Den Weg ins Neue wagen - ein Osterwort von Sr. Henriette Mensen PIJ

Was Maria von Magdala und Clara Fey verbindet

Sr. Henritte Mensen PIJ (c) privat
Sr. Henritte Mensen PIJ
Datum:
Fr. 30. März 2018
Von:
Ordensbüro

Die Begegnung der Maria aus Magdala mit dem Auferstandenen ist eine sehr bedeutungsvolle Erzählung des Neuen Testamentes – und zwar deshalb, weil sich hier alles das widerspiegelt, was wir von unserem eigenen Leben her kennen:

suchen – aufbrechen – finden – loslassen – glauben – sich senden lassen

Weil sie Jesus liebte, war Maria aus Magdala am frühen Morgen zu seinem Grab gekommen. „Sie bückte sich und sah weinend ins Grab hinein, und obgleich sie wusste und sich überzeugt hatte, dass das Grab leer sei, forschte sie immer aufs Neue, gleich einem, der, einen verlorenen Schatz suchend, oftmals nach derselben Stelle hinblickt. Vom Grabe sich wegwendend, sah sie Jesus stehen, aber sie erkannte ihn nicht; denn unter den Lebenden suchte sie ihn nicht, sie konnte sich ihn nicht anders vorstellen als unter der Leidensgestalt im Grabe" (Betrachtung Clara Feys aus dem Jahr 1846). Doch als ihr Sehnen aufs Höchste gestiegen, spricht er, den sie sucht, nur ein Wort, aber ein ihr wohlbekanntes: „Maria!" Der Schleier fällt von ihren Augen, und der Herr steht vor ihr in der ganzen vollen Klarheit seiner Auferstehung. Nun erkennt sie Jesus durch die tiefe innere Beziehung, die er ihr geschenkt hat.

Diese Erfahrung, die Maria aus Magdala, die Liebende, machte, übersteigt bei Weitem die Vorstellungskraft eines Menschen. Sie kann nur im Glauben, im Vertrauen der Liebe angenommen und glaubwürdig bezeugt werden. Clara Fey schrieb 1846 in Anlehnung an diese Erfahrung: „Auch vor unseren Augen verbirgt der Herr sich oft. Sehen wir nur immer genau zu, überall können wir ihn finden. Freilich ist er unseren Augen meist verborgen, und nur selten und nie ganz in diesem Leben, lüftet er den geheimnisvollen Schleier, der ihn unseren Blicken entzieht. Hier muss der Glaube aushalten und nachhelfen, hier muss das Verlangen nach ihm sich steigern, hier muss die Liebe wachsen." Und so, im Glauben an die Auferstehung Jesu Christi, im Vertrauen der Liebe zu ihm und zu Gott, dem Vater, werden wir in diese Ostergeschichte mit hineingenommen.

Maria will Jesus, ihren auferstandenen Herrn, festhalten und nicht wieder mit leeren Händen, mit weinenden Augen dastehen. Aber weder Jesus noch die Begegnung mit ihm lassen sich, so wie sie es sich wünscht, festhalten. Maria muss ihre Verbindung zu Jesus in der bisherigen Form loslassen, aber darin darf sie Neues erleben. In ihrer Liebe zu Jesus, in ihrer Liebe zum Leben, zu dem sie von ihm befreit worden war, bekommt sie einen Auftrag, etwas, das sie neu erfüllt: „... Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich kehre jetzt heim zu meinem Vater, der auch euer Vater ist, und zu meinem Gott, der auch euer Gott ist!" (Joh 20,17). Damit wird ihr als Glaubenszeugin die Osterbotschaft anvertraut, und ohne dieses Aufbrechen und Gehen gibt es keine Erfahrung von Ostern, gibt es kein Leben. Darin wurde Maria aus Magdala ein Vorbild für alle Gläubigen, denen noch heute das Zeugnis von der Auferstehung Jesu Christi aufgetragen ist.

Auch gegenüber seinen Jüngern verbindet Jesus mit seiner österlichen Selbstoffenbarung nicht nur die Freude über das neue und ewige Leben, sondern vor allem auch eine Sendung. Er sendet seine Jünger „... in Jerusalem und Judäa, in Samarien und bis in die entferntesten Länder der Erde" (Apg 1,8), Zeugnis für ihn zu geben und damit Zeugnis für den Gott des Lebens, den er seinen und unseren Vater nennt. Wer Jesus als den Auferstandenen erkannt hat, lässt sich von ihm senden, weil die Botschaft von der Erlösung allen Menschen zugedacht ist.

Er ist mitten unter uns. Wo Jesus Christus die lebendige Mitte ist, da wird er auch bezeugt, da wird sein Wort gelebt, da lebt man aus der Kraft seiner Hingabe und Liebe, die uns in der Eucharistie immer neu geschenkt wird. Jesus nachfolgen heißt, bereit sein, das Vertraute loszulassen und aufzubrechen dorthin, wo das Verborgene schon enthüllt wird, aber noch nicht ganz offenbar geworden ist.

Clara Fey hat vorgelebt, was es heißt, den Weg ins Neue zu wagen. Sie erkannte und verwirklichte, was auch für unser Leben als Christen grundsätzlich gilt: Lebe wachsam und aufmerksam, um zu erkennen, wohin der Ruf Gottes für dein Leben dich führen will. Übe die Fähigkeit ein, zum richtigen Zeitpunkt loszulassen, was nicht mehr passend ist, und das wirklich zu verabschieden, was in deinem Leben vorüber ist. So schwer das Verabschieden und Loslassen auch immer sein mag, es ebnet erst den Weg, etwas Neues zu gewinnen und darin Erfüllung zu finden.

Der Bericht der Begegnung zwischen Maria aus Magdala und dem auferstandenen Jesus schenkt uns für unser Leben viele Einsichten und vor allem eine tiefe Gewissheit: Unser Weg führt zur Mitte, ins Zentrum des Lebens. Die Mitte – das Zentrum – sind nicht wir selbst. Wir treffen in der Mitte auf Jesus, der auch uns beim Namen ruft. Jesus ist mit uns auf diesem Weg, und in unserem tiefsten Inneren können wir ihm, dem Auferstandenen, begegnen. Er verheißt allem Zerbrochenen, scheinbar Verlorenen und Aufgegebenen in uns neues Leben.

Clara Fey blickt noch weiter über diese Erkenntnis hinaus: „Endlich aber wird die Stunde kommen, wo er uns beim Namen rufen wird, um uns hinüberzuführen in das Reich des Lichtes. Dann werden auch wir ihn von Angesicht zu Angesicht schauen und ohne Maß ihn lieben und ohne Ende ihn besitzen." Wir dürfen gewiss sein, dass über all unseren Wegen die goldene Sonne der Auferstehung leuchtet, und wenn wir unser irdisches Leben loslassen müssen, treffen wir auf den, der uns in unserer Einmaligkeit schätzt. Der Maßstab seines Urteils wird dann die Liebe sein.

Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter.
Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer.
Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.

Lothar Zenetti

Mögen wir alle an diesem Osterfest den Mut zum Glauben, die Kraft zur Hoffnung und das Wagnis der Liebe durch die Begegnung mit dem Auferstandenen vertiefen.

Sr. Henriette Mensen PIJ, Generaloberin der Schwestern vom armen Kinde Jesus.

Am 5. Mai 2018 wird die Gründerin der Kongregation, Clara Fey, in Aachen selig gesprochen.

Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 13/2018