KIRCHE

Folge 4 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Messe mit Gemeinschaftsessen (c) Friederike Peters
Messe mit Gemeinschaftsessen
Datum:
Mo. 26. Okt. 2020
Von:
Friederike Peters

"Und was hat das Ganze nun mit Kirche zu tun, was du da aus Ecuador erzählst?"
So hat mich schon ein paar Mal jemand gefragt. Das hat nicht nur mit Kirche zu tun, das ist Kirche, sage ich und weiß, dass ich das ein bisschen erklären muss.

Schlamm treten (c) privat
Schlamm treten

Kirche kann man versuchen, mit großen Worten zu erklären oder mit Bildern. Jedes Wort oder Bild zeigt etwas und bleibt zugleich ungenügend. Jesus kommt der Sache näher, indem er verschiedene Bilder benutzt. Sein Nachfolger Franziskus macht ihm das nach.
Ich finde die Bilder der beiden sehr vielsagend.
Kurz nach seiner Wahl meinte Franziskus, es wäre gut, wenn Priester "Hirten mit Schafgeruch" wären (Predigt Gründonnerstag, 28.03.2013). Schafgeruch hat man, wenn man mit der Herde Fell an Fell auf dem Feld war oder im Stall. Schafgeruch riecht und klebt nach Wollfett und Mist - nach Schaf eben.
Am Amazonas gibt es keine Schafe, aber alle, die einmal für länger als ein paar Stunden im Amazonaswald waren, wissen, was Amazonasgeruch ist. Die Mischung aus Menschenschweiß und vergorener Urwalderde, die nicht einfach mit Waschen aus Kleidern und Rucksäcken geht, ist unverkennbar und unvergesslich.

Kirche wäre dann da irgendwo ganz tief drin, wo uns nicht mehr nur das Besuchergesicht entgegenleuchtet, sondern der ganz normale Wahn-Sinn des Alltags. Das ist da, wo wieder einmal nichts geht, weil was dazwischen gekommen ist, wo es schön warm ist, aber auch irgendetwas stinkt, was wir nicht abstellen können.
"Mir ist eine 'verbeulte' Kirche lieber, die verletzt und dreckig ist, weil sie auf die Straße rausgegangen ist, als eine Kirche, die krank ist, weil sie sich eingeschlossen hat und sich aus Bequemlichkeit an die eigenen Sicherheiten klammert." (Papst Franziskus: Evangelii gaudium, November 2013, Nr. 49). Kirche wäre dann auch da, wo es zum Himmel stinkt, nach abgefackeltem Erdöl, nach Müll, nach Ungerechtigkeit, Angst, nach Demütigung, ohn-mächtiger Wut, nach Tod - - -

In Ecuador, wie in Rom oder Deutschland liegen wir-Kirche in erbitterter Auseinandersetzung darüber, wo wir eigentlich hingehören, wo unser Ort ist, sein soll und sein will.

Die Naporunas haben ein klares Unterscheidungsmerkmal für Menschen, die von außen in ihr Gebiet kommen. Der Grundsatz heißt: "Hay que pisar lodo! - Man muss Schlamm treten!" Regierungsangestellte, Menschen aus Nichtregierungsorganisationen, die "helfen" wollen, Erdölbosse, Touristen, Lehrerinnen, Krankenpfleger, Pfarrer, Sozial- und PastoralarbeiterInnen werden an diesem Grundsatz gemessen. Gehen sie wirklich rein in das Dorf, den Wald, das Flussufer, die Schule, die Häuser? Dann müssen sie durch Schlamm waten! Anders geht es nicht! Oder bleiben sie am Dorfplatz, im neuen Versammlungshaus, an der Bootanlegestelle, am Telefon? Mit den ersteren kann man arbeiten, die anderen bleiben sowieso besser draußen mit ihrer "Astronautenkleidung". Leise kichern die Naporuna untereinander über die Outdoor-Edelschutzhüllen, mit denen ihre "Helfer" sich aus-rüsten, um sich abzuschirmen von der Wirklichkeit.