Schubladendenken

Wochenimpuls-Foto-220130-Schubladen (c) Edith Furtmann
Wochenimpuls-Foto-220130-Schubladen
Datum:
So. 30. Jan. 2022
Von:
Edith Furtmann

Lk 4,24
„Und Jesus setzte hinzu:
Amen, ich sage euch:
Kein Prophet
wird in seiner Heimat anerkannt.“

Der Prophet gilt nichts im eigenen Land – den Spruch kennen wir alle. Hier kommt er her. Aber wieso ist das so? Nun, da ist dieser Jesus, in Nazareth aufgewachsen, Nachbarssohn, man hat mit ihm gespielt und gelernt (oder die eigenen Kinder haben das), man kennt ihn also durch und durch und er kann nicht überraschen. Das nennt man übrigens Vorurteil: das kann getriggert sein durch gemeinsame Vergangenheit, aber auch dadurch, wie jemand aussieht, wie er redet, wo sie wohnt, welche (Schul-)bildung er genossen hat, wenn sie liebt…
So würden wir ja nie denken, nicht wahr? Vor über dreißig Jahren lernte ich in einer Pfarrgemeinde jemanden kennen, der einen Siegelring trug: und ich war mir sicher, dass er doof war. Ich habe ihm gar keine Chance gegeben, bis wir zufällig mal was zusammen machten und siehe da: er war ganz anders…
Wir stecken Menschen zu gerne in Schubladen. Denn dann können wir sie einschätzen, das ist wahrlich bequemer, als ständig neu zu justieren, wie jemand reagieren könnte, was jemand denken könnte. Grundsätzlich ist das ja nicht falsch. Wichtig aber ist: die Schubladen dürfen nicht zu bleiben. Wir müssen wissen, dass sie da sind, und ihren Inhalt immer wieder überprüfen.
Ich möchte diese Woche ganz vorurteilsfrei durch die Welt gehen. Geht nicht? Da habt Ihr recht. Für mich heißt das: immer, wenn ich mich bei einem Vorurteil ertappe, will ich genau hinschauen. Also, nicht nur diese Woche natürlich. Sondern immer. Das ist übrigens auch der beste Schutz vor unterschwelliger Diskriminierung…