Eine Reise zu Zeiten der Corona-Krise

Graffiti-Kunst in Kolumbien (c) Birgit Esser
Graffiti-Kunst in Kolumbien
Datum:
Di. 9. Juni 2020
Von:
Carina Delheit

Der Titel auf dem Flyer „Mehr als Kaffee, Krieg und Koka“ klang vielversprechend. Bisher meist als passionierte Individualtouristen unterwegs weckte diese Studienreise der Bischöflichen Akademie und des evangelischen Erwachsenenbildungswerks nach Kolumbien sofort unser Interesse. Neben der Vielfalt der Landschaften und der Kulturen, sollen sich die Teilnehmer/innen mit der Geschichte Kolumbiens, den Lebensbedingungen dort, sowie der kirchlichen Situation durch Begegnungen mit Menschen an besonderen Orten und in unterschiedlichen Regionen auseinandersetzen können.

Ab dem 10. März machten wir mit einer zehnköpfigen Gruppe aus Aachen und vom Niederrhein auf den Weg, das südamerikanischen Land kennenzulernen. Trotz der sich andeutenden Corona-Pandemie mit „Hot Spots“ in Italien und Heinsberg prognostizierte das deutsche Reiseunternehmen für unsere Rundreise keine Probleme.

Beim Abflug am Frankfurter Flughafen allerdings war der Reiseverkehr für uns deutlich ersichtlich schon eingeschränkt. Leichthin dachten wir noch, dass sich nach unserem Aufenthalt in Kolumbien die Lage in Deutschland wieder stabilisiert haben würde. Die Freude auf ein unbeschwertes Reisevergnügen lockte.

Doch es kam anders. Bei Ankunft wurde im Flughafen Bogotá bei allen Einreisenden die Körpertemperatur gemessen und im Hotel empfing man uns an der Rezeption bereits mit Mundschutz. Uns war es fast peinlich, aus Europa zu kommen und im Verdacht zu stehen, einen Virus einzuschleppen.

Doch schon bald waren wir relativ unauffällige beim Sightseeing unterwegs. Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes in der kolumbianischen Hauptstadt besuchten wir die Schwestern vom armen Kinde Jesus. Für uns ein Highlight in Bogotá. Der sehr herzliche Empfang der Schwestern, das unaufgeregte Erzählen über die Entwicklung des Ordens in Südamerika sowie das Wirken der Schwestern in der Schule und den sozialen Projekten beeindruckten uns nachhaltig. Später in der Gruppe kam es zu einem regen Austausch über das Erlebte.

Am Nachmittag stand der Besuch bei Mitgliedern der deutschsprachigen evangelischen und katholischen Gemeinde in Bogotá auf dem Programm. Die Pfarrerin begrüßte uns mit den Worten, dass sie eigentlich keine Reisegruppe wegen Corona empfangen dürfte. Dass diese Anweisung von der Leitung der Deutschen Schule kam, in der die Pfarrerin auch unterrichtete, verunsicherte uns ein wenig und wir fühlten uns nicht wirklich willkommen - ganz im Gegensatz zu dem vorhergehenden Besuch bei den Schwestern, wo man sich vielleicht noch nicht mit den Folgen von COVID 19 auseinandergesetzt hatte.

Die überwiegend älteren Gemeindemitglieder und wir nahmen die Warnung und Sorgen der Pfarrerin zur Kenntnis und versuchten, die nötigen Distanzen einzuhalten. Die interessanten Erzählungen über die bewegten Biographien der deutschstämmigen Gemeindemitglieder und der rege Austausch darüber ließen uns beim Abschied die Vorsicht (leider!?) vergessen. Mit herzlichen Umarmungen trennten wir uns, mit dem gegenseitigen Wunsch, die Corona-Epidemie gesund zu überstehen.

Auch am folgenden Tag waren wir noch unbesorgt. Die Weiterreise in den wunderschönen Ort Villa de Leyva bescherte uns eine entspannte Zeit, ohne dauernd an Corona zu denken. Doch schon auf der Rückfahrt zum Flughafen nach Bogotá, von wo die Reise am Tag darauf in die Kaffeeregion weitergehen sollte, erhielten wir über diverse Medien ernste Hinweise auf coronabedingte Einschränkungen im Reiseverkehr. Die deutsche Botschaft empfahl Reisenden, baldmöglichst die Rückflüge nach Deutschland zu klären.

