaus - Variation - fr a021 - Kreuz-Landschaft
Datum:
Di. 23. Aug. 2022
Von:
Ordensbüro

Als ich Ende August 1962 meine ersten Gelübde ablegte, erbat ich mir von meinem Abt aus der Regel Benedikts das Lebensmotto „recto cursu = geradewegs (RB 73,4)“.

BildPaterAlbert
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Der Abt freute sich über meinen Profess-Schwung und enttäuschte mich mit dem – wie es mir damals erschien - eher langweiligen Regelwort „magis ac magis = mehr und mehr (RB 62,4), Schrittchen für Schrittchen, peu à peu“. Wie recht hatte er!

Um diese Worte des Anfangs legten sich im Laufe der Jahrzehnte weitere Worte, vor allem aus den Psalmen. Es sind Worte, die vom Glanz Gottes, von seinem unkaputtbaren Wohlwollen, von grenzsprengender Weite sprechen und mit ihren Andeutungen die Sehnsucht wach halten.

Mehr und mehr hat sich mir den einzelnen Schriftgedanken und -Worten das Grundverständnis hinterlegt, dass Gott, sein Wirken und sein Werk, zutiefst Dichtung und Mystik ist. Das will sagen, dass wir Gott und seiner Botschaft nicht gerecht werden, wenn wir ihnen mit der definierenden Such-Sucht nach ein-deutigen Ein- und Abgrenzungen begegnen, um sie dann irgendwann zu haben. Eine solche Klarheit schneidet die Offenheit ab, die zum Ausschreiten in das Dahinter einlädt.ö

Beispielhaft sei dazu die Frage erlaubt, ob Jesus tatsächlich das Vaterunser als Gebet gelehrt hat oder ob es nicht eher eine Schule über das Beten und im Beten ist. Die Jünger von Lk 11 fragen nicht nach einem neuen, vollkommenen Gebetstext. Sie fragen: „Herr, lehre uns beten …“ Das Vaterunser als exakt nachzuplapperndes Buchstabengeklapper ist nicht das, was die Jünger suchten und Jesus ihnen ans und ins Herz legte. Sie fragten nach der Melodie Gott im Beten Jesu.

Die jüdische Dichterin Nelly Sachs denkt, wenn ich es recht verstehe, über Gott und den Menschen mit einem eindrücklichen Bild in diese Richtung. Ihr Gedicht „Lange haben wir das Lauschen verlernt …“ ist mir seit mehr als 20 Jahren vertraut. Seine Eingangsverse lauten:

Lange haben wir das Lauschen verlernt!
Hatte Er uns gepflanzt einst zu lauschen
Wie Dünengras gepflanzt, am ewigen Meer,
Wollten wir wachsen auf feisten Triften,
Wie Salat im Hausgarten stehn.

Lauschen ..., wie Dünengras, am ewigen Meer …
So Christ sein, so Ordenschrist sein … Wow, das wär’s.

P. Dr. Albert Altenähr OSB