Die Wahrnehmung von COVID-19 in Malawi

Das Corona-Virus wird in der allgemeinen Wahrnehmung mehrheitlich als menschengemachte Krankheit angesehen, die sich mit bereits verbreiteten Symptomen äußert, die auch bei anderen hier gängigen Krankheiten wie Malaria und Typhus auftreten. Weil diese Krankheiten bekannt sind, erscheint der Mehrheit das Tragen von Masken als fremd bzw. nur notwendig für medizinisches Personal. Nach den aktuellen statistischen Daten sind die Rahmenbedingungen für einen massiven Ausbruch weniger förderlich als in Europa.

COVID-19 wird in Malawi oft mit "von China Organisierter Virus Im Dezember 2019" übersetzt. Da viele Menschen in Malawi husten, niesen und Atemprobleme haben, werden viele von anderen jetzt als coronainfiziert angesehen, auch wenn sie Malaria haben - eine Alltagskrankheit. Dieses Verhalten geht bis hin zu Formen der Diskriminierung.

Die Landbevölkerung glaubt, dass COVID-19 eine Krankheit für Stadtmenschen ist, die sie nicht betrifft. Wer im Dorf eine Maske trägt, wird als jemand angesehen, der die Krankheit dorthin bringt. Gegen die Vorstellung, dass es eine westliche Krankheit ist, die die Menschen in Afrika nicht betrifft, sprechen die inzwischen steigenden Infektionszahlen und Todesfälle. Es gibt große Vorbehalte gegen Impfungen und Coronatests, die beide im Ruf stehen, die Krankheit zu verbreiten.

Trotz der pandemischen Ausbreitung im März und April werden die Pläne der malawischen Regierung, Kontaktsperren zu verhängen, von den internationalen Organisationen im Land als untauglich kritisiert. Da 60% der Bevölkerung von der Hand in den Mund leben, würde ein Lockdown mehr Hungertote als Infektionsopfer bedeuten.

Die meisten Menschen und Institutionen nehmen inzwischen das Händewaschen als Präventionsmaßnahme ernst. Das hat im christlichen Kontext zu dem scherzhaften Kommentar geführt: Wir sind alle Muslime geworden, weil wir uns vor dem Kirchgang die Hände waschen.

Tobias Bagala Jere, Lilongwe

 

Länderinfo:
Malawi gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die ersten 30 Jahre nach Unabhängigkeit (1964) kam die Wirtschaft nicht über Agrarproduktion hinaus.

Bis heute sind nur 80% der schulpflichtigen Kinder in Schulen (20% mehr als 1995). Die Säuglingssterblichkeit lag 2016 bei 55 pro 1000 (in Deutschland 4), die Müttersterblichkeit 2013 bei 510 pro 100.000. Die größte medizinische Herausforderung ist die AIDS-Rate: 2016 waren 9,2% der Erwachsenen infiziert (in Deutschland 0,1%) und es gab 24.000 Todesopfer (bei 17,5 Mio. Gesamtbevölkerung; Deutschland 460 Tote bei 83 Mio. Bevölkerung). Damit gehört das Land zu den zehn am meisten betroffenen Staaten weltweit. 2015 lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 60,7 Jahren.

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