Bischof Dr. Helmut Dieser im Gespräch mit Hajo Seppelt in der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ am 24. Januar 2022

Bischof Dr. Helmut Dieser (Archivbild) (c) Bistum Aachen / Carl Brunn
Bischof Dr. Helmut Dieser (Archivbild)
Datum:
Fr. 4. Feb. 2022
Von:
Stabsstelle Kommunikation

Viele Katholikinnen und Katholiken in Deutschland fordern, dass die Kirche ihren Umgang mit queeren Mitarbeitenden ändert und dass das kirchliche Arbeitsrecht reformiert wird.

Bischof Dieser sagt, diese Forderungen sind berechtigt.

Bischof Dieser: „Wir haben an diesem Punkt wirklich Handlungsbedarf, diese Anforderungen neu zu formulieren. Wenn wir zu anderen Auffassungen kommen über die Erlaubtheit von Beziehungen auch gleichgeschlechtlicher Art, wird sich diese Position natürlich verändern müssen.“

Ob es für eine Reform des Arbeitsrechts tatsächlich eine Mehrheit in der Bischofskonferenz gibt, ist fraglich. Bischof Dieser betont, er habe seine Haltung zu queeren Menschen geändert.

Bischof Dieser: „Ja, ich habe dazu gelernt, das kann ich ganz freimütig sagen. Ich war als Priester und als Weihbischof anfangs auch noch auf diesem anderen Punkt, dass ich so viel nur sagen konnte, dass ich homosexuelle Menschen akzeptiere, aber dass ich dadurch irgendeine Minderung, irgendein Defizit, irgendeine Störung, oder welchen Begriff man dafür verwenden will, veranschlagen wollte und musste. Aber ich glaube, dass dieser Begriff ‚Mann und Frau‘ selbst vielfältiger ist, als nur ‚der Mann ist auf die Frau hin geschaffen‘ und ‚die Frau ist auf den Mann hin geschaffen‘. Das hat mich ein Stück weiter gebracht, und da bin ich heute an einem anderen Punkt als ich einmal war.“ 

Grundlage für die offizielle ablehnende Haltung der katholischen Kirche, insbesondere zur Homosexualität, ist die seit Jahrhunderten vorherrschende Lesart der Bibel. Dabei ist von Homosexualität im Sinne einer gleichberechtigten Beziehung, einer Verbindung in Liebe, wie wir den Begriff heute verstehen, an keiner Stelle der Bibel die Rede. Nur an wenigen Stellen werden Bezüge zu gleichgeschlechtlichem Sex hergestellt, und der wird verurteilt. Diese traditionelle Lesart des Vatikans ist auch in Kirchenkreisen für viele heute überholt. 

Denn diejenigen, die die Texte vor Jahrtausenden verfasst hätten, hätten eines gar nicht gewusst, so der Aachener Bischof: dass Homosexualität eine Grundorientierung ist, die zum Menschen gehört. 

Hajo Seppelt: „Heißt das also: vor dem heutigen Hintergrund ist die Interpretation der Bibel eine falsche?“

Bischof Dieser: „Wenn man sie so auslegt, dass dort grundsätzliche Aussagen über das Phänomen Homosexualität gemacht werden, die auf der Höhe der heutigen Naturwissenschaften wären, dann ja.“

Hajo Seppelt: „Ist es dann an der Zeit, dass Sie als Bischof sagen, Sie müssen sich entschuldigen?“

Bischof Dieser: „Ja, ich entschuldige mich im Namen der Kirche für die Menschen, die in ihren seelsorglichen Begegnungen mit der Kirche verletzt wurden, unverstanden, gezwungen wurden auf eine bestimmte Position hin zu denken, die sie selber nicht annehmen können. Ich entschuldige mich dafür, dass die Kirche mitunter auch nicht bereit war, die Situation dieser Menschen tiefer auf sich wirken zu lassen, nachdenklicher zu werden und die nötige Unterscheidung, die immer in der Seelsorge nötig ist, um dem Menschen gerecht werden zu können, verweigert hat.“

Das Video ist in der ARD Mediathek abrufbar bis 24.01.2023 unter folgendem Link (Bischof Dieser ab Minute 45:35)

https://www.ardmediathek.de/sendung/wie-gott-uns-schuf/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvd2llLWdvdHQtdW5zLXNjaHVm/