BDKJ solidarisch mit Protestbewegung

Diözesanversammlung nimmt zu Kolumbien Stellung

Logo des BDKJ Aachen
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Datum:
Do. 24. Juni 2021
Von:
BDKJ Aachen

Aachen, 14.06.2021. Mit den Protestierenden in Kolumbien hat sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Aachen auf seiner Diözesanversammlung am vergangenen Wochenende solidarisiert. Kolumbien, seit den 1960ern das Partnerland des Bistums Aachen, ist derzeit geprägt von massiven sozialpolitischen Spannungen und Verletzungen des Friedensabkommens zwischen der Regierung, Paramilitärs und Guerilla-Gruppen.
Darüber hinaus legte die Versammlung Ziele für die konkrete Partnerschaftsarbeit mit zwei Organisationen in Kolumbien fest, zu denen der BDKJ seit 2013 jedes Jahr Freiwillige im Rahmen eines  Freiwilligendienstes entsendet. Die Freiwilligendienste 
machen den interkulturellen, soziokulturellen und politischen Austausch erlebbar und gestalten die Partnerschaft.

Die Friedensverhandlungen unter dem ehemaligen Präsident Santos und das daraus resultierende Friedensabkommen aus dem Jahr 2016 ließen die Kinder- und Jugendverbände neue Hoffnungen für Kolumbien schöpfen. Nach über 50 Jahren innerkolumbianschem, bewaffnetem Konflikt zwischen der Regierung, Paramilitärs und Guerilla-Gruppen wurden im Friedensabkommen Regelungen in Bezug auf die gerechte Landverteilung, Soziale Gerechtigkeit und Versöhnung getroffen.
Während der Friedensverhandlungen zwischen 2012 und 2016 ist die Gewalt in Kolumbien, besonders auch gegen Sozialaktivist*innen, zurückgegangen.

Nicht eingehaltenes Friedensabkommen, Missstände und Morde lösen Massenproteste aus

Seit der Wahl Duques zum Präsidenten im Jahr 2018 verschlechterte sich die sozialpolitische Situation im Land jedoch drastisch. Duque lehnte das Friedensabkommen schon vor seiner Wahl ab. 
Seit er im Amt ist, wird die Umsetzung verzögert und Beschlüsse des Abkommens systematisch nicht eingehalten. Vor allem der Schutz der Ex-Guerilleros der ehemaligen Guerilla-Gruppe FARC-EP ist wird nicht gewährleistet. Allein im Jahr 2020 wurden 64 
und im laufenden Jahr 2021 bereits 23 ehemalige FARC-EP Kommandeure, die das Friedensabkommen unterzeichnet hatten, ermordet.

Seit 2018 haben auch die Bedrohungen gegen Sozial- und Umweltaktivist*innen stark zugenommen und die Anzahl der ermordeten Aktivist*innen nimmt weiter zu: 298 (2018), 279 (2019), 310 (2020).
Bereits Ende 2019 kam es zu großen Massenprotesten gegen die Politik von Duque und für die Einhaltung des  Friedensabkommens, Schutz für Aktivist*innen, aber auch gegen Soziale Ungerechtigkeit und die allgegenwärtige Korruption (Platz 92 im Korruptionswahrnehmungsindex).
Diese Massenproteste fanden im März 2020 ein Ende, nicht zuletzt wegen der aufkommenden Corona-Pandemie. Anstöße und Veränderungen in der Sozialpolitik durch die Proteste konnten jedoch leider nicht erreicht werden.

Corona-Pandemie verschlechtert Lebenssituation vieler Kolumbianer*innen

Seit dieser Zeit stellt die Pandemie viele Kolumbianer*innen vor extreme alltägliche Herausforderungen: Etwa die Hälfte der kolumbianischen Bevölkerung arbeitet im sogenannten informellen Arbeitssektor, der aufgrund der Pandemie und den 
Eindämmungsmaßnahmen extrem eingeschränkt ist.

Die ökonomische Lage vieler Menschen ist prekär und hat essentielle Auswirkungen auf ihre Lebensrealität. Der Anteil jener, die extrem von Armut betroffen sind, ist enorm. Jugendarbeitslosigkeit, schlechte Bildungschancen und die Privatisierung des 
Bildungssektors benachteiligen besonders die jungen Generationen Kolumbiens. Es fehlt an staatlichen Hilfen, um die fehlenden Löhne zu kompensieren, an Unterstützungsprogrammen in Bereichen der Bildung und Familienbegleitung, Digitalisierung und Gesundheit.

Vor diesem Hintergrund gehen seit dem 28. April 2021 in Kolumbien wieder Menschen auf die Straße. Darunter sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, um ihrer Unzufriedenheit mit der aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Situation 
Ausdruck zu verleihen.

