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Fahrradwerkstatt und Pau(l)lädchen sind in Mühlfort genau an der richtigen Stelle:„In zehn Jahren haben wir an die 1000 Fahrräder herausgegeben“.

Bischof Dr. Helmut Dieser besucht das Pau(l)lädchen
Datum:
Mi. 17. Sept. 2025
Von:
Abteilung Kommunikation

Seit mehr als zehn Jahren leisten Ehrenamtliche rund um die Kirche St. Paul in Mülfort beeindruckende Hilfe für Menschen in finanziellen Notlagen. Im Pau(l)lädchen erhalten Bedürftige Lebensmittel und Kleidung, während die Fahrradwerkstatt bereits rund 1000 Räder für kleines Geld an Menschen ohne Mobilität weitergegeben hat. Besonders bemerkenswert: Viele Flüchtlinge engagieren sich selbst ehrenamtlich und helfen mit. Rund um die Kirche St. Paul in Giesenkirchen-Mühlfort befindet sich eine große Arbeitersiedlung, die in den 1960-er Jahren für die Textilindustrie entstanden ist. Auch heute leben hier noch viele Arbeiterfamilien mit geringem Einkommen. 500 Meter weiter ragt ein Komplex aus elf Hochhäusern empor. Es ist der sogenannte Wohnpark am Römerbrunnen, ein sozialer Brennpunkt, in dem sozial schwache Bewohnerinnen und Bewohner aus den unterschiedlichsten Ländern leben. „Da gibt es viele Menschen, die in Not sind. Deshalb ist das Pau(l)lädchen mit seiner Lebensmittelausgabe, der Kleiderkammer und der Fahrradwerkstatt genau die richtige Antwort auf die Bedürfnisse der Menschen hier im Viertel“, berichtet Pfarrer Achim Köhler. Die Fahrradwerkstatt befindet sich im Keller des ehemaligen Pfarrhauses neben der Kirche. Hier gibt es alles, was zu einer professionellen Fahrradreparatur gebraucht wird: Werkzeuge und Ersatzteile, bestens sortiert an der Wand und in den Regalen. Kundinnen und Kunden mit geringem Einkommen, die Hilfe bei der Reparatur ihres Fahrrads benötigen, wird hier geholfen.

Die Hauptarbeit: gebrauchte Fahrräder wieder verkehrstauglich zu machen

„Die müssen eine Bescheinigung der ARGE mitbringen. Wir kommen sonst in Konflikt mit den ortsansässigen Fahrradwerkstätten“, erzählt ein ehemaliger KFZ-Meister, der mit vier weiteren Engagierten den Laden am Laufen hält. Ihre Hauptarbeit besteht darin, gebrauchte Fahrräder wieder verkehrstauglich zu machen und sie für zehn Euro an Menschen zu vergeben, die sich kein Fahrrad leisten können. „Inzwischen kommen viele Berufsanfänger, die keinen PKW haben und die ein zuverlässiges Fahrrad für die Arbeitsstelle brauchen“, berichtet er. Auch und besonders für Flüchtlinge ist Mobilität ein großes Thema, denn mit einem Fahrrad können sie leichter einkaufen oder schneller zu Behörden kommen. „In zehn Jahren Jahren haben wir an die 1000 Fahrräder herausgegeben“, erzählt Manfred Buntfuß. Viele sind rund um St. Paul unterwegs, einige gingen zum Aufnahmezentrum in Hardt, andere sogar nach Nigeria und Ghana. Die Werkstatt ist jeden Montag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Besonders Kinder kommen oft vorbei, wenn ihr Rad beispielsweise einen Platten hat. Auch eine Schul-AG war schon im Keller zu Besuch und bei der 72-Stunden-Aktion hat die Fahrradwerkstatt ebenfalls tatkräftig unterstützt.

 Das Ziel: Menschen in schwierigen finanziellen Situationen helfen

Im März 2013 fing das Projekt Pau(l)lädchen mit einer Lebensmittelausgabe an. Ehrenamtlich Engagierte hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in schwierigen finanziellen Situationen zu helfen. Mitbürgerinnen und Mitbürger, die im Gebiet Giesenkirchen, Dohr, Mülfort, Meerkamp und Schelsen wohnen, soll durch die Abgabe von Grundnahrungsmitteln und Kleidung geholfen werden. Kundinnen und Kunden müssen sich mit Renten- oder dem Bewilligungsbescheid zum Bürgergeld bzw. zur Sozialhilfe ausweisen, dass sie nur geringe Einkünfte beziehen. „Und wenn Sie dann sehen, was auf dem Schein steht, dann wissen Sie schon: da kommt keiner mit rund“, erzählt Marlies Buntfuß. Deshalb können sie für kleines Geld im Pau(l)lädchen einkaufen und erhalten die Kleidung gratis. Jede zweite Woche hat das Lädchen mittwochs und donnerstags geöffnet. Rund 20 Gäste werden pro Termin bedient, hinter denen oftmals Familien mit bis zu acht Kindern stecken. Marlies Buntfuß und ihr Mann Manfred sowie zehn weitere Engagierte gehören zum Team. Basima ist eine weitere wichtige Stütze, denn 70 bis 80 Prozent der Kundinnen und Kunden sprechen kaum oder nur gebrochenes Deutsch. Basima hingegen spricht gleich mehrere Sprachen und kann oftmals übersetzen. Auch Masoud, der aus Syrien flüchten musste, ist mit dabei. Er hat sich von Anfang an in der Flüchtlingshilfe engagiert. „Wir haben hier viel bekommen. Deshalb möchte ich heute auch etwas machen“, erzählt er.

