Ansprache von Christoph Simonsen zum 22. Sonntag im Jahreskreis C

22. Sonntag im Jahreskreis C - 2019

Datum:
So. 1. Sep. 2019
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium Lk 14 1.7-14:

Jesus kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen. Da beobachtete man ihn genau. Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, erzählte er ihnen ein Gleichnis. Er sagte zu ihnen: Wenn du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist, nimm nicht den Ehrenplatz ein! Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen. Vielmehr, wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.

 

Ansprache

Ich muss Ihnen etwas eingestehen, liebe Christinnen und Christen: Ich bin heute Nachmittag etwas aufgeregt. Schließlich bin ich heute zum ersten Mal bei Ihnen und darf mit Ihnen Gottesdienst feiern.  Und ich habe Sorge, nicht jeder und jedem einzelnen von Ihnen in angemessener Weise nahe zu kommen. Ganz viele von Ihnen erinnern sich heute lieber Menschen, die sie loslassen und in Gottes Hände legen mussten, womöglich vor ganz kurzer Zeit: Vor sechs Wochen, vor einem Jahr, wann auch immer, Traurigkeit bemisst sich nicht in Zeit. Ich hege diese Sorge in mir, weil ich in der Gefahr stehe, mit meinen Gedanken abzuschweifen. Denn nachher, wenn Sie womöglich zu der Stelle gehen hier in der Kirche, wo ihre Liebsten beigesetzt sind, fahre ich nach Hause und darf eine kleine Schar von Gästen bei mir willkommen heißen. Einige von Ihnen wissen vielleicht, dass ich erst im Frühjahr wieder nach Mönchengladbach gekommen bin. Und nachdem ich nun eine ganze Weile mein neues Zuhause eingerichtet habe und das meiste seinen Platz gefunden hat, so dass ich es auch wiederfinde -  gleichwohl im Keller noch einige Kartons unausgepackt herumstehen – habe ich heute Abend ein paar Freundinnen und Freunde zu einer kleinen Einweihungsfeier eingeladen. Tja, und weil meine Mitbewohner,  sprich: meine Hunde absolut keine Lust haben, mir bei der Vorbereitung zu helfen liegt alles in meiner Hand: Getränke einkaufen, Kochen, den Tisch ein wenig nett vorbereiten und all das, was noch dazu gehört. Sie können vielleicht nachvollziehen, dass deshalb zwei Gefühle in mir um die größere Gunst ringen: Ich möchte ganz hier sein bei Ihnen und Anteil nehmen an Ihren Gedanken und Gefühlen, und zugleich freu ich mich riesig darauf, heute Abend Menschen wiederzusehen, mit denen ich innerlich verbunden bin und die ich nur ganz selten sehe. Leid und Freude liegen manchmal näher beieinander, als man glaubt. Vielleicht ist ihnen diese Erfahrung ja auch vertraut und sie ist noch gar nicht so lange her. Nach der Beisetzung des Verstorbenen, wo sie mit Verwandten, Freunden, Nachbarn beim Kaffee zusammen gesessen sind: die Freude, im Leid nicht alleine zu sein.

Gastfreundschaft und Dankbarkeit sind betörende Tugenden,  können Wunder bewirken, können im Blick auf die letzten und angstgeladensten Grenzen des Lebens Hoffnung und Zuversicht schenken. Gastfreundschaft und Dankbarkeit können versichtbaren, wie und was Gott an uns tut – im Leben, wenn wir in seinem Namen zusammenkommen und im Tod, wenn wir uns ihm in letzter Konsequenz anvertrauen.

Beide Texte des heutigen Tages führen uns wunderschön vor Augen und bestärken uns darin, bescheidene, dankbare, gastfreundliche Menschen zu sein und zu werden. Gastfreundschaft und ein bescheidenes Auftreten sind nicht nur einander Dankbarkeit bekundende menschliche Tugenden. Noch mehr: es sind Lebenseinstellungen.

Ein bescheidener gastfreundlicher Mensch bekundet eine ursprüngliche Sympathie zum Menschen, eine Neugierde für den Menschen,  auch und vor allem für den Menschen, der gerade am Ende seiner Kräfte ist. Wir bekunden in unserem einladenden Miteinander so, dass wir immer füreinander Lehrerin und Lehrer bleiben, die behilflich sind, das Leben zu lernen, wenn es an Grenzen stößt.

Bescheidene, gastfreundliche Menschen haben nicht die Schere im Kopf, die teilt in Menschen, von denen sie was haben und den anderen, die ihnen nichts bringen. Vielleicht haben Sie diese Erfahrung ja machen dürfen, dass auch und vielleicht gerade die Menschen, die ihnen fremd gewesen sind, die Worte gefunden haben, die ihrem Herzen gut getan haben in der Zeit des Abschiednehmens und der Trauer.

Bescheidene, gastfreundliche Menschen haben eine unbändige Begabung, im anderen immer zuerst eine Bereicherung zu sehen; sie freuen sich am Gegenüber und vermögen es, den Menschen immer noch etwas Gutes abzugewinnen, wo andere sie schon längst abgeschrieben haben.

Bescheidene, gastfreundliche Menschen zeichnen sich dadurch aus, offentürig, offenherzig zu sein, ohne anderen einen Seelenstriptease aufzudrängen; sie schätzen den Austausch von Lebenserfahrungen mehr als von Faktenwissen. Für sie ist der Spruch „Geben ist seliger denn nehmen“ mehr als eine Binsenweisheit. Ich bin mir fast sicher, dass auch sie an dieser Wahrheit reifen und wachsen durften in der letzten Zeit.

Ich hoffe, Sie sind mir deshalb nicht allzu böse, wenn ich heute in unserer Feier auch die Menschen in meinen Gedanken habe, die ich heute Abend bei mir zuhause begrüßen darf; ich hoffe, ein guter Gastgeber zu sein und ich wünsche mir, dass meine Freundinnen und Freunde sich bei mir wohlfühlen. Denn wie gesagt: Gastfreundschaft und Bescheidenheit sind mehr als Ausdruck von Höflichkeit oder gesellschaftlicher Gepflogenheiten; sie sind Bild und Wirklichkeit dessen, wie Gott an uns handelt