Auf dem Flughafen Bogotá war eine gewisse Aufregung spürbar, die Schalter der Fluggesellschaften von Reisenden geradezu belagert. Die Einschätzung im persönlichen Gespräch am Lufthansaschalter war eindeutig: „Fliegen Sie nicht nach Armenia weiter. Bleiben sie in der Nähe des internationalen Flughafens und bemühen sie sich, gegebenenfalls einzeln zurückzufliegen.“

Unsere zusammengewürfelte Reisegruppe mit einer Reisebegleitung, die ebenfalls dabei war, sich zusammenzufinden, war gezwungen, das Problem zu meistern. Hier und jetzt galt es, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Weiterzureisen oder die geplante Reise abzubrechen, mit den entsprechenden Konsequenzen. Nach eingehender Debatte, bei der jede/r mit seiner/ihrer Meinung zu Wort kommen konnte, wurde demokratisch und einhellig ein Entschluss getroffen: Wir brachen die Reise am 14. März in Bogotá ab, flogen nicht weiter.

Diese Achtung des Miteinander-Umgehens setzte sich in den nächsten Tagen fort. Entscheidend war hierbei die gegenseitige Rücksichtnahme, die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung und nicht zuletzt der partizipative Führungsstil der Reisebegleitung, bei den Entscheidungen alle Mitreisenden zu beteiligen.

Ab diesem Zeitpunkt hatte uns die Corona-Krise fest im Griff. Flugtickets für Umbuchungen waren nicht mehr zu bekommen. Informationen über weitere Reisebeschränkungen nahmen zu. Landeverbote für ausländische Fluglinien waren im Gespräch, bis hin zum Lock-down des kompletten Flugverkehrs in Kolumbien. Quarantänemaßnahmen für uns und alle Personen, die mit Europäern Kontakt hatten, waren nur eine der stündlich neuen Horror-Meldungen.

Mit viel Glück und persönlichen Beziehungen gelang es uns, für die gesamte Gruppe einen Rückflug für den kommenden Freitag zu buchen.

Unsere Reisebegleitung versuchte die Wartezeit zu erleichtern, örtliche Kontakte wurden aktiviert. Von uns selbst organisierte Besuche von sozialen Projekten waren leider nicht mehr möglich. Lediglich ein Ausflug in die Altstadt von Bogotá, ein Besuch des Botanischen Gartens und eines großen Parks machten die Situation in den nächsten Tagen erträglich. Am Mittwoch, dem 18. März erfolgte dann die Anweisung für Ausländer/innen, ihre Unterkünfte nicht mehr zu verlassen. In unserem Hotel wurden keine gestrandeten Reisenden mehr aufgenommen, der Service reduziert und am Donnerstag erfolgte die vollständige Hotelschließung, einen Tag bevor wir hofften, ausreisen zu können.

Mit Glück konnten wir noch in einem der wenigen Hotels unterkommen, die noch Gäste aus Europa beherbergen durften. Weitere Restriktionen folgten aber auch dort bei einer uns fast bedrohlich vorkommenden Polizeirazzia. Wir durften unsere Zimmer nicht mehr verlassen, Essensbestellungen hatten telefonisch zu erfolgen.

Am Freitag, dem 20. März endlich waren wir erleichtert, nach einer sechstägigen Wartezeit das Land an Bord der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca Richtung Mexiko City verlassen zu können. Hier stiegen wir dann in die Lufthansa-Maschine nach Frankfurt um.

Auf beiden südamerikanischen Flughäfen herrschten akute Ausnahmesituationen. Wir gehörten zu den Glücklichen, die mit gültigen Flugtickets das jeweilige Land verlassen durften. Doch es gab Hunderte Verzweifelte, die noch länger hoffen und bangen mussten, um irgendwie nach Hause zu kommen.

Fazit: Die Reise verlief anders als erwartet. In der kurzen Zeit waren wir auf uns als Gruppe inklusive Reiseleitung angewiesen. Jede/r war gefordert, das Beste aus der Situation zu machen. Bei Meinungsverschiedenheiten, die es auch unter uns gab, wurde trotz Emotionen achtsam miteinander umgegangen. Wir haben uns während der Reise immer beschützt gefühlt - nicht zuletzt durch die guten Wünsche und Gedanken der Ordensschwestern, der Pfarrerin und der Vertreter der kolumbianischen Bischofskonferenz, die wir bei einem Abendessen kennenlernen durften. Und vor allen Dingen durch Schwester María del Rocío, die Provinzoberin der Schwestern vom armen Kinde Jesus, die uns für alle Fälle eine Bleibe in ihrem Kloster versprochen hatte!!!

Seit Wochen sind wir nun zuhause - die WhatsApp-Gruppe besteht und der Wunsch, in ruhigen Zeiten nochmal mit der Gruppe eine Reise nach Kolumbien zu unternehmen.

Rose-Marie und Rudolf Scheithauer

Reiseeindrücke

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