DIE GROßE REISE

Folge 40 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Reise (c) Friederike Peters
Reise
Datum:
Mo. 5. Juli 2021
Von:
Friederike Peters

Es geht los! Endlich Ferien! Nach endlos scheinenden Lockdowns können wir wieder reisen. Wenn auch große Reisen oft noch zurückgestellt werden, in der Eifel, in Deutschland, in Europa können wir uns wieder bewegen. Reisen ist für die meisten ein Traum, eine kurze Zeit in einer anderen Welt. Für einen kurzen Moment weg vom Alltg, raus von zuhaus -

Reise (c) Alfredo Tangoy
Reise

Auch die Menschen vom Napofluss träumen davon, ferne Welten zu sehen, nicht nur im Fernsehen. Für Elsa und Alfredo wurde der Traum Wirklichkeit. Vom Bistum Aachen wurden die beiden mit mir als Übersetzerin für vier Wochen nach Deutschland eingeladen, um hier von ihrem Leben als Kakaobauern zu erzählen. Viele Gruppen, Schulklassen und Pfarreien haben uns damals kennengelernt.

Was aber hat diese große Reise für die beiden bedeutet? Zum ersten Mal fliegen und das gleich über den Ozean. 11000 km fliegen zu einer Zeit, als man noch nicht in der Nacht alle Flugzeugfenster schließen musste, sondern mitten durch den gleißenden Sternenhimmel fliegen konnte wie ein Stern in der Milchstraße - - -

Wir kommen am Flughafen an, Deutschland unter den Füßen, sie gehen an meiner Seite wie im Traum - bis wir getrennt werden. Deutsche an diesen Schalter, Europäer/Innen an jenen, andere Ausländer/Innen in die dritte Reihe. Ich zeige meinen Pass und gehe durch den Schalter, um die beiden am anderen Ende wiederzutreffen. Aber sie kommen nicht. Ich gehe ein Stück weiter und sehe sie am Schalter stehen, höre den Beamten in harschem Ton auf Deutsch auf sie einreden und die beiden, ohne irgendetwas zu verstehen, ihre Pässe mit dem Visum hinhaltend. Die nimmt er, ohne mit dem Befehlston aufzuhören. Er will was anderes und nichts geht mehr. Ich geh so nah wie möglich an den Schalter ran, um zu verstehen, was los ist. Der Beamte will die Rückflugtickets sehen. Ich übersetze mit lauter Stimme über den Schalter hinweg. Nachdem auch ich einen wütenden Blick abbekommen habe, versteht der Beamte, dass wir zusammengehören und bedankt sich für die Übersetzung. Die beiden holen ihre Tickets aus der Tasche. Er stempelt ihre Aufenthaltsbewilligung in die Pässe. Exakt das Datum des Abflugtages wird zum letzten Tag der Aufenthaltsbewilligung erklärt. Kein Tag mehr. Willkommen in Deutschland!

Es ist November, bitterkalt. Ich rate ihnen, eine Mütze anzuziehen, als wir rausgehen. Nein, eine Mütze ist zu ungewohnt. Es beginnt zu regnen - eiskalt. Gesicht und Ohren werden rot und röter auf unserem Weg. Als wir ins Haus kommen, kommt auch der größte Schock der Reise. Auf Anhieb fangen die Ohren an, fürchterlich zu schmerzen. Was ist das? Was passiert mit uns? Was ist das bloß für ein Land?

Wir übernachten in Bildungshäusern und bei verschiedenen GastgeberInnen. Als ich sie später frage, was sie auf ihrer Reise am meisten beeindruckt hat, was am meisten hängengeblieben ist, kommt ganz vorn in der Liste: "Die Duschen - und jede funktioniert anders!!!" Wir lachen, denn ich weiß sofort, was sie meinen. Es geht mir genauso. Am Napofluss duscht man am Bach, am Fluss, an der Regentonne oder, falls vorhanden, in der Dusche im Haus. Die hat nur einen Knopf, denn warmes Wasser braucht niemand im Tropenklima. Jetzt gibt es zwei Knöpfe, die auf geheimnisvolle Weise miteinander verknüpft sind und auf der ganzen Reise finden wir nicht zwei Drehknopf-Paare, die auf dieselbe Weise funktionieren. Einmal täglich versuchen wir also, dem Geheimnis des warmen Wassers in Deutschland auf die Spur zu kommen.
Wenn eine eine Reise tut - - -

Was bleibt uns hängen in diesem Sommer 2021, auf unseren Reisen?
Was ist das Andere, das uns so anzieht, so lustig ist, so ver-rückt, uns so abschreckt?
Was löst es in uns aus diesen Sommer: Achtung, Verachtung?
Was bliebe uns hängen von einer Reise an den Napofluss zu Elsa und Alfredo?