„Und doch: hoffen“

Bischof Bätzing spricht auf dem St. Michael-Jahresempfang in Berlin

Rede von Bischof Bätzing beim St. Michael-Jahresempfang am 12. Oktober 2022 in Berlin (c) Deutsche Bischofskonferenz/Kopp
Rede von Bischof Bätzing beim St. Michael-Jahresempfang am 12. Oktober 2022 in Berlin
Datum:
Do. 13. Okt. 2022
Von:
Deutsche Bischofskonferenz

Hoffnung – unter dieses Thema hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, seine Ansprache beim heutigen (12. Oktober 2022) St. Michael-Jahresempfang des Katholischen Büros in Berlin gestellt.

Zwar sehe er die immensen Herausforderungen, vor denen die Menschheit und wir als europäische und deutsche Gesellschaft stünden: „den Ukrainekrieg und seine sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die Unsicherheit, ob wir die Energiekrise gemeinsam stemmen können. Ich sehe die Schwierigkeiten auf dem Weg, den dramatischen Klimawandel zu bewältigen und eine sich rasant verändernde, digitale Welt zu gestalten. Ich sehe, dass ethische Fragen am Anfang und Ende des Lebens höherer Aufmerksamkeit bedürfen.“ Auch sehe er, dass „unsere Kirche in einer tiefen Krise steckt und die Strahlkraft der Frohen Botschaft davon getrübt wird. Die hohe Zahl von Kirchenaustritten kann uns nicht ruhig sein lassen. Auf dem Synodalen Weg ringen wir um Lösungen für die Zukunft, und gleichzeitig stellt uns die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs täglich vor neue Aufgaben, die wir entschieden angehen.“

Bischof Bätzing fragte in seiner Ansprache vor rund 450 Gästen aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Medien wie man angesichts so vieler bedrückender Fakten wie herausfordernder Problemlagen in der Welt und in der katholischen Kirche von christlicher Hoffnung sprechen könne: „Kurz gesagt: Weil es das Wesen dieser Hoffnung ausmacht, dass wir nicht auf uns selbst, sondern auf Gott vertrauen. Gott ist es, der das Leben aller Menschen trägt und jeden und jede zu ewiger Erfüllung führen will. Er ist der Herr der Geschichte, der gegenüber der Welt – mit all ihrem Unrecht, mit all ihrer menschlichen Anmaßung, mit all ihrer ungerechten Gewalt und all ihren utopischen Versuchungen – das letzte Wort hat. Weil es Gott gibt, einen Gott der unzerstörbaren Liebe zu den Menschen und zur ganzen Schöpfung, haben wir Grund, die Hoffnung für uns und die anderen nie versiegen zu lassen.“

Er sei überzeugt, so Bischof Bätzing, dass die Bewältigung der großen Aufgaben, vor denen Politik und Gesellschaft heute stünden, besser gelinge, wenn Christen und Christinnen ihre Hoffnung in die Debatte einbringen würden – und damit verbunden die Solidarität, die in dieser Hoffnung gründeten. Das gelte für die Auseinandersetzung mit dem menschenverachtenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. „Wir müssen nun erleben, wie der von Russland ausgegangene Krieg Zehntausende von Menschenleben kostet, ungezählte Verwundete und Traumatisierte zurücklässt und Millionen in die Flucht treibt. Mit dem Versuch, durch kriegerische Akte, Schein-Referenden und Annexion die Grenzen zu verschieben, wurden ein weiterer Grundpfeiler des Völkerrechts und zentrale Elemente der europäischen Friedensordnung angegriffen. In diesem Krieg geht es um die Grundlagen unseres Zusammenlebens – in Europa und darüber hinaus, jetzt und für zukünftige Generationen.“ Weil uns der Frieden unendlich kostbar sei, müssten wir uns dem eklatanten Friedensbruch entgegenstellen.

