Bischof Helmut Dieser betont in seiner Predigt am ersten Feiertag die Kraft der Weihnachtsbotschaft:Den Weg der Wahrheit immer wieder neu finden
Aachen. Nach Ansicht des Bischofs von Aachen, Helmut Dieser, gibt es ohne den Glauben an Gott keine Wahrheit, die nicht von uns Menschen abhängt und darum nicht manipuliert werden kann. „Darin liegt das Weihnachtsgeheimnis: Wem das Leben Knüppel in die Beine geworfen hat oder wer an sich selber abgestürzt ist, ist noch längst nicht aus dem Weg der Wahrheit herausgefallen, sondern kann ihn weiter gehen“, erklärte Dieser in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag im Aachener Dom.
„Wahrheit, christlich, ja weihnachtlich verstanden, ist immer Gnade: sie ist geschenkhaft, sie bedeutet immer neue Annahme an Kindes statt. Alle, die Jesus aufnehmen, geraten unter die herrliche göttliche Sinngebungsmacht, durch die sie Kinder Gottes werden.“ Dazu gehöre, anzuerkennen, was im eigenen Leben los sei, sich wahrhaftig einzubringen in die Auseinandersetzungen unserer Zeit, nicht lügen zu müssen, nicht täuschen zu wollen und nicht allein zu bleiben mit dem, was man wisse, mahnte Dieser.
In seiner Ansprache ging Dieser von dem Sprichwort „Wer den Weg der Wahrheit geht, der stolpert nicht“ aus. Stolpern bedeute durch eigene oder anderer Leute Unachtsamkeit oder Verantwortungslosigkeit ins Wanken geraten, vielleicht sogar stürzen, mitunter sogar mit schwerwiegenden Folgen. Die Wahrheit, von der das Sprichwort rede, müsste dagegen ankommen, das Leben des Menschen retten können, führte der Bischof aus. Vieles in der realen Lebenswelt spreche allerdings radikal dagegen. „Die Macht der Propaganda schafft in totalitären Staaten eine eigene Wirklichkeit, die beansprucht, die volle und alleinige Wahrheit zu sein“, nannte der Bischof ein aktuelles Beispiel. „Wer zum Beispiel in Russland den Ukrainekrieg öffentlich so bezeichnet, kann äußerst hart bestraft werden.“ In China würden Menschen, die ein weißes Blatt Papier hochhielten, verhaftet, im Iran würden junge Menschen öffentlich hingerichtet, weil sie beansprucht hätten, dass die Deutung des Islam und des Menschenlebens, die das Mullah-Regime überall durchpeitsche, nicht ihre sei. In der digitalen Welt seien wir dauernd in der Gefahr, manipuliert zu werden, indem die Wahrheit digital zugemüllt oder entstellt werde. Darüber hinaus verwies Dieser aber auch auf Ereignisse im menschlichen Leben, die sinnlos seien. So sei es etwa widersinnig und unsinnig, dass wir Menschen durch den materialistisch-konsumistischen Lebensstil unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstörten. „Ein Kind wird überfahren, eine Mutter stirbt viel zu früh, ein Unwetter reißt Menschen tragisch in den Tod. Ein Augenblick am falschen Ort verdirbt ein ganzes Leben, ohne dass irgendein Sinn erkennbar wäre“, stellte Dieser fest.
Der Bischof machte in seiner Ansprache deutlich, dass die Weihnachtsbotschaft gegen alle diese Fragen ankommen müsste, denn sonst wäre sie auch selbst nur Propaganda. Ihr Anspruch bestehe darin, etwas gegen das Stolpern im Leben gefunden zu haben, etwas, das die Trümmer im Leben wieder zu etwas Sinnvollem mache, nicht nur beim einzelnen Menschen, sondern für alle zusammen. Die Weihnachtsbotschaft habe diese Kraft und diese Gewissheit, die in dem liege, was vom Evangelium als die Wahrheit verkündet werde. Nach dem Prolog des Johannes-Evangeliums sei alles durch das Wort Gottes geworden. „Diese geschaffene Welt, unser reales Leben, der Kosmos, der größer ist als unser Begreifen, alles, was ist, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen, messen, berechnen, deuten und verstehen, trägt in sich eine Sinngebung, Geist, Bedeutung, Wahrheit, die aus Gott kommt“, hob der Bischof in seiner Predigt hervor. „Die Wahrheit, die Gott hineingelegt hat und die der Grund ist, warum es überhaupt etwas gibt, was geworden ist, müssen wir annehmen, ja wir müssen sie glauben.“ Zu der Wahrheit Gottes könne man nur gelangen, wenn Gott selbst spreche und sich zu erkennen gebe, und wenn sein Wort von ihm selbst ins Menschsein übersetzt werde.
Jesus Christus sei der einzige Mensch, der nicht nur über Gott sprechen könne, sondern in dem und durch den Gott selber spreche, weil er als Mensch das Wort sei, durch das alles geworden sei. Gegen dieses menschgewordene Wort und Licht in der Finsternis komme keine finstere Propaganda an. „Wer Jesus lieb gewinnt, wer ihm glaubt und Gott in ihm erkennt, dringt immer tiefer und weiter als jede Fassade und jede Vorläufigkeit und kommt ins Freie und ins Weite, in das, was das Leben der Menschen immer erst und immer wieder möglich macht“, betonte Dieser. „Von diesem göttlichen Wort, das Fleisch geworden ist, geht eine gerade geistesgeschichtliche Linie bis zur Erklärung der Menschenrechte und dem Recht auf Meinungsfreiheit, auf Religionsfreiheit.“