Der Glaube braucht Kirche

Kontroverse Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen des Wandels der katholischen Glaubenslehre

Referent Michael Seewald mit Organisatorin Judith Samson (l.) und Moderatorin Christiane Bongartz (c) Dorothée Schenk
Referent Michael Seewald mit Organisatorin Judith Samson (l.) und Moderatorin Christiane Bongartz
Datum:
Di. 5. Feb. 2019
Von:
Dorothée Schenk
Kann Kirche anders? Diese Frage stellten das Katholische Forum Krefeld-Viersen und die Region Krefeld in den Mittelpunkt ihrer Veranstaltung.
Der Glaube braucht Kirche (c) Dorothée Schenk
Der Glaube braucht Kirche

Eingeladen hatten sie sich dazu Deutschlands jüngsten Theologieprofessor, Michael Seewald. Auf großes Interesse stieß diese Diskussion, wenngleich das Ergebnis, das war den Kommentaren zu entnehmen, nicht für alle befriedigend ausfiel. Keine leichtverdaulichen Aussagen bekamen die Anwesenden zu hören, dazu viele Fachtermini, die durchaus zu Missverständnissen führten.

Ein Beispiel sind etwa die Begriffe „Notwendigkeit und Möglichkeit“, die Referent Seewald als Gegensatz verwendet. Michael Seewald: „Das Mögliche hat zwei Gegenteile: Entweder etwas ist unmöglich oder auch das Gegenteil von ,möglich’: Es ist ,notwendig’. Ich glaube, dass wir in der Kirche, wenn wir über Reformen und Veränderungen diskutieren, häufig in den Kategorien des Notwendigen oder Unmöglichen diskutieren. Der Spielraum, der sich gegen das Notwendige und das Unmögliche behauptet, ist das Mögliche. Nicht alles, was möglich ist, ist sinnvoll – aber es ist mehr möglich in der Kirche, als gemeinhin gedacht wird.“ Viel Entwicklungsgeschichte der Kirche wurde referiert, die wichtig für das Verständnis von Kirche im Heute ist, und Theorie, die nur eingeschränkt die zweite Frage des Tages beantworten konnte: „Was bedeutet der Wandel in der Kirche für den aktuellen synodalen Veränderungsprozess hier vor Ort?“ Das liegt am Selbstverständnis des Referenten, wie die Antwort auf die Frage zeigte: Brauchen wir nicht in der Kirche Menschen, die den Schritt über die Analyse hinausgehen?

Analyse

Michael Seewald: „Die braucht es sicher. Ob das meine Aufgabe ist, habe ich meine Zweifel. Meine Rolle ist es, Bewusstsein für bestimmte Prozesse zu schaffen, die ich wissenschaftlich untersuche und darstelle. Ich habe keine andere Kraft als die des Wortes, und einen gewissen Prozess von Selbstreflexion in Gang zu setzen.“ In der Anfangsphase, so erläuterte Pastoralreferentin Elisabeth Vraatz vom Regionalteam Krefeld in ihrer Begrüßung, sei Inventur angesagt und zu fragen: „Was gibt es, was tut not, was fehlt?“ Ein Blick auf die Kernfragen und ihre Antworten. Regionalvikar Heiner Schmitz fragte: „Was braucht es an Dogma in einer Zeit, in der das Wissen über Religion, das Wissen über den Glauben verloren geht?“

Dogma

Michael Seewald: „Die Frage ist, ob Dogma als etwas gesehen wird, was dem Verfügungsbereich vollkommen entzogen ist, oder ob man sich der manipulativen Einflüsse bewusst ist, die zur Entstehung des Dogmas geführt haben? Von einer Religion, die Hegel als ,denkende Religion’ bezeichnet, würde ich erwarten, dass sie einen reflektierten Zugang zu den eigenen Verbindlichkeiten hat.“ Zum Thema Frauen und Kirche waren Katrin Nagel, ehrenamtlich engagiert in der Gemeinde Herz-Jesu Krefeld-Königshof, und Sabine Grotenburg, Gemeindereferentin in der GdG Willich, eingeladen. Sie stellte die Frage in den Raum: „Notwendig ist es nicht, Frauen zu Priestern zu weihen, aber ist es denn möglich?“

Frauen-Weihe

Michael Seewald: „Ich finde es auf jeden Fall möglich. Wie realistisch es ist, das ist eine andere Frage. Frauenordination und Zölibatspflicht hängen nicht zusammen. Bei diesen Themen geht es um eine Spiritualisierung von Macht. Frauen bekommen Macht in der Kirche, aber auch das darf nicht zu einer Selbsttäuschung führen, denn dort, wo Frauen in Entscheidungspositionen sind, sind sie es durch die Gnade von Männern. In der katholischen Kirche wird der Vorgesetzte einer Frau, egal welche Stellung sie hat, immer ein geweihter Mann sein. Insofern ändert sich an der Diagnose nichts: Frauen sind in einer völlig inakzeptablen Weise von Gestaltung und geistlicher Repräsentation ausgeschlossen.“ Mit Annelie Wulff, der Synodalältesten des Kirchenkreises Krefeld-Viersen, und Hans-Jörg Richter vom Pfarreirat und GdG-Rat St. Nikolaus Krefeld-Ost dis- kutierte der Referent das Thema: Wie kommen wir weiter in Fragen der Ökumene?

Ökumene

Michael Seewald: „Die katholische Position ist nicht nur in ökumenischer Betrachtung von einer gewissen Doppelbödigkeit. Das hat man beim sogenannten ,Kommunionstreit‘ im vergangenen Jahr gesehen. Auf der einen Seite wird die Gewissensentscheidung von Einzelnen faktisch schon geachtet, theoretisch weigert man sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass es eine geschlossene sakramentale Welt, wie sie einer katholischen Idealvorstellung zugrunde liegt – Einheit von Kirchengemeinschaft und Eucharistiegemeinschaft –, nicht gibt, und man darum Lösungen ökumenischer Art finden muss.“ Zu spüren war, dass Theorie und Praxis eben doch zwei Seiten einer Medaille sind. Moderatorin Christiane Bongartz zog das Fazit: „Ich habe sehr viel Engagement gehört, von Ihrer Seite auch viel Nüchternheit, sehr klare Worte, manchmal fast hart für den engagierten Katholiken.“ Abschließend war ihr an einem versöhnlichen Abschluss gelegen und sie fragte: „Wie kann man trotzdem in der Institution Kirche gut leben?“

Zukunft

Michael Seewald: „Der Glaube braucht die Kirche. Ohne Institution, die sich als Trägerin und Verkünderin des Glaubens versteht, würde Glaube nach ein bis zwei Generationen verschwinden. Wenn Ihnen Ihr Glaube wichtig ist, dann sind Sie in der Kirche schon ganz richtig. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Glaubenden. Sie hat große Probleme, das ist keine Frage. Aber die Freude am Glauben dürfen wir uns von den Strukturen dieser Gemeinschaft nicht kaputtmachen lassen, sondern müssen das beitragen, was wir können, damit diese Gemeinschaft auch zukunftsfähig ist.“