Wo die Not Flüchtender ein Geschäftsmodell ist

Adveniatgast Lourdes Álvarez berichtete über die Arbeit mit Geflüchteten im Bistum Apartadó

Adveniatgast Lourdes Álvarez berichtete über ihre Arbeit in der Flüchtlingshilfe des Bistums Apartadó. (c) Thomas Hohenschue
Adveniatgast Lourdes Álvarez berichtete über ihre Arbeit in der Flüchtlingshilfe des Bistums Apartadó.
Datum:
Fr. 15. Dez. 2023
Von:
Thomas Hohenschue

Die Medien berichten häufig über Flüchtlingsströme in Lateinamerika Richtung Wohlstand und Sicherheit in den Vereinigten Staaten. In den Erzählungen von Lourdes Álvarez werden sie konkret, bekommen die Menschen Gesichter, ihr Leid wird sichtbar. Die Psychologin arbeitet in einem Brennpunkt der Fluchtwege, dem Golf von Urabá auf kolumbianischer und die angrenzende Urwaldregion Darién auf panamischer Seite.

Die Nöte sind unbeschreibbar: Weder die brutalen Schlepperbanden noch die lokalen Behörden kümmert ein Menschenleben. Die Flüchtenden hungern, erkranken, leben unter freiem Himmel oder in Zelten, haben keinen Schutz vor Gewalt. Sie werden ausgebeutet, missbraucht, werden zu kriminellen Handlungen gezwungen. Die Flucht durch den Dschungel ist hoch gefährlich, Familien werden getrennt, haben Angst. Kinder sterben.

Die Arbeit in der Flüchtlingshilfe des Bistums Apartadó ist hart. Manchmal muss die Psychologin aus einem Gespräch herausgehen, um nicht vor dem Klienten zu weinen. Ohne Druck durch die Kirche wäre den Flüchtenden der Zugang zu medizinischer Hilfe verwehrt. Suppenküche, Zelte, Beratung und medizinische Nothilfe für die verletzlichsten Gruppen wie Schwangere, Alte, Kinder - mehr geht zurzeit nicht. Adveniat unterstützt die Sozialpastoral beim Ausbau der Angebote.

Politisch benötigt die Situation viel Fingerspitzengefühl, berichtete Lourdes Álvarez in Aachen. Vor Ort ist Neutralität wichtig, um mit allen Parteien sprechen und etwas für die Menschen bewegen zu können. Im Bistum Aachen, das seit über 60 Jahren eine Partnerschaft mit der Kirche von Kolumbien pflegt, gibt es die Frage, ob die desolate Menschenrechtssituation im Nadelöhr von Urabá und Darién auf anderer Ebene eine politische Flankierung braucht.

Das Thema gewinnt angesichts stark steigender Flüchtlingszahlen an Bedeutung. Im letzten Jahr waren es bereits 400.000 Menschen, die den gefährlichen Weg wagten, um Gewalt und Perspektivlosigkeit in Venezuela, aber auch anderen Teilen Lateinamerikas und sogar der Welt, wie zum Beispiel Afghanistan, zu entkommen. Tendenz steigend. Adveniat (wie auch andere Hilfswerke) und die Engagierten in der Kolumbienpartnerschaft des Bistums Aachen nehmen das Thema im Rahmen der Adveniat-Weihnachtsaktion 2023 auf den Schirm. Deren Motto lautet "Flucht trennt. Hilfe verbindet."