Geplante Reformen lösen Generalstreik aus

Der konkrete Auslöser für diesen Generalstreik war die Reform des Steuerrechts, welche die ökonomische Benachteiligung besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen noch weiter verstärkt hätte. Diese Steuerreform wurde zwar mittlerweile zurückgezogen, doch die Proteste halten an. 
Die Gründe sind zahlreich: Wie bereits dargestellt ist die ökonomische und soziale Situation vieler Kolumbianer*innen durch die Corona-Pandemie zunehmend prekär. Kritisiert wird auch die neu angekündigte Gesundheitsreform, welche den Zugang zur Gesundheitsversorgung für den Großteil der Bevölkerung verschlechtert und einer Privatisierung des Gesundheitssystems gleich kommt. Vorsorgemaßnahmen, gesundheitliche Aufklärung sowie das ganzheitliche Verständnis von Gesundheit werden 
abgeschafft.
Stattdessen steht ausschließlich die akute Behandlung von Krankheiten im Vordergrund. Auch die bereits erwähnten Verstöße gegen das Friedensabkommen von 2016, die anhaltende Ermordung von Menschenrechts-, Sozial- und Umweltaktivist*innen und 
Polizeigewalt gegen Zivilist*innen sowie die im Zuge der Proteste begonnene Militarisierung der Städte tragen dazu bei, dass der Generalstreik fortgesetzt wird. Dadurch sind, neben den ohnehin bewaffneten Polizist*innen, auch Soldat*innen mit 
Kriegswaffen und Panzern während den Protesten präsent.

Massive Menschenrechtsverletzungen bei Protesten

Bei den anhaltenden Protesten kommt es zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegen Demonstrant*innen durch die Polizei und das Militär. Dabei wurden zwischen dem 28. April und dem 7. Mai mindestens 47 Menschen getötet und viele willkürlich verletzt. Es wurden über 500 Personen verschleppt und beinahe 1000 verhaftet. Ihre Aufenthaltsorte sind weiterhin unbekannt. Auch sind 12 Fälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen während der Proteste dokumentiert.

Diese Ereignisse werden durch die aktuelle Regierung nicht verurteilt. Sie reduziert die Proteste auf Vandalismus und bezeichnet die Protestierenden unter anderem als “Stadt-Terroristen”. Dadurch wird das menschenverachtende Vorgehen durch die Polizei und das Militär zusätzlich bestärkt.

BDKJ unterstützt Forderungen der Demonstrierenden

Die katholischen Kinder- und Jugendverbände im Bistum Aachen verurteilen die Gewalt gegen Demonstrant*innen und fordern ihre lückenlose Aufklärung. Sie unterstützen die Forderungen der Protestbewegung:

  1. Die Rücknahme des Entwurfs zur Gesundheitsreform und die Beschleunigung des Impfprozesses.
  2. Bedingungslose Grundsicherung in der Mindesthöhe des gesetzlich geregelten Mindestlohnes.
  3. Schutz der regionalen Produktion (landwirtschaftlich, gewerblich, handwerklich, kleinbäuerlich). Subventionen für Kleinstunternehmen sowie eine Politik für Ernährungssouveränität und -sicherheit.
  4. Erlass der Studiengebühren für Studierende aus Familien mit niedrigem Einkommen und Stopp der Umstrukturierung des Bildungssektors.
  5. Gegen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sexueller Orientierung und ethnischer Herkunft.
  6. Stopp der zunehmenden Privatisierungen und Rücknahme der Arbeitsmarktreform (Dekret 1174).
  7. Stopp des Einsatzes von Glyphosat im Kampf gegen den illegalen Drogenanbau, da Umweltschäden und gesundheitliche Schäden für Menschen.

Weitere Anträge rund um das Thema Globale (Un-)Gerechtigkeit wurden auf der Diözesanversammlung thematisiert und beschlossen. So fordert der BDKJ die Regierungen Deutschlands und der EU auf, sich ihrer globalen Verantwortung bewusst zu werden und sich für die gerechte Verteilung von Impfungen einzusetzen. Außerdem beschlossen sie, zukünftig alle Nestlé-Produkte von Veranstaltungen und Versammlungen zu verbannen und einen öffentlichkeitswirksamen Nestlé-Boykott zu beginnen. Hintergrund sind der unverantwortliche Umgang des Konzerns mit der Umwelt und Missstände bei den 
Arbeitsbedingungen von Mitarbeitenden im Globalen Süden.

 

Der BDKJ ist ein Dachverband katholischer Kinder und Jugendverbände in Deutschland. Im Bistum Aachen vertritt der BDKJ Diözesanverband Aachen die Interessen von 11 Kinder- und Jugendverbänden mit insgesamt rund 42.500 Kindern und Jugendlichen in Kirche, Staat und Gesellschaft.