„Wir finanzieren uns ausschließlich über Spenden“

Doch das reicht nicht: In vielen Gemeinden haben sich zusätzlich kleine Läden für Bedürftige etabliert. Zwei Mal in der Woche macht das Paullädchen in der Gemeinde Mülfort (GdG Giesenkirchen) seine Türen auf. Etwa 40 bis 50 Familien werden hier mit Lebensmitteln versorgt. Die Preise liegen 50 Prozent unter dem Ladenpreis. Manche Lebensmittel sind gespendet worden, die meisten haben die Ehrenamtlichen gekauft. „Wir finanzieren uns ausschließlich über Spenden“, sagt Manfred Buntfuß. Er gehört zum Team der Ehrenamtlichen, die im Paullädchen arbeiten. 2013 wurde das Paullädchen von vier ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern gegründet. „Die Idee ist entstanden, weil uns aufgefallen ist, dass in Mülfort viel Altersarmut herrscht“, sagt Buntfuß. Immer wieder hätten Menschen an der Tür des Pfarrhauses geklingelt und um Spenden gebeten. „Wir haben gedacht, dass wir da etwas unternehmen müssten“, sagt Buntfuß.

Probleme zwischen den Kunden gibt es nicht.

Als das Paullädchen eröffnete, sei der Kundenstamm schnell auf 20 bis 30 Familien angewachsen. „Als 2015 die Flüchtlinge kamen, stieg die Zahl der Kunden zeitweise auf mehr als 100 Personen pro Ausgabetag an“, berichtet Buntfuß. Die Zahl sei wieder zurückgegangen. Vor allem Alleinerziehende und ältere Menschen kämen nun. „Mehr als 80 Prozent sind Migranten“, sagt Buntfuß. Probleme zwischen den Kunden gebe es nicht. Den Grund dafür sieht Buntfuß in dem Aufenthaltsraum, den das Paullädchen hat. Hier warten die Kunden, trinken einen Kaffee und kommen miteinander ins Gespräch. Daraus sind auch schon neue Angebote entstanden: Die Fahrradwerkstatt zum Beispiel, in der Flüchtlinge alte Drahtesel reparieren, die dann gegen einen Obulus von zehn Euro weitergegeben werden.

Dass die Kunden etwas zahlen, hat zwei Gründe: Zum einen wird so ein Teil der Materialien finanziert, zum anderen holt diese Praxis die Kunden aus der Rolle der Almosenempfänger heraus. „Auch bei der Ausgabe der Lebensmittel helfen Flüchtlinge mit, packen die Taschen, räumen die Regale ein, helfen beim Einkaufen und dolmetschen für uns“, berichtet Buntfuß.

Die Frage wird aufgeworfen, wie die Gesellschaft mit Ehrenamtlichen umgeht

Ähnlich wie in Mülfort ist auch das Hanneslädchen in der Gemeinde St. Johannes (GdG Rheydt-West) organisiert. Auch er wurde vor fünf Jahren eröffnet. „Wir haben mehr Kunden als früher“, stellt Gemeindereferent Roland Weber fest. Pro Einkaufstag kommen etwa 80 Frauen und Männer, vorwiegend mit Migrationshintergrund. „Verändert hat sich, dass sie sich mitunter draußen zanken“, sagt Weber. Das Hanneslädchen-Team hat den Zugang daraufhin mit Absperrungen wie an einem Flughafen geordnet. Dennoch kommen die Ehrenamtlichen mitunter an ihre Grenzen. „Es geht immer wieder darum, dass wir ein gutes Miteinander haben und wie wir damit umgehen“, sagt Weber. „Dazu treffen wir Absprachen im Team.“

Die Diskussion um die Essener Tafel werfe die Frage auf, wie die Gesellschaft mit den ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern umgehe. Die dürfe man nicht einfach alleine lassen. „Wir treffen uns regelmäßig mit allen Projektgruppen und reflektieren unsere Arbeit“, sagt Weber. Ehrenamtliche brauchten auch Unterstützung.

Flüchtlinge engagieren sich in vielen verschiedenen Projekten ehrenamtlich

Der Aspekt der Integration sei bei den Angeboten wichtig, finden die Verantwortlichen des Vereins Amos in Heinsberg-Oberbruch. Vor 13 Jahren hat der Verein den Amos-Laden eröffnet, der nach dem Tafel-Prinzip arbeitet. An drei Tagen werden hier gespendete Lebensmittel an Arme und Arbeitslose abgegeben. Diese Tafel war eine der ersten Angebote dieser Art im Kreis Heinsberg. Aber allein die Lebensmittelabgabe reicht nicht, um den Menschen zu helfen. Der soziale Kontakt mit anderen, die Integration und die Beratung seien wichtige Pfeiler, um die Kunden zu unterstützen.

Deshalb hat das Team von Anfang an das örtliche Pfarrheim als Standort ausgewählt. Neben dem Laden befindet sich ein Arbeitslosenzentrum. Wie das Hanneslädchen in Rheydt Teil eines Quartiertreffpunkts mit verschiedenen Angeboten ist, wird auch bei Amos die Möglichkeit zur Begegnung und Unterstützung für Flüchtlinge und andere Rat- und Hilfesuchende angeboten. Während der Öffnungszeiten des Lebensmittelladens öffnet das Café International im Arbeitslosenzentrum. Das gegenseitige Kennenlernen hat dazu geführt, dass sich Flüchtlinge und andere Bedürftige ehrenamtlich in Projekten engagieren.