Pusteblume mit Tau (c) Photo by Aaron Burden on Unsplash

2. Sonntag der Osterzeit // Sonntagsfeier zu Hause

Datum:
So. 19. Apr. 2020
Von:
Annette Jantzen

Zur Einstimmung:
Den Platz vorbereiten. Eine Kerze entzünden, dabei alle Menschen hineinnehmen, die ich vermisse.

Lieblingsmusik anmachen. Vorschlag: Zeig mir dein Gesicht

Dem Vermissen Raum geben. Ruhe einkehren lassen. Die Hände sanft auf das Gesicht legen, der Berührung nachspüren. Sachte darüber streichen, die Wärme wahrnehmen, die Konturen.

So bin ich vor dir, Gott. Du schaust mich an. Du hältst mein Gesicht in deinen Händen.

 

Das Evangelium lesen  (aus Johannes, Kapitel 20):
Am Abend dieses ersten Tages nach dem Sabbat, als die Jüngerinnen und Jünger hinter geschlossenen Türen saßen aus Angst vor der jüdischen Obrigkeit, da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: "Friede sei mit euch!" Als der das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Seite. Da freuten sich die Jüngerinnen und Jünger, dass sie Jesus den Lebendigen sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: "Friede sei mit euch! Wie mich Gott gesandt hat, so sende ich euch." Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und sagte ihnen: "Nehmt die heilige Geistkraft auf. Allen, denen ihr Unrecht vergebt, ist es vergeben. Allen, denen ihr dies verweigert, bleibt es."

Aber Thomas, einer der Zwölf, der Didymos oder Zwilling genannt wurde, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jüngerinnen und Jünger sagten zu ihm: "Wir haben Jesus den Lebendigen gesehen." Er aber sagte zu ihnen: "Wenn ich nicht die Wunden der Nägel in seinen Händen sehe und meinen Finger in die Nägelwunden lege und mit meiner Hand in seine Seite greife, dann werde ich nicht glauben."

Nach einer Woche saßen die Jüngerinnen und Jünger wieder drinnen und Thomas war bei ihnen. Jesus kam - die Türen waren verschlossen - und trat in ihre Mitte und sagte: "Friede sei mit euch!" Dann sagte er zu Thomas: "Lege deinen Finger hierher und sieh meine Hände an und nimm deine Hand und greife in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" Thomas antwortete und sagte zu ihm: "Ich verehre dich und will dir gehorchen, du bist der Lebendige, mein Gott!" Jesus sagte zu ihm: "Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Glücklich sind, die nicht sehen und trotzdem glauben."

Jesus tat noch viele andere Wunderzeichen vor seinen Jüngerinnen und Jüngern, die nicht in diesem Buch aufgeschrieben sind. Dieses hier aber ist aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Erwählte Gottes, und als Glaubende in seinem Namen Leben habt.

 

Auslegung:
Jesus kommt den Jüngerinnen und Jüngern unfassbar nah. Anhauchen ist etwas so intimes. Er kommt als Gekreuzigter und erinnert sie an das Wirken der heiligen Geistkraft, bekräftigt dieses Wirken sogar noch durch das Anhauchen. Er enthüllt, dass sein Tod Teil eines größeren Geheimisses ist, wie aus Schmerz Leben wird, wie Gott Gerechtigkeit und Frieden in einer feindseligen Welt gestaltet, wie Gottes Herrlichkeit, in der sein Leben nun verborgen ist, das letzte Wort behält. Erkannt werden kann das nur durch die Geistkraft, in der Erfahrung, Teil einer Weisheitsgemeinschaft zu sein, die an Gottes Präsenz in dieser Welt glaubt, aller Gewalt zum Trotz. Das ist kein Spuk, sondern Bildsprache für eine sonst unnennbare Erfahrung.

"Wem ihr die Sünden lasst, dem bleiben sie." Was macht dieser Teilsatz ausgerechnet in dieser Szene? Vielen Menschen ruft er dunkle Erinnerungen an eine missbräuchliche Gestaltung der Beichte wach. Aber es geht nicht darum, dass die Jüngerinnen und Jünger die Macht hätten zu entscheiden, wem vergeben wird und wem nicht. Dem Johannesevangelium geht es um den Glauben, und das wiederum heißt: "Jesus als den Lebendigen anerkennen". Wer in Jesus Gottes Lebendigkeit erkennt und ihr glaubt, der*dem ist der Weg zu Gott offen - keine Sünde kann im Weg stehen. Wer Gott und das Wirken der Geistkraft ablehnt, bleibt in dieser Betrachtung ungläubig und damit von Gott getrennt - also in Sünden. Die Jüngerinnen und Jünger sind Gesandte im Namen Jesu, des Lebendigen, und fordern so andere Menschen heraus zur Entscheidung. Nur darum können sie Menschen in die Sündlosigkeit holen.

Es geht hier nicht um Moral. Es ist auch kein moralischer Fehler von Thomas, nicht sofort geglaubt zu haben. An keiner Stelle kritisiert Jesus seinen Wunsch nach Berührung, sondern er lädt ihn ein, ihm genauso unfassbar nah zu kommen. Diese Erfahrung ist für die vielen Nachkommenden schwieriger. Mit Blick auf sie, mit Blick auf uns, damit sie, damit wir als Glaubende Teil an Gottes Lebendigkeit haben, sagt der Auferstandene in dieser Geschichte "Glücklich sind, die nicht sehen und trotzdem glauben."

Ein letztes: Die Phase, in der die Jüngerinnen und Jünger aus Furcht die Türen verschlossen halten, dauert. Offenbar findet der Auferstandene sie eine Woche später im gleichen Setting wieder. Aus der Lebendigkeit Gottes freimütig leben geht offenbar nicht so schnell, nicht von heute auf morgen. Und auch das ist nichts, was moralisch zu bewerten wäre - Jesus wiederholt seinen Zuspruch einfach. Ostern geht nicht immer so schnell, Ostern ist etwas zum Einüben. Es ist schwieriger, wenn die Zeiten belastet sind, aber es ist mit einer Zusage verbunden, die nie mehr zurückgenommen wird: Gottes letztes Wort heißt "Leben".

 

In Verbundenheit beten:
Beten über alle Grenzen hinweg, über geschlossene Türen und geschlossene Grenzen hinweg, durch Isolation hindurch. Beten und mich beten lassen, von Worten, die von Jesus über seine ersten Jüngerinnen und Jünger, durch die Geschichte hindurch bis zu mir gekommen sind, und ich verbinde mich damit mit der letzten Wirklichkeit Gottes:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme, dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit, in Ewigkeit. Amen.

 

Zum Ausklang:
Mein Gesicht sacht in meine Hände nehmen, nach einer Weile die Hände herunternehmen und offen vor mich halten
. Was an Gefühlen und Gedanken aufgetaucht ist, mit hinhalten. Ein- und ausatmen. Die Zusage von Trost und Frieden in den Atem hineinnehmen. So lange es guttut, so verweilen. Dann die Haltung vorsichtig lösen, vielleicht mit den Händen von oben nach unten über die Oberarme und den Körper streichen.

 

Abschließend beten:
Gott, bleibe bei mir, bleibe bei uns.
Behüte alle, die ich im Herzen trage, und bewahre unser Leben bei dir.
Amen.

 

Zum Ende:
in die Kerze schauen, nochmal Musik spielen.
Vorschlag: Future/Past

 

Bleiben Sie gut behütet. Wenn Sie ein offenes Ohr brauchen, erreichen Sie mich unter 0172-2685162 oder bei facebook: gotteswort, weiblich