Den Zahlen Gesichter geben

Datum:
Do. 22. Apr. 2021
Von:
Patrick Philipp

Am Sonntag, dem 18. April 2021 fand auf Initiative von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein deutschlandweites Gedenken der Verstorbenen der Corona-Pandemie statt. Auch im Bistum Aachen ist diese Initiative aufgegriffen worden. Ein Rückblick

Vielerorts im Bistum wurde im Rahmen der Sonntagsgottesdienste Bezug auf den Gedenktag genommen. Indem die Zahl der Verstorbenen in einer bestimmten Region, Stadt oder Gemeinde genannt, die Namen der Toten vorgelesen oder Fotos aufgestellt wurden, konnten die Gottesdienstbesucher an den Einzelschicksalen Anteil nehmen, die abstrakten Zahlen erhielten eine konkrete Bedeutung. In Fürbitten wurde das Leid und der Schmerz der Verstorbenen und der Hinterbliebenen, die sich zum großen Teil wegen verschärfter Hygieneregeln, Besuchsverboten und Quarantänemaßnahmen in Einrichtungen, Heimen und Krankenhäusern nicht von ihren schwerkranken und sterbenden Angehörigen verabschieden konnten, vor Gott getragen. In Düren läuteten am Sonntag alle sechs Kirchen um 15.00 Uhr gemeinsam die Totenglocken. Auch in Würselen wurde mit einem zentralen Läuten der Kirchenglocken aller Verstorbenen der Stadt gedacht. Eine im Vorfeld aufgezeichnete gemeinsame Gedenkveranstaltung der Stadt Würselen, an der Bürgermeister R. Nießen, Pfarrer H. Haller als Vertreter der evangelischen Kirche sowie Pfarrer R. Gattys und M. Pütgens, Krankenhausseelsorgerin am Rhein-Maas-Klinikum , teilgenommen hatten, wurde per Video öffentlich ausgestrahlt.

Mehr zur Veranstaltung in Würselen finden Sie hier:

Die Grabes- und Auferstehungskirche in Düren (c) Stinkes
Die Grabes- und Auferstehungskirche in Düren

Auch einige Grabeskirchen richteten besondere Gedenkfeiern oder Erinnerungsorte ein. Die Grabes- und Auferstehungskirche St. Cyriakus in Düren wurde mit Kerzen besonders gestaltet, Gebete und Texte ausgelegt. Besucher waren eingeladen innezuhalten und zum stillen Gedenken zu verweilen. An der Grabeskirche St. Elisabeth in Krefeld gedachte Pfarrer Klaus-Stefan Gerndt der in Krefeld Verstorbenen in einer bewegenden Zeremonie.

Die Klagemauer im Columbarium Aachen-Brand (c) Terstappen
Die Klagemauer im Columbarium Aachen-Brand

Im Kolumbarium in Aachen-Brand entstand eine Klagemauer aus Backsteinen, die noch bis zum 3. Mai zugänglich sein wird. Besucher können ihre Bitten und Gebetsanliegen auf Zettel zu schreiben und in die Ritzen der Ziegel zu stecken. Am 3. Mai werden die Zettel aus der Klagemauer entfernt und im Rahmen der Offenen Andacht um 17 Uhr (die turnusmäßig immer am 1. Montag eines Monats stattfindet) Gott anvertraut und verbrannt.

Der Gedenkgottesdienst in Lommersdorf (c) Guido Riethmeister
Der Gedenkgottesdienst in Lommersdorf

In der Pfarrkirche in Lommerdorfs in der GdG Blankenheim-Dahlem fand am Sonntagabend ebenfalls unter dem Motto „Den Zahlen Gesichter geben“ ein Gedenkgottesdienst statt, der von den Pastoralreferenten H. Hoeren und M. Westenburger geleitet wurde. Martin Westenburger berichtet:
„In der unter Coronabedingungen fast voll besetzten Kirche in Lommersdorf stand am 18. April ein mit einem schwarzen Tuch verhüllter Sarg, darauf drei Fotos und ein leerer Bilderrahmen. Die drei Personen auf den Fotos gaben den Zahlen Gesichter. Es waren Personen, die an Corona verstorben sind und deren Lebensgeschichte von Pastoralreferentin Hoeren und Pastoralreferent Westenburger kurz skizziert wurden. Den leeren Bilderrahmen konnte jede und jeder in Gedanken mit der Person füllen, um die er oder sie trauert. Dann wurde von der Würde der Untröstlichkeit gesprochen. Eine Würde, die sich eben nicht so einfach hinwegtrösten lässt. Die die Frage offen hält, die am Grund jeder Form von Leid oder Schmerz verborgen ist. Die Frage nach dem Warum? Wir können sie nicht beantworten, wir können nur auf Gott vertrauen und wir dürfen klagen. Drei aktuelle Klagegebete wurden verlesen. Die Anwesenden entzündeten jeweils eine Kerze, die sie um den Sarg herumstellten und konnten einen Brief an ihre oder ihren Verstorbenen schreiben.
Auf dem Hintergrund der Ostergeschichte – die Frauen wollen Jesus salben, machen sich Gedanken, wer den Stein vom Grabe weggewälzt und finden das Grab offen und Jesus ist auferstanden – wurden die Steine, die die Pandemie auf den Lebensweg so vieler gerollt hat, thematisiert. Ein Haufen Steine vor einem Grabkreuz symbolisierte das. Eine offene Tür neben dem Altar mit der Osterkerze darin, stand für die Türen, die sich im Leben auch wieder öffnen.
Die Andacht wurde musikalisch untermalt von einer Organistin und einem kleinen Gesangsensemble. Sie endete vor der Kirche an einem Feuer, in dem die geschriebenen Briefe verbrannt werden konnten, damit die aufgeschriebenen Gedanken, wie der Rauch gegen den Himmel zu Gott und den Verstorbenen aufsteigen konnten. Dazu wurden zwei Popsongs gespielt, in denen sich die Sänger mit der Trauer um einen lieben Verstorbenen auseinandersetzen. Jede und jeder verließ die Andacht mit einem kleinen Glas mit einer Kerze, einer weißen Rose und sicherlich mit vielem mehr.“

Präsentation des Siegerentwurfs (c) Jutta Bacher
Präsentation des Siegerentwurfs

Ein Ort, an dem Menschen auch über die akute Pandemiedauer hinaus ihren vielfältigen Verlusten, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurden – liebe Angehörige sind gestorben, Freundschaften und Beziehungen sind zerbrochen, Existenzen sind gescheitert, wertvolle Lebenszeit und -freude wurde uns genommen, und vieles mehr - Ausdruck geben und ihre Trauer mit anderen teilen können, entsteht gerade in der Aachener Citykirche St. Nikolaus. Auf Initiative des Vereins „Kirche für die Stadt e.V.“, der ökumenischen CitySeelsorge, der evangelischen Kirchengemeinde Aachen und der katholischen Innenstadtpfarrei Franziska von Aachen wurde Anfang des Jahres ein Wettbewerb für Aachener Künstler*innen ausgerufen, einen solchen Ort zu gestalten. Der weltanschauungsneutral gestaltete Sieger-Entwurf "Corona-Massiv - Von Tiefen und Höhen" der Aachener Künstlerin Vera Sous wird demnächst in der Citykirche realisiert. Die Eröffnung soll die Verbundenheit aller Aachenerinnen und Aachener in der Krise widerspiegeln und im Rahmen einer interreligiösen Feier voraussichtlich noch im Mai stattfinden.