Meine ersten drei Monate in Kolumbien

Clara Kriescher, Freiwillige bei "Fundación Concern Universal" berichtet aus Ibagué

Noah und Clara (c) privat
Noah und Clara
Datum:
Di. 12. Dez. 2023
Von:
Clara Kriescher

Für alle die, die mich noch nicht kennen: Hallo, ich bin Clara, 21 Jahre alt und in diesem Jahr die Freiwillige bei der Organisation "Fundación Concern Universal" in Ibagué, Kolumbien. Vorab würde ich gerne loswerden, dass es sich in diesem Bericht um meine persönlichen Erfahrungen handelt, die Erfahrungen einer jungen weißen Frau und ich die beschriebenen Situationen nicht stereotypisieren oder verallgemeinern möchte.

Mein FIJ begann mit einem einmonatigen Spanischkurs mit David und Noah, meinen Mitfreiwilligen, sowie unserem Sprachlehrer Luis Fernando an der privaten Universidad de Ibagué. Der Sprachkurs war sehr gut und hilfreich und ich habe durch unsere Unternehmungen auch einen ersten Überblick über die Stadt bekommen. Aber das Gefühl zu dritt in einem Raum zu sitzen, statt mit 25 anderen hat sich für mich sehr ungerecht angefühlt. Wir durften den Raum durch die Kontakte unseres Sprachlehrers einfach nutzen, aber normalerweise müssen die Eltern der Studierenden, oder die Studierenden selbst monatlich dafür bezahlen, damit sie an dieser Uni studieren können. Außerdem bin ich mir darüber bewusst geworden, dass es ein Privileg ist, eine neue Sprache lernen zu können.

Die Arbeit bei Concern Universal macht mir super viel Spaß. Ich arbeite im sozialen Bereich mit vielen verschiedenen Menschen, aber unterstütze auch beim Anlegen von Gemüsegärten.

Montagsmorgens starten wir in die Woche meistens mit einer reunión, also einer Teamsitzung. Bei dieser besprechen wir, was in der letzten Woche alles in und um die Organisation passiert ist. Und manchmal kommt es auch zu politischem Austausch, was ich sehr spannend finde. Anschließend besprechen wir dann, was alles in der kommenden Woche ansteht.

Montagsnachmittags kommt dann oft eine Gruppe älterer Menschen, denen wir unterschiedliche Aktivitäten anbieten. Über körperliche Übungen, Malen oder Basteln bis hin zu Flöte lernen ist alles dabei. Da bin ich auch immer gerne dabei und unterstütze an der ein oder anderen Stelle.

Mittwochs- und freitagsnachmittags sind Kinder und Jugendliche bei Concern, bei denen ich zu Beginn eher selbst als Teilnehmerin agiert habe, aber mittlerweile auch das ein oder andere Warm-Up übernehme. Im Moment arbeiten wir zum Thema Klimakrise bzw. Klimaschutz und setzen das natürlich in Verbindung mit den Gemüsegärten.

Außerdem habe ich im September und Oktober viel mit Kindern und Jugendlichen hier aus dem Viertel Englisch geübt. Dafür brauchte ich viel Vorbereitungszeit, weil englische Grammatik auf Spanisch erklären gar nicht mal so einfach ist für mich.

Bei den Gemüsegärten helfe ich auch super gerne mit und nach anfänglichen Schwierigkeiten wachsen und gedeihen die Pflanzen jetzt auch.

Wenn ich etwas nicht verstehe oder nicht weiß, wie ich es im Spanischen ausdrücken kann und wenn ich Unterstützung brauche, kann ich immer alle aus dem Team fragen. Ich freue mich schon auf einen der nächsten Berichte, wenn ich schreiben kann, dass ich besser im Spanisch Sprechen und Verstehen geworden bin. Aktuell bin ich nämlich nach einem ganzen Tag Spanisch oft noch sehr müde und erschöpft.

Natürlich vermisse ich an manchen Tagen meine Familie und Freund*innen. Und es ist auch nicht immer einfach, mit schwierigen Situationen umzugehen, vor allem, weil ich mich und meine Gefühle nicht so gut auf Spanisch ausdrücken kann. Trotzdem sind das dann Herausforderungen, die ich gerne annehme und Situationen, an denen ich viel wachse und lerne.

Jetzt gerade, wo ich nochmal über meinen Bericht nachdenke, sitze ich im Bus von Líbano nach Ibagué. Es ist 18 Uhr und die Sonne ist fast untergegangen. Aus den Fenstern kann ich die Umrisse der Berge vor dem rosa-orangenem Himmel sehen und die letzten drei Monate nochmal so richtig Revue passieren lassen.

Ich bekomme das Gefühl, dass ich mich mit diesem freiwilligen, internationalen Jahr (FIJ) in ein kleines Abenteuer gestürzt habe. Einfach mal in ein mir neues und unbekanntes Land ziehen und dort arbeiten. Ganz nach dem Motto: Nicht zu viel nachdenken, einfach mal ausprobieren und machen.

Wobei mir das mit dem "nicht zu viel nachdenken" im Vorhinein nicht so leichtgefallen ist, denn ich hatte viele Zweifel und Unsicherheiten in Bezug auf das FIJ.

Zum Beispiel wusste ich nicht, inwieweit ich ein FIJ mit einem katholischen Verband, also dem BDKJ, machen möchte. Und ich sehe es sehr kritisch, dass das Bistum Aachen ein sogenanntes "Partnerschaftsland" im globalen Süden hat. Denn ich habe mich gefragt, wie viel Partnerschaft da wirklich hinter steckt, wenn das klitzekleine Bistum Aachen eine "Partnerschaft" mit einem großen Land wie Kolumbien hat. Alleine die Fläche von Kolumbien ist ca. dreimal so groß wie die Deutschlands.

Laut Wikipedia handelt es sich bei einer Partnerschaft um eine "gemeinschaftliche Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Gruppierungen, Organisationen oder politischen Einrichtungen, die auf mehreren Ebenen wirken kann".

Dazu gehört für mich auch, dass nicht nur Jugendliche aus Deutschland die Chance bekommen, ein FIJ in einem anderen Land zu machen, sondern dass auch Jugendliche in Kolumbien diese Möglichkeit haben. Ideen an den BDKJ meinerseits sind: Kommt doch (nochmal) mit den Partnerorganisationen ins Gespräch über eine gerechte Gestaltung der Partnerschaft. Nehmt die Ideen und Perspektiven wahr und ernst. Und gehört dann nicht auch zur Partnerschaft dazu, alles für diese Ideen und Vorschläge zu tun und sich dafür einzusetzen?

Aber eine ganz zentrale Frage, die ich mir selber oft stelle, ist: Wie kann ich persönlich meinen Freiwilligen-Dienst gerechter gestalten. Nach den Antworten suche ich noch oft. Aber Gespräche, Zuhören und in den Austausch kommen, sind glaub ich schon mal erste Schritte.

Trotz all dieser Unsicherheiten und Widersprüche, bin ich nun seit drei Monaten in Kolumbien und genieße die Zeit und Erfahrungen, die ich hier machen darf, auch wenn diese Ungerechtigkeiten, die mir auch im alltäglichen Leben begegnen, oft schwer auszuhalten sind.

So ein FIJ kostet natürlich auch Geld. Nicht direkt für mich, aber der BDKJ finanziert das ganze mit. Und wenn ihr dieses FIJ unterstützen wollt, würde ich mich da sehr drüber freuen.

Schaut doch einfach mal auf der Webseite des BDKJ's vorbei, da findet ihr alle Infos.

Clara