Ulrike Purrer beendet ihren Einsatz als Laienmissionarin in Tumaco:Hoffnung, Verzweiflung, Neuanfänge

Nachdem sie im Dezember noch mit zwei Teamern aus dem Centro Afro als Adveniat-Kampagnengast in Aachen zu Besuch war, hat Ulrike Purrer im Mai nach 13 Jahren ihren Einsatz in dem von den Comboni-Missionaren gestarteten Jugendzentrum Centro Afro Juvenil in Tumaco an der kolumbianischen Pazifikküste beendet.
In ihrem Abschiedsrundbrief zieht sie noch einmal Bilanz ihrer intensiven Zeit dort: "Dreizehn Jahre lang war ich irgendwie eins mit dieser Stadt, mit meinem Holzhäuschen, natürlich mit dem Centro Afro und den vielen, vielen Menschen, denen ich begegnen, von denen ich lernen und die ich begleiten durfte. Noch nie habe ich an einem Ort so lange gelebt, mich noch nie so bewusst und intensiv eingelassen - nicht zuletzt auch auf die Comboni-Missionare, die meine Familie waren (mit allen Stärken und Schwächen einer normalen Familie), und auf die katholische Kirche, die mir - trotz und mit allem - Heimat geworden ist. Deshalb fühlt es sich derzeit auch noch so an, als ob ein ganz existenzieller Teil von mir selbst in Tumaco zurückgeblieben wäre - und das, obwohl in all den Jahren natürlich auch nicht alles nur schön und einfach gewesen ist. Aber es war trotzdem gut, und ich würde es jederzeit wieder tun."
Dass ihr Einsatz dort einmal enden wird, war ihr immer klar: "Wir Missionare/Entwicklungshelfer kommen eben nicht, um zu bleiben, sondern um für eine gewisse Zeit mit Haut und Haar einzutauchen und alles zu geben, um bei den Menschen zu sein und mit ihnen kreative, ermächtigende Prozesse anzustoßen, diese jedoch nie von uns abhängig zu machen. Nach einer gewissen Zeit der Reife dürfen wir wieder Abschied nehmen und darauf vertrauen, dass die gemeinsam ausgebrachte Saat aufgehen wird."
Das kolumbianische Leitungsteam, so die deutsche Theologin und Straßenpädagogin, wird weiter gute Arbeit machen: "Das Team ist wirklich sehr kompetent, wunderbar eingespielt und ordentlich vernetzt. Jenny ist und bleibt die gute mütterliche Seele des Hauses, Diana unsere breit aufgestellte Kunst- und Kulturexpertin, Neisy - inzwischen mit Studienabschluss zurück in Tumaco - unsere Psychologin und erfahrene Jugendbegleiterin, und Leonardo verantwortlich für die Instandhaltung des Centro Afro, aber auch für die Buchhaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Begleitung der Jugendgruppen. Tja, und wenn dann alles läuft, heißt es eben loslassen und Abschied nehmen, auch wenn es noch so schwerfällt."
Nach 13 Jahren sind viele intensive Beziehungen gewachsen, die bei einem Überraschungsfest zu Purrers Abschied im Centro Afro noch einmal besonders greifbar wurden: "Vor meinem inneren Auge tauchen die unglaublichsten Erinnerungen auf, und es scheint so ziemlich alles, was es zwischen Himmel und Erde gibt, dabei gewesen zu sein: Hoffnung und Verzweiflung, Neuanfänge und Perspektivlosigkeit, (Fehl-)Geburten, Taufen und viel zu viele Beerdigungen, wochenlange Stromausfälle und gemeinschaftliches Graben von Wasserleitungen, dramatische Bootsunfälle und unvergessliche Auftritte unserer jungen Künstler, Ratlosigkeit angesichts von Psychosen und menschlichen Abgründen, aber auch würdige Schul- und Uniabsolventen, unzählige Workshops und persönliche Fortschritte vieler Jugendlicher, endloses Ringen mit den kirchlichen Hierarchien, aber auch wunderbar unkonventionelle Gottesdienste, schlaflose Nächte aufgrund von Nachbarspartys, Lecks im Wellblechdach oder Kugelhagel und am nächsten Tag doch wieder ganz herrliche Umarmungen und strahlende Kinderaugen... Ja, es war ein Einsatz in guten wie in schlechten Zeiten, und so war die Abschiedsfeier ein nahezu überwältigender Moment des gegenseitigen Dankens."
Wie es für Ulrike Purrer weitergeht? "Ich selbst werde mich in den kommenden Wochen wohl erst einmal etwas ordnen, sammeln und vielleicht auch ein bisschen neu erfinden müssen. Sicher liegt darin auch eine große Chance, denn jedem Neuanfang wohnt ja bekanntlich ein Zauber inne, aber etwas Zeit werde ich dafür bestimmt brauchen. Ab Juni werde ich für eine Weile in Deutschland sein, ehe dann eine ganz neue, spannende Mission - am anderen Ende Kolumbiens, knapp 2.000 km entfernt von Tumaco - auf mich wartet."