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29. Sonntag im Jahreskreis C // zum Evangelium

Datum:
Do. 13. Okt. 2022
Von:
Annette Jantzen

Er gab ihnen einen Vergleich dafür, wie notwendig es ist, allezeit zu beten und nicht müde zu werden. Er sagte: »In einer Stadt lebte ein Richter, der weder Gott fürchtete noch einen Menschen achtete. Auch eine Witwe lebte in jener Stadt; die kam immer wieder zu ihm und sagte: ›Verschaffe mir Recht gegenüber meinem Gegner‹ ! Eine Zeit lang wollte der Richter nicht. Dann aber sagte er sich: ›Wenn ich auch Gott nicht fürchte und keinen Menschen achte, werde ich doch dieser Witwe Recht verschaffen, weil sie mich belästigt; sonst kommt sie noch am Ende und schlägt mich ins Gesicht.‹ Da sagte er mit großer Autorität: »Hört, was der ungerechte Richter sagt. Aber Gott sollte den Auserwählten, die Tag und Nacht zu Gott schreien, kein Recht schaffen und für sie keinen langen Atem haben? Ich sage euch: Gott wird ihnen Recht schaffen in kurzer Zeit! Wird der Mensch nun bei seinem Kommen Glaubenstreue finden auf der Erde?«

(Lukas-Evangelium, Kapitel 18, Verse 1-8)

Ältere Frauen werden nicht nur in der katholischen Kirche diskriminiert - aber dort eben spezifisch katholisch, mit einer Mischung aus Sexismus und Altersdiskriminierung. Das Phänomen, dass ältere Frauen quasi unsichtbar werden, gibt es auch in der Kirche, und das, obwohl die - noch - treueste Gottesdienstgemeinde aus älteren Frauen gebildet wird. Maria wird standardmäßig jung dargestellt, egal ob als gerade erst Mutter gewordene Frau oder als Pietà. Auch Maria von Magdala wird jung dargestellt, ebenso wie Eva, wo sie denn dargestellt wird - kein Wunder, werden beide doch mit der angeblichen Sündhaftigkeit körperlicher Sinnlichkeit verbunden, und wird landläufig doch körperliche Sinnlichkeit bei Frauen mit Jugendlichkeit gleichgesetzt, auch wenn die Erfahrung sehr vieler Frauen eine andere ist.

Frauen, die nicht mehr ganz jung sind, gelten oft als anstrengend: sei es, weil sie sich sicherer sind, wer sie sind und was sie können, oder sei es, weil sie so viele Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, dass sie sehr genau wissen, warum sie Feministinnen sind, und eine gut genährte Wut auf frauendiskriminierende Strukturen entwickelt haben. Natürlich ist das eine Verallgemeinerung, und natürlich gibt es andere individuelle Erfahrungen von Menschen jeden Alters, aber als ganz grober Holzschnitt mag es taugen: Ältere Frauen setzen weniger darauf, dass sie anderen - insbesondere Männern - gefallen, und setzen sich umso mehr für ihr Recht ein.

Und so eine wütende ältere Frau stellt Jesus hier als Vorbild für die Gottesgläubigen vor, eine von den Strukturen der Gesellschaft massiv diskriminierte Frau, die auf die Gerechtigkeit des Richters angewiesen ist, der als korrputer Rechtsbeuger als ein Gegenbild Gottes dargestellt wird. Und nur, weil die Frau, der kein Ehemann mehr einen Rechtsstatus gibt, so nervt, erhält sie von ihm ihr Recht: Wieviel mehr wird dann Gott, die doch die Gerechtigkeit selbst ist, denen Recht verschaffen, die sie anrufen.

Jesus findet offenbar, dass eine anstrengende Frau ein gutes Vorbild ist. Ich finde das gut. Und wenn ich mir diesen Menschen zum Vorbild nehme, der so gerne Geschichten erzählt, dann drängt sich mir eine Geschichte auf: von Frauen, die in ihrer Kirche keinen gerechten Status haben, sondern die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, weil es Männern gelegen kommt, dass sie das als Willen Jesu ausgeben können. Diese Frauen werden seit einiger Zeit richtig anstrengend. Sie sind laut, sie sind energisch, und sie lassen sich nicht mehr auf klerikale Vertröstungen ein. Sie treten für ihr Recht ein, weil ihr Recht in den Händen des von Männern verfassten Kirchenrechts offenbar nicht in guten Händen ist. Und natürlich gibt es auch viele junge Frauen, die ebenso laut und anstrengend sind - aber es war der Zorn der älteren, der am Anfang stand, und das mit Grund. Diese Altersfrage ist übrigens kein Argument, die Frauensolidarität zu untergraben. Im Gegenteil enthält der Verweis darauf, dass "nur" die älteren aufbegehren würden, eine weitere Abwertung von Frauen - und Feministinnen jeden Alters lassen sich nicht mehr im Wettlauf um die Gunst der Männer gegeneinander aufbringen. Innerhalb der Kirche sind es demgegenüber gerade ältere Männer, die das Sagen haben. Warum sollte der Hinweis auf das Alter von aufbegehrenden Frauen ihr Anliegen irgendwie verharmlosen können?

Noch ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Noch gehen sie den Männern nur auf die Nerven, aber noch haben die keine Eile: Noch gibt es genügend Umfeld, in dem sie gut angesehen sind, egal wie ungerecht das von ihnen vertretende System ist. Aber ich stelle mir vor, dass das kippen wird. Dass sie irgendwann sagen werden: Wir sind zwar nicht überzeugt, dass das wirklich nötig ist, weil wir es nicht für nötig halten, uns in die Frauen hineinzuversetzen. Aber bevor uns alles Ansehen schwindet, werden wir ihnen Recht verschaffen, damit sie endlich Ruhe geben. Wird Jesus, wenn er diese Kirche ansieht, die aus seiner Bewegung hervorgegangen ist, Treue zu seiner Botschaft in ihr finden?   

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