GOLD

Folge 44 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Goldfigur Ibarra (c) Friederike Peters
Goldfigur Ibarra
Datum:
Mo. 2. Aug. 2021
Von:
Friederike Peters

Schon zum zweitenmal in dieser Woche liegt ein Prospekt zwischen Zeitungen und Briefkasten mit der Aufmunterung, doch meine alten Goldschätze zu verkaufen. Da ginge alles, vom Trauring bis zum Goldrandteller oder dem Goldzahn der Großtante, falls man ihn denn hätte. Gold ist in, sowohl beim Verkauf als auch beim Einkauf. Jedes Gramm zählt. Jetzt, wo nichts mehr sicher scheint, wollen viele Menschen eine Reserve, die tatsächlich handfest ist.

Jesuitenkirche Quito (c) Friederike Peters
Jesuitenkirche Quito

Eine Feinunze Gold, das sind 31,1 Gramm, kostet aktuell rund 1524 Euro. Drei Feinunzen, die in Größe und Gewicht etwa einer Tafel Schokolade entsprechen, kosten 4572 Euro. Seit die Zeiten unsicherer werden, ist der Goldpreis so hoch wie nie zuvor. Selbst in den abgelegensten Gebieten der Erde werden neu entdeckte und lange unrentable Goldvorkommen jetzt abgebaut.

Ecuador ist wie viele Länder Süd- und Mittelamerikas ein Goldland. Seit der Zeit der europäischen Eroberer wurde gerade hier am Unteren Napofluss das sagenumwobene "El Dorado" der UreinwohnerInnen vermutet, das Land, in dem alles aus Gold ist, von der Kleidung bis zu den Tellern und Palästen. "El Dorado" wurde nie gefunden, wohl aber immer wieder ergiebige Goldminen. Die Eroberer zwangen die Ureinwohner in die Sklaverei und die Sklaven in die Goldminen.

Meine Naporuna-Nachbarn erzählten die Geschichte so:
"Die Spanier schickten unsere Großväter zur Arbeit in die Minen am Oberlauf des Napoflusses. Die Arbeit war nicht zu schaffen. Also haben sie eines Tages einen von unseren Leuten aufgehängt, hoch oben, eine Schlinge um den Hals. Der Mann starb.
Weil die Weißen diesen Mann so umgebracht haben, wurde sein Bruder wütend, versammelte die Goldarbeiter um sich und sie schnappten sich die Weißen. Sie banden ihnen Hände und Füße zusammen und ließen sie liegen. Dann kochten sie in einem Teller das Gold, das sie gefunden hatten. Als es flüssig war, schütteten sie es ihnen in den Mund. Die weißen Herren starben daran. Die konnten jetzt nicht mehr essen und nicht mehr trinken!
Danach flohen unsere Leute. Einige wurden wieder eingefangen und starben im Gefängnis am Hunger. Andere flohen bis zum Unteren Napofluss und blieben dort." (nach: Mercier J.M., Nosotros)

Seit zwei Jahren kommen die Goldsucher wieder an den Napofluss und an seine Zuflüsse. Sie dringen illegal in das Land der Naporuna und Cofanes ein, packen Erde und Steine an den Ufern der kleinen Bachläufe tonnenweise in Säcke und tragen sie durch den Wald bis in große Camps. Steine und Erde werden gemahlen und das Gold mithilfe von Quecksilber, das in die Flüsse geleitet wird, ausgewaschen. Von dort aus vergiftet es Tiere, Pflanzen und Menschen. Das Gold wird über Umwege an die legalen Goldkonzerne verkauft. Der Staat vertreibt nach einiger Zeit die illegalen Goldsucher mit Unterstützung des Militärs, um dann kurze Zeit später Lizenzen für den legalen Abbau an große Konzerne zu verkaufen. Cofanes und Naporuna sollen enteignet werden und verlieren wortwörtlich den Boden unter ihren Füßen. Die Weißen haben wieder Hunger nach Gold.

"Alles hängt mit allem zusammen," schreibt Papst Franziskus in "Laudato Sí" über unser gemeinsames Haus, unsere eine und einzige Welt.

Nach unseren Katastrophen und zu unserer Sicherheit Gold kaufen, heißt auch, Katastrophen in andere Länder zu tragen, zum Beispiel nach Ecuador.