Die Lage ist zum Verzweifeln

Partner der Aktion Friedensdorf Mönchengladbach berichten

„Wenn uns nicht das Virus tötet, tötet uns der Hunger“: In Santiago de Chile herrscht pure Verzweiflung. (c) Aktion Friedensdorf MG
„Wenn uns nicht das Virus tötet, tötet uns der Hunger“: In Santiago de Chile herrscht pure Verzweiflung.
Datum:
Fr. 19. Feb. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2021 | Garnet Manecke

Ein Jahr Corona: Für die meisten Menschen bedeutet das massive Einschränkungen. Sind in Deutschland durch die Sozialsysteme zumindest die Grundbedürfnisse befriedigt, stehen arme Menschen in Entwicklungsländern vor der Frage, wie sie überleben können. Die Aktion Friedensdorf sorgt sich darüber, ob und wie sie auch 2021 noch helfen kann.

Wenn Franziska Suffenplan-Göbels auf das vergangene Jahr zurückblickt, stellt sie fest, dass die Aktion Friedensdorf Glück gehabt hat. „Die Spendenbereitschaft für uns ist nicht zurückgegangen, obwohl wir kaum Aktionen machen konnten“, sagt die Sprecherin der Hilfsorganisation „Aktion Friedensdorf – Kinder in Not Mönchengladbach e. V.“. Das traditionelle Benefizkonzert mit dem Musiker Francis Norman konnte Anfang 2020 noch stattfinden und auch die großzügige Spende eines Unternehmens, dass den Erlös jedes Jahr verdoppelt, floss noch. In diesem Jahr sieht es anders aus: Das Konzert findet nicht statt – wie auch zahlreiceh andere Benefiz-Aktionen nicht.

2020 hat der Verein mit insgesamt 161580 Euro Projekte in Guatemala, Chile, Peru, Indien, Ghana und Kamerun finanziell unterstützt und so Kindern aus ärmsten Verhältnissen eine Perspektive gegeben. Corona hat die ohnehin schwierige Lage der Kinder noch verschärft. „Wir haben von unseren Partnern sehr dramatische Hilferufe bekommen“, berichtet Suffenplan-Göbels. In den Ländern, in denen sich die Organisation engagiert, gibt es keine soziale Absicherung und Gesundheitssysteme, die, wenn überhaupt vorhanden, marode sind. „Viele Menschen haben durch den Lockdown ihre Arbeit verloren und nun überhaupt kein Einkommen mehr“, sagt Suffenplan-Göbels. „Wer von der Hand in den Mund lebt, steht schnell vor der Frage: Sterbe ich an Covid-19 oder verhungere ich?“

Am härtesten trifft das die Kinder in den Projekten. Denn für sie sind die Speisungen oft die einzige Mahlzeit am Tag und der Schulbesuch ist die einzige Chance, sich für ihr Leben eine Perspektive zu erarbeiten. In Peru sei die Lage besonders dramatisch. „Schon im Frühjahr war das Land mit der ersten Welle sehr stark betroffen“, sagt Suffenplan-Göbels. „Das Land hatte in Relation zur Bevölkerungszahl die meisten Todesfälle.“ Mit einer Extra-Spende hat die Aktion Friedensdorf nun geholfen, im Elendsviertel Manchay am Rande von Lima eine Suppenküche einzurichten. Weil der von der Aktion Friedensdorf mitfinanzierte Kindergarten gerade schließen muss, werden die Räume nun zur Lebensmittelausgabe genutzt. Von hier aus werden neben warmen Mahlzeiten auch Lebensmittel an die Bevölkerung verteilt.


Die Pandemie macht Erfolge in der Armutsbekämpfung wieder zunichte

In Guatemala kauften die Partner von den Spenden zwei Nähmaschinen und Stoffe. Daraus werden Masken genäht, die an die Familien in der abgelegenen Region Nimla Sachal verteilt werden. Auch hier ist die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ein Kernthema.

„Die Pandemie und die Folgen der Arbeitslosigkeit machen die Erfolge der Armutsbekämpfung der letzten Jahre wieder zunichte“, beobachtet sie. „Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander.“ Bildung ist der einzige Weg aus dem Elend. Aber gerade der Zugang zur Schulbildung ist vielen Mädchen und Jungen zurzeit verwehrt. „Die Schulen haben geschlossen und einen Distanzunterricht gibt es nicht. Einfach, weil die technischen Voraussetzungen dafür in diesen Ländern nicht gegeben sind“, erklärt Suffenplan-Göbels. „Der Lockdown bedeutet, dass die Kinder überhaupt keinen Unterricht bekommen. Ehemalige Heimkinder, denen eine Ausbildung an einer höheren Schule ermöglicht wird, hätten zwar theoretisch Distanzunterricht. „Aber sie kommen damit nicht klar“, sagt Suffenplan-Göbels. „Als ehemalige Heimkinder haben sie keine Computererfahrung.“

Neben all diesen Schwierigkeiten müssen die Kinder und Jugendlichen oft noch mit Krieg, Behinderungen oder psychischen Problemen durch Traumata fertig werden. Viele in den Projekten betreuten Kinder sind ehemalige Straßenkinder oder Aidswaisen.

Vor diesem Hintergrund schaut Franziska Suffenplan-Göbels mit Sorge auf die kommenden Monate. Zum einen fragt sie sich, ob 2021 genug Spenden für die Hilfe zusammenkommen werden. Zum anderen macht sie sich Gedanken, ob die reichen den armen Ländern bei der Bekämpfung der Pandemie helfen werden. „Wenn wir nicht auch denen helfen, die sich Impfungen nicht leisten können, werden wir Jahre mit Mutationen zu tun haben.“