„Wir stehen als Kirche für Gewaltfreiheit ein und für eine Politik der Gewaltvermeidung. Denn: ‚Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit‘ (Papst Johannes Paul II.). Es fällt uns deshalb schwer, die Lieferung todbringender Waffen an eine Kriegspartei zu bejahen. Aber wir kommen nicht umhin festzustellen: Wenn ein Staat gewaltsam zur Beute eines anderen gemacht werden soll, so besitzt er das natürliche Recht auf Selbstverteidigung. Und die Ermöglichung dieser Selbstverteidigung durch andere Länder ist legitim“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er sei den Politikerinnen und Politikern dankbar, die mit Mut und kluger Abwägung angesichts einer schwer zu durchschauenden Lage Entscheidungen treffen und dabei wahrscheinlich nie vollkommen gewiss sein können, das Richtige zu tun. „Es verdient Respekt, diese Verantwortung anzunehmen.“

Mit Entschiedenheit müssten auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges mitsamt der Inflations- und Energiekostenkrise bewältigt werden. „Wir alle tragen Verantwortung für die Bewältigung der Energiekrise und für die Bewahrung der Schöpfung und sind aufgerufen, unser eigenes Verhalten anzupassen.“ Um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Ukrainekriegs zu schultern, brauche es starke Solidarität in der Gesellschaft. Solidarität säe Hoffnung aus. Angesichts der Vielzahl an Krisen könne man auch nicht nur auf den nächsten Winter schauen und dürfe die längere Perspektive nicht vergessen. Es gelte dabei zuallererst diejenigen zu unterstützen, die die Teuerungen im Energie- und Lebensmittelbereich zur Abdeckung ihrer Grundbedarfe nicht selbst schultern könnten, betonte Bischof Bätzing. „Durch die Maßnahmenpakete, die Sie als Politikerinnen und Politiker auf den Weg bringen, binden Sie nicht nur kurzfristig Mittel – das ist mutig und in Anbetracht der vielen Unwägbarkeiten danke ich Ihnen sehr für die Hoffnungsperspektive, die Sie damit geben. So leistet Politik Wesentliches für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und die Politik darf sicher sein, dass die Kirchen ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten“, so Bischof Bätzing.

In seiner Rede erinnerte er auch an den Synodalen Weg, der mit allen Klippen für ihn ein Weg der Hoffnung sei: „für eine Kirche, die sich selbst kritisch reflektiert, Strukturen und Kulturen des Miteinanders ändert, die fragt, was die Zeichen der Zeit sind, und versucht, selbst zerstörte Glaubwürdigkeit mit neuer Vertrauenswürdigkeit zu beantworten, damit viele Menschen mit ihren Sorgen und Nöten Hoffnung in der befreienden Botschaft Jesu finden können.“

Als Gastgeber des Abends würdigte der Leiter des Katholischen Büros Berlin, Prälat Dr. Karl Jüsten, das Engagement von Bundesregierung und Bundestag angesichts vielfältiger Krisen: „Die Bundesregierung und wir alle sind als Gesellschaft vor weitere, neue Herausforderungen gestellt … Auch wenn wir digitale Formate zu schätzen gelernt haben, ist die persönliche Begegnung doch durch nichts zu ersetzen. Dies gilt insbesondere in dieser Zeit, die von uns in ganz besonderer Weise verlangt, als Gesellschaft zusammenzustehen und solidarisch zu sein.“ Die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker zeigten mit ihrem verantwortungsvollen Handeln, „dass auch dann, wenn Entscheidungen höchst dringlich sind und Gesetzgebungsprozesse schnell erfolgen müssen, unsere Demokratie handlungsfähig ist. Dies ist ein wichtiges Signal angesichts der Gefährdung, die Krisen – und gegenwärtig haben wir es mit multiplen Krisen zu tun – immer auch für eine Demokratie bedeuten. Die Nöte der Menschen ernst zu nehmen und in der jetzigen Situation, mit Bedacht, schnell und zielgenau zu handeln, ist enorm wichtig“, so Prälat Jüsten. In einer Demokratie dürfe und müsse über die richtigen Antworten auf alle Fragen des öffentlichen Lebens gestritten werden. „Aber diejenigen, die allein die kurzfristigen Interessen des eigenen Landes oder einzelner Gruppen in den Blick nehmen, müssen sich sagen lassen: Eine Politik der Mitleidlosigkeit gegenüber anderen Völkern zerstört die Grundlagen von Ordnung, Sicherheit und Frieden, auf die auch wir angewiesen sind. Die Ausbeutung der Ängste, die es verständlicherweise in der Bevölkerung gibt, ist im Letzten nichts anderes als zynisches Kalkül.“