Rechte fallen nicht vom Himmel

Frauenseelsorgerinnen fordern am 16. Juni: „Steh auf für Gerechtigkeit“

Frauentag Nachricht (c) Kathrin Albrecht
Frauentag Nachricht
Datum:
Mo. 28. Mai 2018
„Steh auf für Gerechtigkeit“ – unter diesem Motto sind Frauen aus dem Bistum Aachen am 16. Juni nach Mönchengladbach zum Bistums-Frauentag eingeladen.

 Die KirchenZeitung sprach mit Annette Lenders, Frauenseelsorge im Bistum Aachen, und Angela Reinders, Frauenseelsorgerin in den Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land, über den Tag und über die Bedeutung von Gerechtigkeit.

 

In knapp zwei Wochen findet der Bistums-Frauentag statt. Was genau hat es mit dem Tag auf sich?

Lenders: Die Bistums-Frauentage gibt es jetzt etwas mehr als zehn Jahre. In jeder Region ist eine Frauenseelsorgerin präsent, so sind Bistum und Regionen miteinander verzahnt, auch der jetzige Bistums-Frauentag ist in dieser Weise organisiert. Die Frauen aus den Regionen bearbeiten eigene Schwerpunkte und kommen später in Mönchengladbach zusammen. So entsteht auf schöne Weise eine Solidarität der Frauen im Bistum.

 

Das Thema lautet „Steh auf für Gerechtigkeit“. Das Thema ist ja nicht zuletzt vor gesellschaftspolitischem Hintergrund brandaktuell.

Lenders: Wir kommen von der Bibel her und fragen: Wo gibt es ermutigende Beispiele, dass es möglich ist, für Rechte einzustehen oder bestehende Gesetze zu ändern? Dabei sind wir auf fünf Frauen gestoßen, die das in beeindruckender Weise tun: Machla, Noa, Hogla, Milka und Tirza, die fünf Töchter des Zelofhad. Sie haben für Aufruhr gesorgt, ein Gottesurteil herausgefordert und Recht bekommen (mehr zu der Geschichte auf Seite 17). Die Geschichte zeigt: Es gibt einen Gott, der ein offenes Herz, ein offenes Ohr hat für berechtigte Anliegen und darauf antwortet. Ich wünsche mir, dass wir uns anstecken lassen von dieser Power, diesem Selbst- und Gottvertrauen und aufstehen für Gerechtigkeit, nicht nur für die eigenen Anliegen, sondern auch über den Tellerrand hinausblicken.

Reinders: In der Vorbereitung habe ich den Schwerpunkt auf die Frage gelegt, was Frauen passiert, was Männer so nicht erleben, beispielsweise im Hinblick auf Gewalt, auf Ausbeutung. Bevor ich Gerechtigkeit einfordern kann, muss ich wissen, was passiert. Ein Schwerpunkt ist der Menschenhandel, von dem vor allem Frauen betroffen sind. Dazu hat es eine Veranstaltung mit der Beratungsstelle Solwodi gegeben. Wir sind dabei der Frage nachgegangen, mit welchen Versprechungen Frauen aus anderen Ländern nach Deutschland gelockt werden, und was hier passiert, bevor sie von einer Person zur Ware werden.

 

Warum ist Gerechtigkeit ein Frauenthema?

Lenders: Seit 100 Jahren haben wir das aktive und passive Wahlrecht für Frauen. Seit 20 Jahren ist die Vergewaltigung in der Ehe ein Straftatbestand in Deutschland. Diese Rechte sind nicht vom Himmel gefallen. Frauen haben sie sich erstritten.

Reinders: Das Thema Gerechtigkeit beginnt oft schon ganz banal, bei Äußerlichkeiten. Damit verbunden ist die Frage: Welchen Preis hat das Ansehen im wörtlichen Sinn? Auch da gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen. In der Regel zahlen Frauen dafür mehr als Männer, zum Beispiel für einen Haarschnitt. Um das Thema in die Öffentlichkeit zu rücken, haben wir die Barber Angels nach Stolberg eingeladen, die wohnungslosen Menschen kostenlos die Haare schneiden.

 

Können Sie weitere Beispiele nennen?

Lenders: In Heinsberg arbeitet das Frauenseelsorge-Team schwerpunktmäßig zur Geburtshilfe, einer urweiblichen Aufgabe. Weil die finanziellen Belastungen enorm in die Höhe geschossen sind, entscheiden sich immer weniger Hebammen zu einer beruflichen Selbstständigkeit. Das hat vor allem für kleinere Krankenhäuser und Geburtsstationen fatale Folgen. Das Risiko der Geburt wird zugespitzt auf eine bestimmte Berufsgruppe. Die Geburt wird ins Krankenhaus und ins Krankhafte verlegt.

Reinders: Der Blick auf das Leben hat sich verändert. Das, was ich absichern kann, steht im Mittelpunkt. Aber auch das Scheitern gehört dazu, im Krankenhaus wird es zur Diagnose.

Lenders: Ein anderes Beispiel ist der Pflegesektor. Einerseits sind sich Politik und Gesellschaft einig, dass Pflegearbeit wichtig ist, andererseits wird sie, wenn wir die Entlohnung betrachten, eher gering geschätzt. Im privaten Sektor kommt hinzu, dass für die Pflege oft Frauen aus Polen oder anderen osteuropäischen Ländern engagiert werden. Auch für sie ist diese Arbeit eine Belastung, die sich auf ihr eigenes Leben, ihre eigenen Familien auswirkt. Die Frage von Pflege ist eine gesellschafts- und generationenübergreifende Aufgabe, die de facto vor allem Frauen betrifft.

 

Was kann die Frauenseelsorge in der Frage nach Gerechtigkeit tun?

Lenders: Uns geht es vor allem um das Sichtbarmachen dieser Themen, beispielsweise auch die Frage nach der Rentengerechtigkeit für Frauen. Andere Verbände wie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und die Katholische Frauengemeinschaft (KFD), arbeiten auf politischer Ebene daran, wir sind hier gut vernetzt.

Reinders: Die Themen, die jetzt zum Bistums-Frauentag bearbeitet werden, bleiben vorerst aktuell. Wir möchten anstoßen und vertrauen darauf, dass es Menschen gibt, die das aufgreifen. Wir betrachten die Themen mit einem anderen Blick, aber mit der gleichen Konsequenz.

 

Wie sieht es mit der Gerechtigkeit in der Kirche aus?

Lenders: Die fünf Frauen aus der Bibel sind ein tolles Beispiel, das uns ermutigt. Die deutschen Bischöfe haben bereits 1981 in ihrem Wort „Zur Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“ zu den Chancen und Herausforderungen des partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Frauen und Männern deutlich Position bezogen, und es hat sich seitdem einiges getan. Momentan steht der synodale Prozess „Heute bei dir“ im Bistum Aachen allen offen, sich zu engagieren.

Reinders: Auch ich denke, der Prozess bietet Frauen wie Männern die Möglichkeit, ihren Erfahrungsschatz einzubringen, den sie aus der Gemeindearbeit haben, beispielsweise in der Katechese.

 

Das Gespräch führte Kathrin Albrecht

Für den Bistums-Frauentag können sich interessierte Teilnehmerinnen noch anmelden. Die Ansprechpartnerin in der jeweiligen Region ist unter www.frauenarbeit-aachen.de, Rubrik „Frauenseelsorgerinnen in den Regionen“ zu finden.